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Allgegenwärtige Wahlwerbung für "Einiges Russland".

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Emblem der Putin-Partei "Einiges Russland" vor der Duma.

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Moskau/Berlin - Die Partei "Geeintes Russland" mit Präsident Wladimir Putin als Spitzenkandidat hat ihr Ergebnis bei der Parlamentswahl jüngsten Auszählungen zufolge noch verbessert. Nach Auswertung von 99,8 Prozent der Wahlzettel lag sie mit 64,24 Prozent haushoch vorne, wie die Wahlkommission am Montag bekanntgab. Zweitstärkste Kraft wurde die oppositionelle Kommunistische Partei mit 11,61 Prozent.

Die ultranationalistische LDPR von Wladimir Schirinowski kam demnach auf 8,2 Prozent der Stimmen, gefolgt von der Mitte-Links-Partei "Gerechtes Russland", die mit 7,8 Prozent ebenfalls den Sprung über die Sieben-Prozenthürde schaffte. Beide Parteien stehen hinter Putin. Nach Angaben der Nachrichtenagentur RIA-Nowosti soll das Endergebnis am 7. oder 8. Dezember veröffentlicht werden.

Kritik an Unregelmäßigkeiten

Beobachter kritisierten zahlreiche Unregelmäßigkeiten, die Kommunisten wollen die Wahl deshalb anfechten. Das Bündnis "Anderes Russland" von Putin-Gegner Garri Kasparow kündigte für Montag Demonstrationen gegen das Wahlergebnis an.

Kasparow bezeichnete die Wahl als "schmutzigsten Urnengang in der jüngeren Geschichte" des Landes. Niemand könne einen Zweifel daran haben, dass das Ergebnis nur durch Betrug zustande gekommen sei, sagte der frühere Schachweltmeister am Montag vor Journalisten in Moskau.

Stimmenzuwachs

Insgesamt erhielt Putin jedoch mit einem überwältigenden Stimmenzuwachs die gewünschte Bestätigung durch das Volk. Verglichen mit der Wahl im Jahr 2003 verbesserte seine Partei ihr Ergebnis um mehr als 26 Prozentpunkte. Putin selbst hatte im Vorfeld der Wahl gesagt, ein erdrutschartiger Sieg würde ihm ein "moralisches" Mandat geben, weiterhin eine führende Rolle im Staat einzunehmen. Er darf bei der Präsidentschaftswahl im März kommenden Jahres nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.

Demonstrationen angekündigt

Nach dem Sieg der Kreml-Partei will unterdessen das nicht zur Wahl zugelassene Oppositionsbündnis um den Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow am Montag gegen die "unfaire Parlamentswahl" protestieren. Geplant seien Kundgebungen am Nachmittag in St. Petersburg und am Abend in Moskau, wie der Radiosender "Echo Moskwy" unter Berufung auf das Bündnis "Anderes Russland" meldete. Im Wahlkampf waren bei nicht genehmigten Kundgebungen gegen die Politik von Präsident Putin Dutzende Kremlkritiker festgenommen worden. Kasparow hatte eine fünftägige Ordnungsstrafe wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht absitzen müssen.

In der russischen Hauptstadt wollten die Regierungskritiker zur Zentralen Wahlkommission ziehen. Nach Angaben des Senders war eine Trauerkundgebung mit schwarzer Kleidung, Kerzen und roten Nelken geplant, um auf den "endgültigen Verlust der politischen Freiheit" hinzuweisen.

"Nationaler Führer"

"Geeintes Russland" kündigte an, auf einem Kongress am 17. Dezember einen Kandidaten für die Nachfolge Putins zu benennen. "Die Siegerpartei hat das volle Recht, ihren Präsidentschaftskandidaten zu bestimmen, und glaubt, dass die Mehrheit des Volkes ihn unterstützen wird", sagte die Gouverneurin von St. Petersburg und Putin-Vertraute Valentina Matwijenko der Nachrichtenagentur Interfax am Montag. "Ohne Zweifel wird es Putin sein, der tatsächlich nominiert", kommentierte die Zeitung "Wremja Nowostej" am Montag.

