Foto: Icepack
Wien - Wirklich verändert hat er sich nicht. Okay, der Haaransatz ist etwas nach hinten verrutscht, und der Übergang lichtet sich ein wenig. Aber sonst: Immer noch einssiebzig, immer noch wie verrückt auf und vor der Bühne, immer noch sexy Hüftschwung, immer noch Exzentrikerschmäh. Er selbst sieht das anders: "Was, ich soll mich nicht verändert haben? Du scherzt! Ich seh aus wie der Hintern von Willie Nelson!"

Der Mann mit der drastischen Selbsteinschätzung heißt David Yow und war einst Sänger, nein, Frontmann, nein, Irrsinniger - ach was, er war das Epizentrum der wahrscheinlich besten Rockband und der ganz sicher besten Live-Rockband der 90er-Jahre: The Jesus Lizard.

Ein US-Vierer, der Punk und Blues als explosionsar- tiges Gemisch anrichtete und dessen durchgeknallter Sprengmeister David Yow war. Ein begnadeter Full-Contact-Entertainer, unberechenbar und gnadenlos zu seinem Publikum - und sich selbst. Zu den größten Fans der Band zählte Nirvana, und The Jesus Lizard war im Sog des Grunge-Booms auch tatsächlich bei einem Major unter Vertrag.

Doch die Möglichkeit des großen Durchbruchs trug den- selben Namen wie dessen Verhinderung: David Yow. Nach einer Serie großartiger Alben war 1999 Schluss mit The Jesus Lizard. Abgesehen von gelegentlichen Auftritten - etwa mit den Metallern Melvins - war Yow weg von der Musik.

Bis er heuer als Sänger, nein, Frontmann, nein - bis er mit dem Duo Qui aus Los Angeles wiederauftauchte und auf Mike Pattons Label für Absonderliches, Ipecac, das Album Love's Miracle veröffentlichte. Mit Qui befindet sich Yow zurzeit auf Europatour, am Sonntag besuchte man die Szene Wien. Schlagzeuger Paul Christensen und Gitarrist Matt Cronk wirken - und sehen auch so aus - wie ewige Sitzenbleiber in der "School of Rock". Ihr Ehrgeiz hat sich nie über jene Riffs hinaus entwickelte, die notwendig sind, um einen ordentlich stumpfen, tendenziell gewaltbereiten, im Blues verwurzelten Prügelrock zu spielen.

Beste Voraussetzungen um Yows Talente erblühen zu lassen! Während Cronk und Christensen mit gellender Gitarre und Stumpf-ist-Trumpf-Rhythmus Druck machten, nahm Yow Kontakt mit dem Publikum auf. Er widmete in sich einem intimen Moment dem Begattungstanz mit Filmkritiker Drehli Robnik, zungenküsste Jungs wie Mädchen und war schneller wieder bei Bier und Tschick auf der Bühne, als Cronk seine drei Akkorde wechselte.

Kübel überm Kopf

Gesang bedeutet bei Yow traditionell die Stimme als Instrument und weniger als narratives Begleitprogramm einzusetzen. Produzent Steve Albini hat ihm einst einen Plastikkübel aufgesetzt, das Mikrofon reingesteckt und Yow so aufgenommen - nur um eine Idee zu liefern, wie sich dessen "Gesang" anhört.

The Jesus Lizard kommen Qui nicht einmal nahe, trotzdem war es ein erquickliches Erlebnis. Right on, Mr. Yow! (Karl Fluch /DER STANDARD, Printausgabe, 4.12.2007)