Spezialitäten vom Balkan in Wien
Im Sommer 2007 bekam der zehnte Wiener Gemeindebezirk mit dem "Sofra Market" einen besonders gut bestückten Balkan-Supermarkt. "Sofra bedeutet in Bosnisch soviel wie "Reich bedeckter Tisch, der sich unter den Speisen fast biegt", so Geschäftsführer Amin Reda.
Sortiment von 1500 Marken
Montag bis Freitag von neun bis 19 Uhr und Samstag von neun bis 17 Uhr können hier MigrantInnen aus Ex-Jugoslawien und der Türkei aus einem Sortiment von 1500 Marken und Speisen wählen, die sie aus ihrer Heimat kennen. Auch immer mehr ÖsterreicherInnen kommen auf den Geschmack, beobachtet Reda.
Ethno-Food
Die Idee zur Firmengründung entstand noch während Redas Studium an der Wirtschaftsuniversität Wien: Mit Studienkollegen wurde ein Konzept für eine Firma entwickelt, die sich auf Ethno-Food spezialisiert. Über die Grenzen zu schauen lag gewissermaßen nahe: Amin Redas familiäre Wurzeln reichen bis nach Syrien, seine Kollegen kommen aus Bosnien und Jordanien. Aus dem Konzept wurde Ernst - und der Erfolg gab ihnen recht: Innerhalb kurzer Zeit wurde die Firma zum größten österreichischen Händler von Balkanprodukten. In der Folge wurde heuer der Sofra Supermarket gegründet.
"Potential der Minoritäten aus Ex-Jugoslawien"
Und nicht nur in Österreich hat Sofra mit Produkten wie den eingelegten Paprika Erfolg: "Mittlerweile exportieren wir in jedes EU-Land außer Portugal - Märkte in den U.S.A., Ägypten oder China sind gerade in Vorbereitung", informiert Reda. "Daran kann man erkennen, dass bereits sehr viele Länder das Potential der Minoritäten aus Ex-Jugoslawien erkennt haben", sagt Reda.
Große Zielgruppe
Es leben rund 300.000 MigrantInnen aus Ex-Jugoslawien in Österreich, der Markt für Ethno-Supermärkte ist noch lange nicht ausgeschöpft. Der Geschäftsführer schätzt: "60 Prozent unserer Kundschaft kommt aus Ex-Jugoslawien, 30 Prozent aus der Türkei und vielleicht 10 Prozent aus Österreich. Die Balkan-Küche wird bei Einheimischen immer beliebter."
Türkischer Tee und bosnischer Kaffee
Entgegen aller Klischees über türkischen Kaffee trinken die TürkenInnen bevorzugt Tee. Dafür lieben die BosnierInnen ihren Kaffee. Amin Reda erzählt, dass sie die Kaffeemarke nun auch bei Interspar anbieten: "Daneben beliefern wir Merkur, Metro, 300 türkische Supermärkte in Österreich und 400 in Deutschland."
Naturbelassene Säfte aus Slowenien
Apfel, Pfirsich, Erdbeere: Die naturbelassenen Säfte der slowenischen Marke Fructal sind in Europa erfolgreich.
Das türkische Mehl "Özbasak" findet reißenden Absatz: "Wir verkaufen oft 60 Kilo am Tag."
"Die Zeit steht nicht still"
Der Ethno-Food Großhandel übernahm auch den Exklusivbetrieb der Blätterteig-Fertigtaschen von Jami für Europa. Vor einigen Jahren wurden die Blätterteigtaschen, die mit Spinat, Käse oder Erdäpfel gefüllt werden, noch großteils händisch zubereitet. Aber auch in Bosnien steht die Zeit nicht still, wie Reda erzählt: "Heute werden allein in Bosnien pro Tag vier Tonnen Jami verkauft."
Ziegen- und Schafskäse wird in großen Dosen angeboten.
"Halal"
Die Fleischprodukte kommen zum großen Teil von der Firma "Brajlovic", die es in Bosnien seit 60 Jahren gibt. "Zwischen Bosnien und der EU gibt es keine bilateralen Verträge. Die einzige Möglichkeit für uns war es, eine Schwesterfirma von Brajlovic in Österreich zu gründen. So können wir den Bedarf für die gesamte EU decken", sagt der WU-Absolvent.
Die geräucherten Wurstwaren und die Produkte an der Fleischtheke bestehen hauptsächlich aus Rindfleisch. "Unsere Produkte sind 'halal', also nach islamischen Regeln 'rein' und 'erlaubt'. Rund 80 Prozent unserer Kunden sind Moslems", erzählt Reda.
Ein Lamm am Tag
Halil, laut Eigendefinition der "beste Fleischer der Welt", arbeitet seit 17 Jahren in Österreich, insgesamt ist er seit 34 Jahren in dem Beruf tätig. Eine Spezialität im Sofra Supermarket ist das "Jagnece Pecenje", gebratenes Lamm. "Wir verkaufen ein Lamm am Tag", sagt Reda. Die frischen "Sarajevksi Cevapcici" sind ebenfalls sehr beliebt. Am Balkan werden Cevapcici in Brot mit Salat gegessen, vergleichbar mit Kebab, informiert Reda bei der Gelegenheit. Fladenbrot gibt es übrigens auch gleich im Sofra Supermarket.
Süsse Spezialitäten
Als Nachspeise wird Kadaif, was übersetzt "Engelshaar" bedeutet, angeboten. Dünne Teigfäden werden dafür auf ein heißes Blech gelegt und zu diversen Desserts verarbeitet.
Der Brotaufstrich Eurocrem ist für serbische und kroatische Kinder nicht vom Frühstückstisch weg zu denken. Er besteht aus Haselnuss, Kakao und Schokolade.
Jaffa Kekse, besonders die klebrigen Munchmallows, waren im ehemaligen Jugoslawien Kult.
Vom Waschmittel bis zur Zahnpasta
Ornel und Faks sind bekannte Marken aus Kroatien. Auch Zahnpasten, Duschmittel und Shampoos von "garantiert kroatischer Qualität", wie auf den Etiketten zu lesen ist, sind hier zu finden.
Zehn weitere Filialen in Planung
Neben der Kassa werden CDs populärer KünstlerInnen aus dem Balkan, Albanien oder der Türkei angeboten. In Zukunft soll es auch in anderen Bezirken Balkan-Supermärkte geben, berichtet Amin Reda über die Zukunftspläne: "Die Exportfirma hat jedes Jahr rund 150 Prozent Umsatzwachstum. Daher planen wir in den kommenden Jahren zehn weitere Filialen zu eröffnen."
(Julia Schilly/derStandard.at)