Ja natürlich, unterschiedliches Pensionsalter für Frauen und Männer ist laut Europäischem Gerichtshof unzulässig. Ja, 1993 hat eine große Koalition 40 Jahre Übergang mit Verfassungsmehrheit einbetoniert. Nein, das nützt weder dem Pensionssystem, noch gar den Frauen in der neuen Pensionswelt. Doch das hat sich – außerhalb von Fachzirkeln – zwar in Europa, aber bei uns noch nicht herumgesprochen; wir hungern neben heiligen Kühen.

Frauen nützen nicht nur eine (viel zu) langsame Angleichung von Bildung, Beruf und Einkommen, sondern vor allem geschlechtsneutrale Sterbetafeln zur Pensionsberechnung – und zwar im Maße ihrer längeren Lebenserwartung. Allein das bringt in Österreich 25 Prozent höhere Pensionen – und das ist gut so. Frauen nützen weiters häufiger (69%) gute Mindestsicherung. Frauen nützen drittens Kinderersatzzeiten, in Österreich großzügiger als sonst wo: sie kosten ein Vielfaches des Kinderbetreuungsgeldes und machen für zwei Kinder über 31.000 Euro aus. Frauen nützen auch generöse Witwenpensionen: 91% der Hinterbliebenenrenten in Österreich, das sind 34% aller Frauenpensionen gegen 5% der Männerpensionen; durchschnittlich 544 € für 431.522 Witwen, 229 € für 41.169 Witwer.

Frauen nützt aber kaum ungleiches Pensionsalter, das sie vielfach benachteiligt: bei gleichem Alter „jünger“ als Männer werden sie doppelt diskriminiert, früher aus Arbeitsmarkt, Weiterbildung und Rehabilitation ausgeschlossen und „aus Altersgründen“ gekündigt. Das Vorrecht früherer Pension verkehrt sich in schmerzlich kränkende Altersdiskriminierung in den besten Jahren – Friseusen ab 33 „altersbedingt unvermittelbar“.

Daher kennt kaum ein moderner Staat ungleiches Pensionsalter – Überlebsel werden schleunigst beseitigt (Lettland bis 2008, Belgien 09, Ungarn 09, Estland ´13, Slowakei ´14, Rumänien ´15, UK ´20). Österreich (2033) findet sich nahe Griechenland, Albanien, Kroatien, Mazedonien, Weißrussland, Armenien, Georgien, Tadschikistan usw. Selbst Bosnien hat 65 als gleiches Pensionsalter für Männer und Frauen; nur die abtrünnige Republika Srpska wird erst 2011 angleichen.

Können wir bei Frauengleichstellung nicht von Ländern wie Dänemark, Finnland, Schweden, Norwegen, Kanada usw. statt von Moldawien und Kasachstan lernen? Denn offenbar verhindert ein niedrigeres Pensionsalter weder viel niedrigere Frauenpensionen noch weit verbreitete Frauen-Altersarmut. Im Gegenteil: Vorzeitiger Ruhestand als angeblicher „Ausgleich“ für Benachteiligungen von Frauen verursacht diese überhaupt erst mit. Und Frauen unter 39 zahlen noch Jahrzehnte die eigene Diskriminierung, ohne die Vorteile der ständig schrumpfenden pensionsnäheren Jahrgänge.

Kurz: Eine giftige Pille. Ein Krankheitserreger als Wundermedizin verkauft. Frauenpolitikerinnen sollten das „vergiftete Bonbon“ vorzeitigen Pensionsalters durch Gleichstellungs- und Pensionspakete politisch abtauschen: noch höhere Kinderersatzzeiten, Pensionssplitting zwischen Ehepartnern, eigenständige Alterssicherung für alle. Die Angleichung beginnt 2024, auch ohne Nachteilsausgleich. Doch dann werden die Paschas dieser Welt für ein abgelutschtes Zuckerl nichts mehr bieten: das Atout verliert jährlich an Wert. Und 2033 werden wir wie überall ein gleiches Pensionsalter, aber womöglich ohne gleichere Lebenschancen haben. Wer, außer Hardcore Machos, soll das wollen? (Bernd Marin, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5. Dezember 2007)