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Antrag auf Adoption: Franzeck (Roland Koch) und Wahlmama (Barbara Petritsch).

Foto: APA/Jäger
Wien - Kaum haben Menschen keine Probleme mehr, machen sie sich neue. Und schaffen sich einen Vaterschaftstest an, der natürlich die Katastrophe bringt: Vater, das ist ein anderer. Bumm! Dabei wäre alles so schön gewesen.

Opa Simon Korach (Michael König) trainiert fröhlich am Latexexpander fürs linksliberale Bürgermeisteramt, Oma (Barbara Petritsch) atmet sich in Indien schon einmal für den Herbst ihres Lebens ein, und die junge Familie mit dem neuen Stammhalter macht auf private Seligkeit. Auf einmal aber ziehen irgendwelche eindeutigen Zahlen auf einem Stück Papier den Schlussstrich. Ende der Fahnenstange. Das eigene Leben - ein Trugschluss.

Jene Stoffe, aus denen für gewöhnlich die Journaille wirksame Coverstorys bastelt, verwandelt Lukas Bärfuss in Theaterstücke. Sex, Glaube, Sterbehilfe sind da die Themen, doch man sollte dem Schweizer Dramatiker seinerseits keine Spekulation auf Umsatzsteigerung hinterherdichten. Der junge Mann aus Thun hängt mit beiden Ohren am Debattenpool des Feuilletons und benützt Reizthemen bloß als Initialzündung seiner überkonstruierten Texte.

Macht der Biologie

In "Die Probe (Der brave Simon Korach)" geht es also nicht um Biologie oder Gentechnik, sondern um die Sprengkraft, die ein Vaterschaftstest in einer Familie entfalten kann. Sobald die Wahrheit am Tisch liegt, schleichen in Nicolas Briegers recht ratloser, aufs farcenhafte Dialogstück reduzierter österreichischen Erstaufführung am Akademietheater der geschasste Vater (Dietmar König) und die retrospektiv untreue Gattin (Sabine Haupt) verkrampft aneinander vorbei.

Dem mythologisch grundierten Thema hat die moderne Humanmedizin neue Gesetzmäßigkeiten angeheftet. Hätte man Ödipus weiland gern rechtzeitig ins Labor geschickt, so hielte man den jungen Vater Peter Korach gern davon fern! Es kam anders. Franzeck (Roland Koch), ein aus Molièreschem Gift gemixter Intrigant, pflanzt aus Neid und privatem Ehrgeiz im jungen Korach den Vater-Zweifel.

Unter hilflos pomadisierten Haaren bastelt dieser vom Leben bisher nur in Form von zu viel Zitronenlikör heimgesuchte Franzeck (Roland Koch in Hochform) an seinem Aufstieg.

In aller "Bescheidenheit", die er in seinem verzwickten Anzug (Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer) meisterhaft zur Schau stellt, erbittet er sogar die Adoption. Sie wird schlagend, als der von der Tatsache seiner eigenen Non-Reproduktion in rauschhafte Hysterie getriebene Peter gegen einen Baum fährt. Tot, doch war dieser Peter überhaupt das leibliche Kind ...?

Bärfuss weist aus der Engführung des Themas hinaus in eine trotz aller Fortpflanzungsirrtümer gedeihliche Ibsen-Wohnhölle, die Regisseur Brieger gänzlich seinem Bühnenbildner überantwortet: Raimund Bauer richtet sie als abschüssige Spiegelung/Dopplung in einem Glasziegelloft (Transparenz!) ein.

Dieser Anblick hatte am Premierenabend die meiste Aussagekraft. Er gab eine Ahnung von gespenstisch leeren Parallelwelten, ein Gedanke, um den sich die Inszenierung rundherum recht wenig bemühte. Sie windet sich in brav exekutierten Dialogen zwischen Slapstick und Tragik und verstreicht nach einem zähen letzten Drittel ohne jede Dringlichkeit. (Margarete Affenzeller / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.12.2007)