In scharfer Form hat Sozialminister Erwin Buchinger am Montag die Bedenken von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (DER STANDARD berichtete) zurückgewiesen. Er forderte Bartenstein und die ÖVP auf, sich an die getroffenen Vereinbarungen zu halten und die Kritik einzustellen. Verfassungswidrig wäre nicht die Ungleichbehandlung von selbstständiger und unselbstständiger Pflege, sondern die Gleichbehandlung, sagte Buchinger am Rande der Präsentation des Behinderten-Gleichstellungsberichtes und gegenüber derStandard.at.

Nach den Grundprinzipien des Verfassungsgerichtshofes wäre es nicht nur verfassungswidrig Gleiches ungleich zu behandeln, sondern auch Ungleiches gleich zu behandeln. Die Sozialversicherungshöhe von Selbstständigen und Unselbstständigen sei aber "völlig unterschiedlich". Deshalb sei auch eine unterschiedliche Förderung "geboten", wies der Sozialminister das Argument Bartensteins zurück, dass es eine "Diskriminierung" selbstständiger Pfleger gebe, weil diese mit maximal 225 Euro gefördert werden - das unselbstständige Modell aber mit bis zu 800 Euro.

Nicht "im Nachhinein herummäkelen"

Buchinger erinnerte daran, dass Bartenstein und die ÖVP der ungleichen Förderung mehrfach zugestimmt haben - bei einem Vieraugengespräch der beiden Minister mit dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler, im Ministerrat, bei der 15a-Vereinbarung mit den Ländern und zuletzt auch im Sozialausschuss des Nationalrates. Er verstehe deshalb nicht, warum jetzt daran "im Nachhinein herumgemäkelt wird", sagte der Sozialminister und empfahl der ÖVP ihre Kritik von außen einzustellen. Die ÖVP solle sich "an Vereinbartes halten."

Buchinger: Energie in Aufklärung stecken

Zur Amnestie-Regelung stellte der Sozialminister klar, dass auch der Vorstandsbeschluss der ÖVP aus der Vorwoche für eine Verlängern nichts daran ändere, dass die Straffreiheit für illegale Pflege mit Jahresende auslaufe. "Das Argument gewinnt nicht an Qualität, nur weil jetzt ein Vorstandsbeschluss vorliegt." Buchinger kritisierte, dass mit den Ängsten der Menschen ein "nicht sehr gutes Spiel" gespielt werde. Er rief dazu auf, die Energie besser in die Aufklärung der Betroffenen zu stecken.

Grüne für Finanzierung durch Erbschafts- und Schenkungssteuer

Die Grünen sind für eine Finanzierung der Pflege durch eine veränderte Form der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Für Sozialsprecher Karl Öllinger könne man dadurch geschätzte 500 Mio. Euro im Jahr lukrieren, rechnete er bei einer Pressekonferenz am Montag vor. Weiters setzen sich die Grünen für die Abschaffung der Vermögensgrenze ein, fordern aber Sicherheit, dass eine Rückforderung durch die Länder via Regress nicht möglich ist.

Anlass für die Forderungen der Grünen ist die letzte Plenarwoche des Nationalrats in diesem Jahr, bei der auch die 15a-Vereinbarung zur Pflegefinanzierung zwischen Bund und Ländern auf der Tagesordnung steht. Hier ist Öllinger skeptisch, was die Pläne von Sozialminister Erwin Buchinger betrifft: "Der Bundesminister setzt sich die Latte so niedrig, dass niemand - nicht einmal er - drüberstolpern kann." Die für die Leistungen vorgesehenen 40 Mio. Euro würden nicht ausreichen. Als Lösung könnte eine Reform der vom Höchstgericht gekippten Erbschafts- und Schenkungssteuer dienen. "Auf diese Summe will ich nicht verzichten."

Abschaffung der Vermögensgrenze auch bei der stationären Pflege

Grüne Unterstützung gibt es für den Vorschlag von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein was die Abschaffung der Vermögensgrenze auch bei der stationären Pflege betrifft. "Wir sehen das auch so, wir wären dafür", so Öllinger, der aber im selben Zug eine Abschaffung des Regresses fordert. Derzeit können Angehörige von Pflegebedürftigen durch die Länder angehalten werden, einen Beitrag zu leisten. Der Grüne Sozialsprecher befürchtet, dies könnte auch im Bereich der Pflege geschehen und fordert eine Garantie, dass dies nicht passieren werde. So gebe es derzeit gerade in Vorarlberg, wo man die Vermögensgrenze bei der 24-Stunden-Betreuung gestrichen habe, den "brutalsten Regress" im Bereich der Sozialhilfe.

Kritik von FPÖ, BZÖ

Scharfe Kritik an dem Koalitions-Hick-Hack zur Pflege kommt von FPÖ und BZÖ. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl sprach in einer Aussendung heute, Montag von einem "Dauergemurkse" der Regierung. Für das BZÖ herrscht beim "Pflegemurks Chaos deluxe", wie BZÖ-Chef Peter Westenthaler auf einer Pressekonferenz betonte. Diakonie-Direktor Michael Chalupka plädierte indes in einer Aussendung für einen "völligen Umbau des Pflegesystems und seiner Finanzierung".

"Keiner kennt sich aus, auf nichts ist Verlass und überall gilt offenbar etwas anderes", resümierte Kickl seine Sicht der derzeitigen Situation. Er forderte Sozialminister Erwin Buchinger und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein dazu auf, "ihre persönlichen Eitelkeiten über das legitime Sicherheitsinteresse der Pflegebedürftigen stellen".

Aus BZÖ-Sicht versagt vor allem die ÖVP völlig. Zuerst werde ein Antrag auf Verlängerung der "sinnlosen Pflegeamnestie" eingebracht, dann der eigene Antrag in einer vom BZÖ initiierten Abstimmung abgelehnt, so die Kritik Westenthalers. Weiters sprachen sich die Orangen klar gegen eine Vermögensgrenze aus. Diese bedeute nichts anderes, als "dass jemand zuerst verarmen muss, bevor er eine Förderung erhält".

Van Staa gegen Vermögensgrenze wenn Bund zahlt

Zur Pflegediskussion hat Tirols Landeshauptmann Herwig van Staa sich am Montagnachmittag für die Abschaffung der Vermögensgrenze bei den Pflegeheimen ausgesprochen, allerdings "nur für den Fall, dass der Bund die dann anfallenden Kosten übernimmt". Von "Abkassieren" in den Heimen könne keine Rede sein, hieß es aus dem Büro des Landeschefs.

Die derzeit geltende Regelung sei "nicht ideal". Er sei immer gesprächsbereit für Verhandlungen. Eine Pflegeamnestie sei ohnedies nur eine Übergangsregelung, weil der Zugang zum Arbeitsmarkt für Personen aus den neuen EU-Ländern schrittweise geöffnet werde. (APA)