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Grafik: APA
Der Teufel steckt im Detail. Im Fall von Pisa bedeutet das: Rankings sind die eine Sache – besonders aussagekräftig ist aber die Interpretation der Daten, und ebendie präsentierten Pisa-Österreich-Chef Günter Haider und Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) am Dienstag, an dem die OECD auch weltweit die Ergebnisse des „Programme for International Student Assessment“ bekanntgab.

Die Position Österreichs in den einzelnen Rankings ist im Vergleich zu Pisa 2003 nahezu unverändert. Im Bereich Naturwissenschaften, der bei Pisa 2006 erstmals Schwerpunkt war, liegen die österreichischen Schüler elf Punkte und damit statistisch signifikant über dem OECD-Schnitt. Im Bereich Mathematik sind Österreichs Schüler erstmals besser als der Durchschnitt, unter dem Schnitt liegen sie hingegen beim Lesen.

Besonders auffällig ist der hohe Anteil der Risikoschüler in Österreich: Jeder Dritte der getesteten 15- und 16-Jährigen ist in mindestens einem der drei Kompetenzbereiche besonders leistungsschwach. Die größte Risikogruppe gibt es beim Lesen. Jeder fünfte österreichische Schüler kann das so schlecht, „dass dadurch das private und gesellschaftliche Leben beeinträchtigt werden kann“, besagt der nationale Pisa-Bericht. Diese Risikoschüler seien zudem „nicht bereit für das lebenslange Lernen“, ergänzte Haider bei der Präsentation der Pisa-Ergebnisse.

Rückstand durch Herkunft

Einen eklatanten Unterschied bei den Pisa-Ergebnissen bewirkt das Bildungsniveau der Eltern: Bis zu 102 Punkte trennen die Schüler von Eltern mit Pflichtschulabschluss von den Schüler von Akademikern, und zwar in allen_Wissensbereichen. Diesen Zusammenhang gebe es in allen Ländern, schließen die Autoren der Studie. In anderen Ländern gelinge es jedoch besser, den familiären Hintergrund zu kompensieren.

Auch die Leseleistung von einheimischen Schülern und Migranten klafft auseinander. Besonders schlecht schneidet die zweite Generation von Zuwanderern ab, also jene Schüler, die ihre gesamte Schullaufbahn im österreichischen System verbracht haben. Ihre Leseleistung liegt fast 80 Punkte unter der der österreichischen Schüler.

Obwohl Österreichs Schüler in Naturwissenschaften nicht so schlecht sind, sind sie für dieses Thema sehr unmotiviert, wurde bei Pisa erhoben: Sie haben von 16 europäischen Vergleichsländern die niedrigste zukunftsorientierte Motivation, sie glauben also nicht, dass sie einen naturwissenschaftlichen Beruf ergreifen werden. Mädchen sind deutlich weniger motiviert als Burschen und sehen kaum persönlichen Nutzen in der Naturwissenschaft. Schmied und Haider plädierten bei der Präsentation der Pisa-Ergebnisse dafür, nicht nur Maßnahmen für die Schüler, sondern auch für die Lehrer zu setzen. Neben der gemeinsamen Ausbildung für AHS- und Pflichtschullehrer, die für Schmied ein „langfristiges Ziel“ ist, müsse man Aufnahmsgespräche vor Beginn des Studiums erwägen. Ähnlich wie an der Medizin-Uni müsse man versuchen, „die am besten geeigneten Studenten zu bekommen“. Haider verwies auf Skandinavien, wo es bis zu zehn Bewerber pro Ausbildungsplatz gebe.

„Nachdenken“ über Ausstieg

Während die Unterrichtsministerin Pisa als wichtige Entscheidungshilfe sieht, um „mehr Qualität in die Bildungspolitik zu bringen“ , erneuerte die ÖVP ihre Kritik an der Studie. Wissenschaftssprecherin Gertrude Brinek plädierte am Dienstag sogar für ein „Nachdenken über ein Aussteigen aus dem Pisa-Prozess“ – Rückschlüsse auf das Bildungssystem seien unzulässig. Für Wissenschaftsminister Johannes Hahn wird mit der Pisa-Studie „aus einem Dramolett ein Shakespeare-Drama konstruiert“. „Für Bildungssprecher Fritz Neugebauer hingegen ist Pisa „ein wichtiger Indikator dafür, welche Reformmaßnahmen wir umsetzen sollten“. Laut dem grünen Bildungssprecher Dieter Brosz „schreit die Pisa-Studie nach massiven Reformen im Schulsystem“. Besonders wichtig findet Brosz die Information, dass „Herkunft über die Zukunft entscheidet und nicht Talent oder Fleiß“. FPÖ-Bildungssprecher Martin Graf will künftig nicht nur die Schüler, sondern auch die Lehrer testen lassen. Zweifel an der Wissenschaftlichkeit von Pisa äußerte hingegen BZÖ-Wissenschaftssprecher Gernot Darmann. Österreich habe einen „wesentlich höheren Migrantenanteil“, ein Vergleich etwa mit Finnland sei daher unzulässig.

Die Forderungen nach einem Ausstieg aus der Pisa-Studie wies Schmied in der ZiB2 am Dienstagabend zurück. Die wissenschaftlichen Ergebnisse seien "ein zentrales Element einer auf Fakten basierenden Politik. (red/Andrea Heigl/DER STANDARD Printausgabe, 5. Dezember 2007)