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Eine Studie der TU Graz wirft einen kritischen Blick auf das Imperium des Internetunternehmens Google.

Foto: Reuters
" Google dringt massiv in unsere Privatsphäre vor. Es weiß anhand seiner Dienste wie Suchmaschine, Mail, Maps, Google Earth etc. mehr über Leute, Unternehmen und Organisationen als CIA und FBI zusammen - und wird dabei nicht einmal von nationalen Datenschutzbestimmungen beeinträchtigt", sagt der Grazer Studienautor und Informatik-Professor Hermann Maurer im Gespräch mit dem Standard.

Der Aufbau des Imperiums

Seit Jahren beobachtet er, wie das Unternehmen sein Imperium ausbaut. "Google ist mittlerweile eine der mächtigsten Detekteien, die es je gegeben hat", legt der Wissenschafter nach. Er unterstelle dem 1998 gegründeten börsennotierten Unternehmen nicht, dass es sein Potenzial in irgendeiner Weise ausnutze, aber als kommerzielles Unternehmen sei Google ja beinahe gezwungen, darauf zurückzugreifen, wenn es weiterhin große Umsätze verspreche.

Das gesammelte Wissen

Verzahne man das in den einzelnen Unternehmensteilen angesammelte Wissen, könnten dadurch auch bestehende Wirtschaftsmechanismen ausgehebelt werden: Google könne sein beinahe universelles Wissen etwa dazu nutzen, um am Aktienmarkt risikolos zu agieren. In manchen Bereich könne Google mittlerweile gesichert die Entwicklung voraussagen.

Verzerrung der Realität

Auf der anderen Seite warnt der Informatiker auch vor der Verzerrung der Realität durch Google. In der Studie glauben die Autoren nachgewiesen zu haben, dass die Suchmaschine eng mit dem Online-Lexikon Wikipedia zusammenarbeite. Während bei Google für willkürlich gewählte deutschsprachige Suchbegriffe in 70 Prozent der Fälle Wikipedia das erste Ergebnis darstellte, seien es bei Yahoo nur 50 Prozent, bei Altavista nur 45 und bei Microsoft Live nur 21 Prozent. Entspreche die "Google-Wikipedia-Version der Realität" nicht der Wirklichkeit, bestehe die große Gefahr, dass das "Googeln" nach Informationen zu einer verzerrten Wahrnehmung führe.

"Google-Copy-Paste-Syndrom"

Mitgearbeitet an der Studie (.pdf-Datei) hat unter anderem auch Stefan Weber, in Österreich als "Plagiatsjäger" bekannter Medienwissenschafter. Der "Google-Copy-Paste-Syndrom"-Autor gibt erneut zu bedenken, dass Google zwar die Möglichkeit hätte, Plagiate zu verfolgen und geistiges Eigentum zu schützen, sich aber - vermutlich aus wirtschaftlichen Gründen - entschieden habe, dies nicht zu tun.

Kein isoliertes Phänomen

Conclusio der 180-Seiten-Arbeit: Man müsse erkennen, dass Google kein isoliertes Phänomen sei, sondern symptomatisch für das Internet an sich. Und so wie kein Land bestimmte Grundversorgungsbereiche dem freien Markt überlasse, bedürfe es auch für das Internet Regulierungen. Wenn diese international nicht möglich seien, müssten eben Kartellverfahren eingeleitet werden, durch die Google in immer noch große und überlebensfähige Firmen aufgeteilt werde - mit hohen Mauern dazwischen.

DoubleClick

Deutlich spricht sich Maurer auch gegen Googles Zukauf von DoubleClick aus. Die EU-Kommission hatte erst vor zwei Wochen moniert, die 3,1 Mrd. Dollar (2,1 Mrd. Euro) schwere Übernahme der Online-Anzeigenfirma könne den Wettbewerb in der Branche behindern.

Maurer und Weber, die die Hilfsdienste von Google selbst in Anspruch nehmen, sind sich bewusst, dass ihre Kritik vermutlich nicht bis ins Google-Headquarter in Mountain View vordringt. "Was Google anbelangt, gibt es meist nur Affirmation, uns geht um kritische Reflektion", so Weber.

"Außer Kontrolle"

Die ständig neuen Projekte des Unternehmens, von der Internetfestplatte bis hin zum Mobilfunkgeschäft, werden aber auch in den USA nicht von allen nur bejubelt. "In ihrer Arroganz sind sie außer Kontrolle geraten", so Branchenexperte Dennis Kneale vom US-Wirtschaftskanal CNBC. Aktueller Grund der Aufregung: Gestern, Montag, endete in den USA die Anmeldefrist zur Versteigerung weiterer Mobilfunklizenzen. Googles Startofferte: 4,6 Mrd. Dollar. "Google glaubt, sie könnten die Welt in allem schlagen, was sie anfangen", kritisiert Kneale.(Karin Tzschentke/DER STANDARD, Printausgabe vom 4.12.2007)