"Die Wahl hat das Konzept bestätigt, dass Wladimir Putin der nationale Führer ist, dass das Volk seinen Kurs unterstützt und dass dieser Kurs fortgesetzt wird", sagte der Parteivorsitzende von "Geeintes Russland" und Parlamentspräsident Boris Gryslow. Nach Angaben der Wahlkommission wird die Kremlpartei auch in der nächsten Duma über die verfassungsgebende Zweidrittelmehrheit von über 300 der 450 Abgeordneten verfügen.

Die Wahlbeteiligung lag nach offiziellen Angaben bei etwa 62 Prozent, sechs Prozentpunkte mehr als 2003.

Die unabhängige russische Beobachterorganisation Golos berichte laut Interfax von tausenden Unregelmäßigkeiten. Viele Wähler sagten, zur Stimmabgabe gedrängt worden zu sein. In einigen Bezirken habe die Partei Geld an Wähler bezahlt, die für sie gestimmt hätten, erklärte Alexander Kynew von Golos. Einige Lehrer und Ärzte wurden nach eigenen Aussagen von ihren Vorgesetzten angewiesen, am Arbeitsplatz zu wählen. In der Stadt Pestowo in der Region Nowgorod beklagten sich Wähler, dass sie Stimmzettel bekommen hätten, auf denen für Einiges Russland bereits angekreuzt gewesen sei. In Tschetschenien füllten Zeugen zufolge Wahlbeamte Stimmzettel aus.

"Keine demokratische Wahl in unserem Sinne"

Auch die Kommunisten beobachteten tausende Verstöße und kündigten an, die Wahl anzufechten. "Alle Beschwerden und Vorwürfe werden sorgfältig überprüft", sagte Nikolai Konkin von der Wahlkommission der Nachrichtenagentur Itar-Tass. Die Unregelmäßigkeiten seien "unbedeutsam", teilten die Kremlpartei und die Wahlkommission mit. Die USA hatten zuvor Untersuchungen gefordert. Das tschechische Außenministerium sprach in einer am Sonntagabend veröffentlichten Mitteilung von einem "Schatten des Zweifels", der über der neuen Duma hänge. Der deutsche CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz bezeichnete im Interview mit der Deutschen Welle den Urnengang als "keine demokratische Wahl in unserem Sinne".

OSZE-Beobachter: "Unfair"

Der deutsche Bundestagsabgeordnete Christian Kleiminger, der als OSZE-Wahlbeobachter in Russland war, bezeichnete die Abstimmung als "unfair". Putin habe alle Weichen gestellt, sagte er im ZDF-Morgenmagazin. "Die Opposition hatte keine Chance." So sei ihr etwa die Möglichkeit verwehrt gewesen, ihre Botschaft in den Medien zu verbreiten. Er selbst habe keine Manipulation festgestellt, sagte Kleiminger. In anderen Landesteilen könne es aber zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein, das müsse nun geprüft werden.

Botschafter zufrieden

Der russische Botschafter in Berlin, Wladimir Kotenew, zeigte sich im ZDF-Morgenmagazin zufrieden mit dem Wahlausgang. Nach "Versuchen, das Land zu desintegrieren", gebe es nun viel mehr Einheit in Russland, sagte Kotenew. Die festgestellten Unregelmäßigkeiten änderten nichts am Ergebnis. Über den Oppositionspolitiker Garri Kasparow sagte der Diplomat, der ehemalige Schachweltmeister werde in der Bevölkerung als Rebell wahrgenommen. "Die Opposition setzt auf Krawall und Provokation", kritisierte Kotenew. Er betonte gleichzeitig, dass es in seinem Land garantierte Rechte für die Opposition gebe. Medien und Politik in Deutschland sollten sich davor hüten, in ihrem Denken in Schwarz-Weiß-Kategorien zu verfallen. (APA/dpa)