Die Bilder des SNSD-Kandidaten Rajko Kuzmanovic sind in der Stadt Banja Luka überall präsent. Beispielsweise hier auf einem Straßenmarkt im Stadtzentrum.

Foto: Khorsand/derstandard.at

Muharem Insanic in seiner Familienbäckerei. Am Abend wechselt er seine Bäckerschürze gegen den Frack.

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Sasa (rechts) hält die Wahlen für absurd.

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Alltag in Banja Luka: LOT-Uniformierte sind die Nachfolger der EUFOR-Soldaten und sollen in Teams die zivil-militärische Zusammenarbeit koordinieren. Gemeinsam mit schnell verlegbaren Eingreifkräften bilden sie ein System der Sicherung.

Zoran Kalinic, Politikwissenschafter in Banja Luka, glaubt nicht, dass Miroslav Lajcak, seit vergangenem Juni der Hohe Repräsentant für Bosnien-Herzegowina, lange im AMt bleiben wird.

Der politisch noch relativ unbekannte Rajko Kuzmanovic (SNSD) gilt als aussichtsreichster Kandidat.

Plakat des SDS-Kandidaten Ognjen Tadic in der Nähe des Vrbas´, der durch Banja Luka fließt. Über der Brücke befindet sich der Stadtteil Obilicevo (früher Meydan, türkisch für Platz). Erst langsam werden dort die Moscheen wieder aufgebaut. Für die muslimische und katholische Minderheit in Srpska gibt es keine "eigenen" Parteien.

Banja Luka - Dass bald Präsidentschaftswahlen sind, hört Muharem Insanic zum ersten Mal. Für Politik hat er keine Zeit. Am Morgen ist er Bäcker, am Abend Dirigent. Und dazwischen einfach nur Muharem Insanic. "Seit dem Krieg arbeite ich 24 Stunden täglich", sagt der 63-Jährige. Morgens das Brot, am Abend das Orchester. Das Hinterzimmer seiner Bäckerei ist voll mit Notenblättern, CDs und zahlreichen Bildern, die Insanic als jungen Mann mit Trompete und an der Seite von ehemaligen Opernsängern und Musikern zeigen. Früher konnte er noch viel reisen mit seinem jugoslawischen Pass, "der etwas wert war". Heute kann er die Länder, in die er ohne Visum einreisen darf, an einer Hand abzählen. Insanic ist eine Institution in Banja Luka, der Hauptstadt der "Republika Srpska", die neben der Bosniakisch-Kroatischen Föderation nach dem Friedensabkommen von Dayton 1995 den zweiten Teilstaat in Bosnien-Herzegowina darstellt.

Musik und Brötchen

Seit 100 Jahren kaufen die Leute ihre Brötchen in der Familienbäckerei "Pekara Insanic" im Stadtzentrum. Und seit mehr als 30 Jahren hören sie Muharem Insanics Musik. Man kennt seinen Musikverein "Arion" mit dem Orchester und dem Chor, wo Serben, Bosniaken, Kroaten und andere Nationalitäten gemeinsam Musik machen. "Ich bin Atheist, aber ich respektiere alle Religionen", sagt Muharem Insanic. Dass er Muslim ist, sagt er nicht. "Im Ausland wird man nie darauf angesprochen was man ist, hier die ganze Zeit." Es klingt ein wenig genervt, lieber würde er über seine Musik sprechen, über Mozart, den er so bewundert und seine erste Oper "Safikada: Eine Liebesgeschiche zwischen einem muslimischen Mädchens und einem österreichischen Soldaten Ende des 19. Jahrhunderts in Bosnien.

Den Krieg (1992-1995) und die Politik in Bosnien-Herzegowina lässt er außen vor. Zu kompliziert ist das Problem der drei Volksgruppen – Serben, Kroaten, Bosniaken – dem dreiköpfigen Staatspräsidium, den zwei Entitäten mit den eigenen Regierungen und Parlamenten und dann noch der gemeinsamen Regierung und dem gemeinsamen Parlament. Und über allem steht der Slowake Miroslav Lajcak, der internationale Bosnien-Beauftragte, der dann mitmischt, wenn die Internationale Gemeinschaft Fortschritte im Land sehen will.

"Warum Kosovo und wir nicht"

"Es sollte einen Präsidenten, eine Armee und ein Parlament geben. Bosnien sollte ein normales Land sein ohne ethnische Grenzen." Dass Insanic in der Serbenrepublik mit dieser Meinung zu einer Minderheit gehört, weiß der backende Dirigent. Mehr als 90 Prozent der 1,5 Millionen großen Bevölkerung der Republika Srpska sind Serben. Zumindest seit dem Ende des Krieges.

