Seit einiger Zeit fühle sie sich müde und abgeschlagen, Gespräche mit ihrem Mann enden oft in gereizter Stimmung oder in Streit, schildert Menschik-Bendele Szenen aus dem Leben der Krankenschwester. Immer öfter ertappe sie sich dabei, dass ihr scheinbar grundlos die Tränen herunterlaufen und sie sich nicht mehr freuen könne.
Erschöpfung
Sie sucht eine Psychotherapeutin auf, schildert ihre Situation, besonders ihren Eindruck, dass ihr alles zu viel wird. In der Psychotherapie steht ihre Person im Zentrum, ihre emotionale und psychosozial bedingte Leidensgeschichte.
Mit Unterstützung der Therapeutin kommt sie drauf, dass sie von Kindheit auf eigene Bedürfnisse zurückgestellt hat, um dafür zu sorgen, dass es den anderen gut geht. Das hat sie im Beruf und in der Familie so gewissenhaft betrieben, dass sie in einen Zustand großer Erschöpfung geriet, der die depressiven Symptome hervorrief. Sie lernt mithilfe der Psychotherapie, sich mehr abzugrenzen, Nein zu sagen, etwas für sich zu fordern, ihre Standpunkte klarer zu formulieren, und fühlt sich allmählich frischer, lebendiger und auch attraktiver. Am Ende der Psychotherapie geht es nicht mehr nur um ihr Leiden, sondern auch um ihre Ressourcen: ihre wiedergewonnenen Kräfte und die Hoffnung und Zuversicht, die sie begleiten. Es geht ihr also wieder gut."
Dann erlebt diese Krankenschwester Veränderungen in ihrem beruflichen Umfeld: Das Pflegeteam wird immer jünger und hat andere Ansichten über die Arbeitsabläufe; ein neuer Chef krempelt ehrgeizig alles um, und sie merkt, dass die Arbeit, die ihr immer Befriedigung gegeben hat, sie immer mehr frustriert.
Jetzt: Supervision
Nun wäre es an der Zeit für eine Supervision. "Hierbei steht die Profession, ihre berufliche Situation, im Zentrum", erklärt Menschik-Bendele. Sie analysiert die Situation am Arbeitsplatz, überlegt Möglichkeiten, wie sie mit dem jungen Team mehr in Kontakt kommen könne - etwa beim Kaffee oder bei Ausflügen - und macht sich Gedanken über Strategien, wie sie mit dem jungen Chef besser auskommen könne.
Die Supervision reflektiere die berufliche Praxis, nämlich problematische Szenen oder Situationen, die dort erlebt wurden oder auf die man sich vorbereite. Sie könne einzeln konsumiert werden oder auch von einem ganzen Team mit ähnlichen Erfahrungen, wie etwa Lehrern verschiedener Schulen.
Nachdem sich die Krankenschwester nach der Supervision in ihrer Station wieder gut zurechtfindet, wird ihr das Angebot gemacht, Stationsschwester zu werden. Sie soll also Führungsaufgaben übernehmen.
Jetzt: Coaching
Nun wird ihr empfohlen, ein Coaching in Anspruch zu nehmen, "also eine zeitlich begrenzte, gezielte Art der Beratung, in der sie sich auf ihre berufliche Entwicklung und Veränderung vorbereiten kann. Coaching zielt auf die Funktion im Arbeitsleben, aber auch auf die Person: Wie wird sie mit Konflikten umgehen? Wie wird sie unbequeme Entscheidungen durchsetzen? Wie ist ihre Beziehung zu den Ärzten und zum Primararzt? Fühlt sie sich in der Lage, dort die Interessen ihrer Berufsgruppe durchzusetzen?", erklärt Menschik-Bendele.
Supervisoren bräuchten nicht unbedingt eine klinische Ausbildung, sollten aber doch eine gute Kenntnis über das psychische Geschehen der Person haben, weil sie in ihrer Arbeit immer wieder an die Schnittstelle von inneren Bedürfnissen ihrer Klienten und äußeren Anforderungen am Arbeitsplatz kämen. Sie sollten sich jedoch auf ihr Feld der Reflexion der beruflichen Praxis konzentrieren und nicht unter der Hand zum Psychotherapeuten werden. Der Coach sporne an, das Beste zu geben, unterstütze bei beruflichen Veränderungen und Verbesserungen und brauche Feingefühl in der Einschätzung der Person und ihrer Grenzen und Möglichkeiten.
Positive Veränderung
Im Gegensatz zur Ausbildung eines Psychotherapeuten sei die Ausbildung zum Supervisor oder Coach nicht gesetzlich geregelt, doch gäbe es eine selbst verordnete Qualitätskontrolle, etwa durch die Österreichische Gesellschaft für Supervision. In allen drei Bereichen sei eine positive Veränderung vor allem auf die Beziehung zu dem Begleiter zurückzuführen und weniger auf die angewandte Methode.
Unterstützend helfen zu können gäbe dem Begleiter auch immer ein Gefühl von Macht, und damit sei sorgfältig umzugehen. "Denn im Schatten eines jeden Begleiters oder Helfers lauert dessen Gegenteil, der Scharlatan, der verführt, sich selber als magischer, grandioser und besser als jeder Kollege einzuschätzen", sagt die Klagenfurter Psychologin. Daher empfehle sie, mit Kolleginnen und Kollegen in eine Art Diskurs zu gehen, um die eigenen Standards und Prinzipien zu durchdenken und neue Methoden und Tools zu lernen und die eigene Ethik zu überprüfen.
Sexy und inflationär
Mit dem Satz "Coaching ist derzeit sexy" leitete die an der deutschen Universität Kassel lehrende Kommunikationspsychologin Heidi Möller ihr Referat "Coaching: Die moderne Alternative zur Psychologie?" ein und verwies damit auf den inflationären Gebrauch des Wortes und das unüberschaubare Angebot vom Persönlichkeitscoaching bis hin zum Gesundheits- und Hundecoaching. Für sie ist ein Coach ein Sozial- und Solidarpartner für Menschen mit Steuerungsfunktionen, dem man auch unangenehme Wahrheiten sagen könne. Doch sie ergänzt: "Coaching ist keine Wunderdroge. Es kann nur Unterstützung geben."
Motive
Als mögliche Motive für ein Coaching nannte sie unter anderem Burnout, Unzufriedenheit, Mobbing, Verlust des Arbeitsplatzes und kollektive Krisen (etwa anlässlich von Firmenumstrukturierungen). Themen sind etwa die Planung und Entwicklung von Organisationsstrukturen. So gäbe es zum Beispiel bei Personalrecruitern die Tendenz, sympathische Menschen aufzunehmen oder solche, die ihnen ähnlich sind, was sich oft als Fehler herausstelle.
Die Förderung von Selbstgestaltungspotenzialen (Wie kann jemand handlungsfähiger werden?), das Selbstmanagement von Führungskräften und Freiberuflern, aber auch die Humanisierung von Organisationen (Wie kann ich Mitarbeiter halten und dafür sorgen, dass sie sich wohlfühlen?) und die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion.
"Menschlich überzeugen