Wien – Es hätte wohl keinen besseren Termin für die Präsentation eines neuen Konzepts für die Wiener Mittelschulen geben können als jenen Tag, an dem die Ergebnisse der Pisa-Studie präsentiert wurden.

Erste Ergebnisse

Doch die Expertengruppe rund um Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SP) tagt noch immer. "Einige Punkte müssen noch durchbesprochen werden", sagt Stadtschulrat-Pressesprecher Matias Meißner. Diese Woche hätten die ersten Ergebnisse präsentiert werden sollen. Doch vor Weihnachten ist laut Meißner mit keiner Einigung zu rechnen, als Präsentationstermin peilt man einen Tag im Jänner nächsten Jahres an. Darüber, welche Punkte strittig sind, hat man Stillschweigen vereinbart. Der Job der 25-köpfigen Arbeitsgruppe, die sich aus Eltern, Lehrern und Bildungsexperten zusammen- setzt, sei zwar großteils getan, jetzt müsse man aber noch darüber nachdenken, was rechtlich und politisch möglich sei.

Gesamtschule

Inwieweit sich die Vorstellungen der roten Stadtregierung von einer gemeinsamen Mittelschule, die langfristig sämtliche Hauptschulen und AHS-Unterstufen ersetzen soll, umsetzen lassen, ist aber ohnehin fraglich. Die für Schulen zuständige Stadträtin Grete Laska (SP) wünscht sich schon lange eine Gesamtschule, am liebsten ab dem Schuljahr 2009/10. Und auch Brandsteidl, die sich gern als Pionierin in Sachen Neuer Mittelschule präsentiert, hatte in zahlreichen Gesprächen, auch mit dem Standard, betont, ein Gesamtschul-Modell für Wien anzustreben.

Doch der Gemeinderatsbeschluss von SPÖ und ÖVP, aufgrund dessen eine Expertengruppe eingerichtet wurde, passt so gar nicht zum wienweit plakatierten SPÖ-Slogan "Her mit der neuen Mittelschule!" Von einer neuen Form der Gesamtschule steht dort nämlich nichts. Vielmehr ist von "übersichtlichen und chancengerechten Entscheidungsoptionen für Eltern und Schüler bei der Schulwahl" die Rede. Es wird also auch in der Bundeshauptstadt weiterhin drei Mittelschulmodelle geben – die Hauptschule, die Unterstufe an Gymnasien und die Kooperative Mittelschule, die beide Schulformen verschränkt.

Frühe Selektion zu umgehen

"Deswegen haben wir diesem Antrag auch nicht zugestimmt", sagt die grüne Schulsprecherin Susanne Jerusalem. Stadtschulrat-Sprecher Matias Meißner bedauert, "dass die von der SPÖ gewünschte Gesamtschule rechtlich nicht möglich ist." Ziel der Expertengruppe sei zumindest, die frühe Selektion zu umgehen. Die Frage sei außerdem, wie viele und welche Schulen bei dem neu erarbeiteten Modell mitmachen.

Misstrauenskultur

"Wir sind uns darin einig, dass es eine bessere Verzahnung zwischen Kooperativer Mittelschule und AHS geben muss", sagt Katharina Cortolezis-Schlager, Bildungssprecherin der Wiener VP. Für Zehnjährige, die sich für die Hauptschule entscheiden, soll der Weg zur Matura nicht schwerer sein als für Gymnasiasten.

Was die "horizontale Kooperation" angehe, ziehe man allerdings nicht am selben Strang: "Ich bin dagegen, dass Hauptschüler und Gymnasiasten in einer Klasse unterrichtet werden", sagt Cortolezis-Schlager. Für die schwarze nichtamtsführende Stadträtin ist dennoch klar, wer die Verzögerung zu verantworten hat: "Susanne Brandsteidl hat für eine Misstrauenskultur im Wiener Schulwesen gesorgt." Viele Pädagogen hätten zwar "hehre Ziele", die Umsetzung derer mache ihnen die Stadtschulrats-Präsidentin aber nicht gerade leicht. Und so lange es keine wien-spezifische Evaluierung gäbe, sei ein neues Schulkonzept ohnehin schwierig. "Pisa sagt ja nichts über Wien aus, der einzige Rückschluss, den die Ergebnisse zulassen, ist, dass aufgrund des viel höheren Migrantenanteils in Wien alles noch viel schlimmer ist." Gut möglich also, dass das neue Schulmodell für Wien noch länger auf sich warten lässt. (Marijana Miljkoviæ/Martina Stemmer/ DER STANDARD Printausgabe 6.12.2007)