Mückstein: Weil das Problem der Gewalt in Familien von vielen abgespalten wird. So kann das Bild aufrechterhalten werden, dass die Täter jeweils die anderen sind. Doch gewalttätiges Verhalten liegt auf einem breiten Spektrum. Wer leichtere Übergriffe wie verbales Herabwürdigen oder auch die 'gesunde Watschen' duldet, bahnt schweren Übergriffen den Weg.
STANDARD: Wie erklären Sie diese Duldsamkeit?
Mückstein: Weil leichtere Formen der Gewalt gesellschaftlich toleriert werden. Wer Opfer war, wird leicht zum Täter. Wer Gewalt gegen Kinder ausübt, ist als Kind in der Regel selbst gequält worden.
STANDARD: Klingt das nicht fast nach einer Entschuldigung?
Mückstein: Es ist nicht so gemeint. In Psychotherapien gilt zwar das Prinzip 'Helfen vor Strafen' - aber mit der notwendigen Konsequenz.
STANDARD: Was heißt das für Therapien mit Menschen, die Gewalt gegen Kinder ausüben?
Mückstein: Dass der Schutz des Kindes immer Priorität hat - also Auflagen von Gerichten oder Jugendämtern ernstgenommen werden müssen. Und dass der Therapeut präzise herausarbeiten muss, ob der oder die Betreffende das eigene Verhalten kritisch hinterfragen kann.
STANDARD: Kommen solche Patienten überhaupt freiwillig in Therapie?