Für die Serben kommt eine Aufgabe ihrer neu gewonnenen Autonomie nicht in Frage. Ganz im Gegenteil. Man will eine gänzlich unabhängige Serbenrepublik. Und jede Partei, die das in der Serbenrepublik nicht auf die eine oder andere Weise propagiert, hat schon längst verloren. "Für die Republika Srpska ist es besser in einem größeren Land zu sein. Aber es ist schwer unseren Leute zu erklären, warum die Internationale Gemeinschaft den Kosovo unabhängig werden lässt und uns nicht", argumentiert Srdjan Miliza. Der 28-Jährige ist Jugendbeauftragter der derzeit regierenden "Allianz der Unabhängigen Sozialdemokraten" (SNSD) von Ministerpräsident Milorad Dodik. Ihr Kandidat für die Präsidentschaftswahlen ist Rajko Kuzmanovic. Das Bild des 76-Jährigen Juristen mit den getönten Brillengläsern dominiert das Stadtzentrum. Er gilt als aussichtsreichster Kandidat bei den Wahlen.

Alter Präsident

Der Politikwissenschafter Zoran Kalinic hält ihn allerdings nicht für den Besten: "Kuzmanovic ist alt und international kaum bekannt". Er könnte sich den ehemaligen Außen- und Premierminister Mladen Ivanic als Präsidenten vorstellen. Der würde es vielleicht schaffen, die Internationale Gemeinschaft davon "zu überzeugen, dass wir zu Europa gehören". Die Wahlbeteiligung schätzt er bei diesen Wahlen aber für sehr gering ein.

Schief angesehen

Auch Senka Trivic wird Kuzmanovic nicht wählen. Die 26-jährige Fernsehjournalistin kennt den Juristen aus einigen Rechtsvorlesungen auf der Universität. "Er ist zwar kompetent, aber so alt", erklärt sie. Sein Vorgänger Milan Jelic, ebenfalls von der SNSD, erlag im September einem Herzinfarkt. Er war gerade einmal 51 Jahre alt. "Ich werde Ognjen Tadic wählen. Er ist dynamischer. Außerdem würde er als Präsident Ausgleich zur regierenden SNSD schaffen", sagt sie.

Branislav Skobo sitzt im Parlament eine Reihe hinter dem Präsidentschaftskandidaten Tadic. "In Sarajewo oder außerhalb von Banja Luka schauen dich die Leute schon einmal schief an, wenn du sagst, dass du von unserer Partei bist", sagt der Parlamentsabgeordnete. Tadic und Skobo gehören zur„Serbisch Demokratischen Partei“ (SDS), der zweitstärksten Partei im Parlament. Sie wurde von Radovan Karadzic gegründet, dem einstigen Präsidenten der Republika Srpska und der heute wegen seiner Rolle im Bosnienkrieg auf der Fahndungsliste des Kriegsverbrechertribunals von Den Haag steht. "Wenn er tatsächlich unschuldig ist, braucht er nichts zu befürchten, soll nach Den Haag gehen und dort die Wahrheit sagen. Aber wenn er sich versteckt, kann etwas nicht in Ordnung sein", sagt Skobo vorsichtig. Karadzic gehört der Vergangenheit an. So wie jeder andere Politiker auch will er lieber über das Wirtschaftsprogramm seiner Partei, den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit und seinen Präsidentschaftskandidaten Tadic sprechen.

Absurde Wahlen

Sasa hält die Wahl für absurd. "Wozu soll ich wählen, wenn der Hohe Repräsentant den Präsidenten ohne weiteres entlassen kann", sagt der 31-jährige Universitätsassistent für Philosophie. Die Rede ist von Miroslav Lajcak. Seit vergangenem Juni ist er der Hohe Repräsentant für Bosnien-Herzegowina. Mitte Oktober hatte Lajcak vorgeschlagen die Entscheidungsmechanismen in Regierung und Parlament zu vereinfachen. In beiden Fällen sollte die einfache Mehrheit ausreichen um Entscheidungen zu treffen. Die Serben befürchten dabei von Kroaten und Bosniaken überstimmt zu werden. So auch Sasa: "Ich habe kein Problem mit der Institution des Höchsten Repräsentanten, nur soll der seinen Job machen und kein subtiler Diktator sein". Von denen hätte das Land genug gehabt. (Solmaz Khorsand, mhe, derStandard.at, 4.12.2007)