Ernst Wolfram Marboe leitete von 1982 bis 1991 die ORF- Diskussionssendung "Café Central". Während seiner Tätigkeit als Programmintendant von 1978 bis 1983 lud auch er fallweise Gäste in den "Club 2" ein. Einmal etwa zum Thema "Kulturstadt – Stadtkultur" mit Helmut Zilk.

Foto: STANDARD/Fischer

Klaus Emmerich machte von 1979 bis 1980 als ORF-Auslandskorrespondent Zwischenstation im "Club 2". Rund eineinhalb Jahre leitete er die Sendung, danach schickte ihn Gerd Bacher in die USA. Im Frühjahr 2008 erscheint Klaus Emmerichs Autobiografie im Böhlau-Verlag.

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Freda Meissner-Blau nannte 1978 in einem "Club 2" über Zwentendorf Handelsminister Josef Staribacher einen "Lügner". Peter Huemer machte sie danach zur Gastgeberin. Im Oktober 1984 warf Gerd Bacher sie aus dem Team: Sie bezeichnete – wohl kalkuliert – einen SP-Politiker als "Umweltverbrecher".

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Jens Tschebull war längstdienender "Club 2"-Gastgeber. Bereits am 12. Oktober 1976 leitete er die zweite Runde der von Kuno Knöbl erfundenen Sendung. Insgesamt kam Tschebull bis 1995 auf hundert Moderationen. Er war Chefredakteur von "trend" und "profil" und "Wirtschaftsblatt"-Herausgeber.

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Kommenden Mittwoch startet der ORF den "Club 2" neu. Doris Priesching lud Freda Meissner-Blau, Ernst-Wolfram Marboe, Klaus Emmerich und Jens Tschebull, vier Gastgeber von einst, auf die Couch.

Der "Club 2" kommt zurück, diesmal allerdings ohne Couch: Die Gäste sitzen auf neuem Mobiliar. Illustration: Rudi Klein
Illustration: Rudi Klein

STANDARD: Nach zwölf Jahren beginnt kommenden Mittwoch, am 12.12. ein neuer "Club 2". Freuen Sie sich?

Meissner-Blau: Ich bin pessimistisch. Das war eine Schnellfeuerentscheidung auf Druck des Boulevards. Der "Club" war – zumindest in seiner Anfangsphase – außerordentlich liberal. Der jetzige Generaldirektor Wrabetz steht einerseits unter Erfolgszwang, andererseits wird der Erfolg nicht kommen, wenn von außen dirigiert wird. Ganz wichtig ist die erste Sendung. Er sollte natürlich die Tochter von Nina Hagen einladen.

Emmerich: Sehr gut! Damit wäre der Generationenwechsel angedeutet.

Tschebull: Vor kurzem wurde im "Club 2" ein Mann mit elf Schüssen getötet. Das ist der Name einer Discothek in Baden, woraus ich schließe, dass der Name immer noch populär ist. Vom Fernsehclub erwarte ich mir spontane Meinungsäußerungen von halbwegs gescheiten Leuten.

Meissner-Blau: Keinesfalls Politiker!

Marboe: Der neue "Club 2" ist Exhumierung, und wir wissen von Tutanchamun, dass Mumien nicht sehr gut ausschauen, wenn sie des Goldes beraubt sind. Nach menschlichem Ermessen bräuchte es ein Wunder, damit das sofort einschlägt. Der "Club 2" war ein Gesamtkunstwerk, die Kreation eines neuen Fernsehbildes. Otto Anton Eder hat in der Bildregie eine Geschichte erzählt. Das war Kammerspiel und Musik.

Der Versuch, etwas Neues zu machen, ist grundsätzlich gut. Die Frage ist nur, ob man das so umsetzen kann, ob es im ORF die Menschen gibt, mit denen man wie damals zum Beispiel bei Nina Hagen Furore gemacht hat.

Marboe: Das waren wir zwei!

Emmerich: Es geht auch um den politischen Hintergrund. Die Nach-68er waren Jahre des Aufbruchs. Was haben wir heute? Wir haben wieder eine große Koalition, vielleicht ist das eine Chance. Aber der Name "Club 2" ist eine so hohe Latte.

STANDARD: War es klug, den Namen zu übernehmen?

Tschebull: Warum nicht? "Club 2" klingt immer noch gut.

Marboe: Man müsste den Geist des "Club 2" wiederbeleben. Nämlich als Diskussionssendung gegen die verdammte Inflation aus Talkshows. Der "Club" hatte einen Gastgeber, keinen Moderator. Der gab dem Abend das Gepräge.

Meissner-Blau: Der Gastgeber wurde gefragt, wen er als Gast haben möchte. Wer würde sich das heute trauen?

STANDARD: Könnte der neue "Club 2" nicht auch dem Bedürfnis nach einer neuen Diskussionskultur unter den Zuschauern entsprechen?

Emmerich: Aber ist es so? Oder ist es nicht reiner Opportunismus, sich des alten Titels zu bedienen, um auf diese Art Quoten einzubringen?

Meissner-Blau: Ich bin froh, dass Sie das sagen, Emmerich. Ich hätte gerne zum Titel noch ein zusätzliches Wort, sonst wird wirklich nur die Mumie wiedererweckt.

STANDARD: Mit dem offenen Sendeschluss sind Sie einverstanden?

Emmerich: Wenn die Diskussion stark ist, schon.

Meissner-Blau: Und wenn nicht, wird der Gastgeber früh Schluss machen, weil er Angst kriegt.

Marboe: Nehmen Sie es wie eine Theaterinszenierung. Damals war die Dramaturgie schlichtweg perfekt. Auch mit dem Sessel im Eck fürs "Krokodil".

Emmerich: Wir hatten bei unseren Redaktionssitzungen stets drei Fragen: Erstens das Thema. Zweitens: Wer macht's? Und drittens: Wer ist unser Krokodil, wer sorgt für Widerspruch?

Meissner-Blau: Wenn man Ratschläge geben könnte: Es muss frech sein.

Tschebull: Politisch unkorrekt. Ein Interessenvertreter, der dort hingesetzt wird, kann ja nicht sagen, was er will. 200.000 Leute schauen zu, die er vertreten soll. So jemand kann keine spontanen Ideen entwickeln.

Marboe: Es bräuchte Mut, über den Tellerrand zu blicken. Wir hatten zum Beispiel den Erfinder der Wasserstoff-Bombe, Edward Teller ...

Meissner-Blau: ... eine Sternstunde! Peter Huemer rief an und sagte: "Freda, kennst du eine Frau, die wissenschaftlich beschlagen ist und garantiert nicht weint, wenn Schreckliches kommt?" Ursula Koch, Doktor der Chemie, kam. Und Teller erzählte von dieser schrecklichen Neutronenbombe. Dann ging die Kamera ganz nah auf Koch – sie weinte. Ich kriege jetzt noch Gänsehaut.

STANDARD: Wie entstanden die Sendungen?

Emmerich: Die Entscheidung zum Thema fiel einen Tag davor.

Meissner-Blau: Unsereins hat sich sachlich vorbereitet. Der Einzige, der manchmal provokant unvorbereitet kam, war Günther Nenning. Der kratzte sich am Kopf und sagte: "Wovon red ma heut?"

Marboe: Ich gab Nenning im Café Central politisches Asyl. Es gab die Weisung vom Generalintendanten, Günther Nenning zu entfernen.

Tschebull: Es gab auch andere Weisungen. Ich zitiere: "Während der Sendung wird ab sofort kein Alkohol ausgeschenkt." Unterzeichnet von einem gewissen Herrn Marboe 1979.

Marboe: Das war die Nina Hagen!

Emmerich: Ich war damals Sendungsverantwortlicher und darf erzählen, wie's war: Es war die Zeit des Gipfeltreffens Breschnew-Carter. Der "Club 2" hat sich von diesem Spitzenereignis tragen lassen. So, dass wir zum Ausgleich das vergleichsweise leichte Thema "Jugendkultur" wählten, und Nina Hagen sollte kommen. Ich muss offen gestehen, dass ich nicht wusste, wer und wie die Dame ist. Sie kam, das Ergebnis ist bekannt. Schon während der Sendung war der Teufel los. Was sollten wir tun? Abdrehen? Ich sagte: "Nein, aber geht auf Totaleinstellung, das ist ja wohl das Mindeste." Was hat der Regisseur Otto Anton Eder gemacht? Das genaue Gegenteil natürlich, nur Nahaufnahmen.

Meissner-Blau: Das wollte ich Ihnen ohnehin schon längst sagen, Emmerich: Sie waren der liberalste Sendungsleiter, den der "Club 2" jemals hatte!

Marboe: Ich war am Attersee und habe mit Peter Bochskanl, damals ÖVP-Pressedienst, tarockiert. Meine Frau kam immer wieder zu uns und sagte: "Du, da ist der Bär los." Ich sagte: "Re-Kontra, du spielst aus." Am nächsten Tag kam ich ins Büro, man wollte mich eliminieren.

Emmerich: Getroffen hat es schließlich den armen Dieter Seefranz.

STANDARD: Der neue Sendungsleiter Lorenz Gallmetzer sprach selbst vom "verklärten Mythos". Stricken Sie an einer Legende?

Tschebull: Zwischendurch war es stinklangweilig.

Meissner-Blau: Trotzdem gab es Leute, die zweimal die Woche wegen des "Club 2" heimgefahren sind ...

Marboe: ... und am nächsten Tag wurde davon gesprochen.

STANDARD: Was tragen die Gäste zum Gelingen bei?

Emmerich: Das könnte zum Problem werden, denn die geistigen Kapazitäten in diesem Land sind verdammt begrenzt.

Marboe: Es gibt keine Narren mehr.

Meissner-Blau: Ich weiß genau, was passieren wird: Da kommen der Rudi Burger und der Konrad Paul Liessmann. Ich seh' sie schon sitzen ...

Tschebull: ... und die drei Politologen, die wir ständig haben. Das ist eine große Gefahr, dass wir schlicht die Köpfe nicht haben.

Marboe: Es muss die Möglichkeit geben, Kapazunder einfliegen zu lassen. Wehe, es wird eine Billigsdorfersendung! Wenn ich höre, dass noch nicht einmal ein Pilot gemacht worden ist, finde ich das an der Grenze zur Fahrlässigkeit.

STANDARD: Welche Themen wünschen Sie sich?

Emmerich: Die Sache mit der Altenpflege zum Beispiel. Davon sind Menschen betroffen, die sich 70 oder 80 Jahre lang nie eines Verbrechens schuldig gemacht haben.

Meissner-Blau: Stammzellen, und es so zu formulieren, dass die Leute wissen: Aha, das geht mich an.

Emmerich: Oder Herztransplantationen – Die Frage: Wie lebe ich mit einem fremden Herzen? Das würde mich interessieren.

Meissner-Blau: Herr Emmerich, Sie sehen eine, die lebt mit einem fremden Herzen quietschvergnügt. Bei dem Thema wäre ich Gast, sehr spannend!

Emmerich: Ein großer Skandal, über den man sprechen müsste, ist der Beschluss der großen Koalition, in die Verfassung die Sozialpartnerschaft hineinzuschreiben.

Marboe: Die Verfügbarkeit des Lebens liegt mir am Herzen. Das ist heute schon nahe an der Euthanasie.

Meissner-Blau: Dann haben wir jetzt gleich eine Diskussion. Ich stehe nämlich auf dem Standpunkt, dass ich gerne den Moment meines Todes selber wählen möchte.

Marboe: Ich weiß, da setz ich mich regelmäßig ins Fettnäpfchen.

Meissner-Blau: Und zwar so sehr, dass wir gar nicht mehr antworten.

Marboe: Ich will nicht in einem Land leben, wo das Leben nicht als höchstes Gut gewürdigt wird.

Tschebull: Durch die Eingriffe in die Schöpfung sind wir alle so alt geworden. Eigentlich müssten wir, die wir hier sitzen, schon alle tot sein.

Marboe: Ich glaube wirklich, dass das eines Tages wie ein Genozid über uns als Rache kommen wird. Dass wir überdies tausende Ungeborene als Kavaliersdelikt umbringen lassen und nichts dagegen tun. Bei jedem Autokratzer wird man eingesperrt!

Emmerich: Das ist tatsächlich eine ganz problematische Frage, denn wenn eine Frau – als Mann kann man sich schwer in die Lage versetzen ...

Meissner-Blau: Eben nicht, deshalb solltet ihr gar nicht reden. Marboe: Aber der Bauch gehört nicht der Frau.

Meissner-Blau: Lieber Freund, jetzt muss ich doch einschreiten. Solange Männer sich nicht kontrollieren können und die Verantwortung ...

Marboe: Aber wir werden doch von euch hineingelegt, Schatzi! Wir sind doch die Trotteln! Meine Mutter sagte: "Kindermachen ist kein Bubenstück." Es ist doch immer das Furchtbare, dass man den Frauen nicht trauen kann. Sie sind entweder zu blöd oder zu raffiniert! Ist doch wahr!

Meissner-Blau: Die Männer überlassen die ganze Verantwortung der Frau. Aber lassen wir das jetzt. Was ich gerne von euch wissen würde: Sollte der Gastgeber ein Experte sein oder jemand, der unbeleckt ist?

Tschebull: Unbedingt unbeleckt.

Marboe: Auch die Eingeladenen müssen die Sprache des Volkes sprechen.

Tschebull: Das ist gefährlich, denn dann haben wir den Pflichthilfsarbeiter, der ein armer Hund ist, weil er unter lauter Experten untergeht.

STANDARD: Hätten Sie Lust, noch einmal einen "Club" zu moderieren?

Emmerich: Ja.

Tschebull: Es wäre eine Hetz. Aber einladen würde ich mich nicht.

Meissner-Blau: Ich würde es vom Thema abhängig machen.

Marboe: Ich nicht. Ich muss mich auf die Begegnung mit dem Obergeneral vorbereiten. (DER STANDARD/Album, Printausgabe, 7./8./9.12.2007)