Nicht immer müssen Tabletten am Krankenbett liegen

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"Kalt und unangenehm" ist das Gefühl, das noch aus Kindertagen in Erinnerung an Großmutters verordnete Essigpatschen ist. Doch geholfen haben sie dann meistens doch. Zwiebel-, Topfen und Essigwickel und so manches andere alt bewährte Rezept gegen gesundheitliche Beschwerden in der kalten Jahreszeit haben nun neben Arzneimitteln wieder Saison.

"Beschwerden wie etwa einen grippalen Infekt muss man nicht gleich mit der chemischen Keule behandeln", betont Silvester Hutgrabner, praktischer Arzt und Vertreter der Landärzte der Ärztekammer für Oberösterreich.Viel Ruhe und Flüssigkeit tun neben den Hausmitteln noch zusätzlich ihre Wirkung.

Hausmittel

"Hausmittel sind Naturheilmittel in häuslicher Anwendung, also Mittel, die fast jeder daheim hat", erklärt der Mediziner. Er weist aber gleich auch darauf hin, dass es zu Hausmitteln keine evidenzbasierten Studien gibt, die die Wirksamkeit hundertprozentig belegen. "Aber es ist natürlich so, dass man bei richtiger Indikationsstellung durch den Arzt durchaus zu Wickeln und Co greifen kann." Und zusätzlich sagt die Erfahrung, dass sie durchaus wirksam sind. Vor der Anwendung von Hausmitteln ist es ratsam diese mit dem Arzt abzusprechen.

Wickel zur Fiebersenkung

Doch wie wirken die Hausmittel überhaupt? Hutgrabner erklärt die Wirkung von Essigpatschen und Wadenwickeln so: "Sie entziehen dem Körper Wärme und wirken daher fiebersenkend, aber nur solange sie kühl sind." Ist diese Kühlung nicht gegeben, wird der Körper zur Wiedererwärmung animiert – was das Gegenteil zur Folge hätte: Fieberanstieg.

Noch etwas anderes muss dabei unbedingt beachtet werden: Der Körper des Patienten, auch Hände und Füße, müssen warm sein. Nur so bleibt die Blutzirkulation des Organismus ungestört.

Topfen bei Entzündungen

Ein Topfenwickel eignet sich für akute Entzündungen oder auch im Sommer bei Sonnenbrand. "Der Topfen hat eine kühlende Wirkung, nach einigen Stunden wird er trocken und bröselig, durch die Feuchtigkeitsabgabe wird dem Entzündungsherd die Wärme entzogen", erklärt Hutgrabner die Wirkung. Auch bei Halsweh kann man sich mit äußerlichen Topfenwickeln helfen, vorher sollte der Grund für die Halsschmerzen aber unbedingt abgeklärt werden.

Zwiebel bei Bronchitis

"Die Domäne des Zwiebelwickels ist die Bronchitis", so der Mediziner. Zwiebel-Schweineschmalzwickel auf der Brust wirken gut, wenn Kinder Reizhusten haben. Das könne man aufgrund empirischer Erfahrungen nachvollziehen. Den genauen Wirkmechanismus kennt aber auch der Mediziner nicht. Generell sollte man bei Husten tagsüber mit schleimlösenden Mitteln arbeiten, um abhusten zu können – zum Beispiel mit Inhalieren. Am Abend sollte man lieber nicht Inhalieren, da dadurch ein Hustenreiz entstehen kann. Auch Tannenwipfelsirup kann bei Bronchitis und Hustenzustände schleimlösend wirken.

Mögliche Gefahren

Auch bei Hausmitteln kommt es auf die Dosierung und die richtige Anwendung an. Wenn das Fieber mit Wickeln zum Beispiel zu rapide gesenkt wird, ist die Kreislaufbelastung zu groß. "Man muss daher darauf achten, dass man nicht mehr als ein Grad in ein, zwei Stunden senkt", betont Hutgrabner. Wickel im Allgemeinen und speziell Zwiebelwickel sollten nicht direkt auf die Haut gebracht werden, ein Tuch oder eine alte Windel können als Unterlage verwendet werden. Gerade Zwiebel können nämlich zu Hautreizungen führen.

Zeigen Hausmittel keine Wirkung, sollte man wieder zum Arzt gehen, da dann mit Medikamenten weiterbehandelt werden muss. Wichtig ist es auch, eine bakterielle Infektion auszuschließen. Denn im Fall einer Angina oder einer Mittelohr- oder Lungenentzündung müsse man mit Antibiotika behandeln.

Hauptsache, es hilft

Auch wenn die Wirkung vom manchen Mittel nicht belegt ist, können sie trotzdem helfen: Heiße Milch mit Honig schmeckt gut und unterstützt das Allgemeinbefinden. "Viele schwören auf Propolis, das in Form von Tropfen zur Stärkung des Immunsystems angewendet wird", nennt Hutgrabner ein weiteres Beispiel. Die Psyche spiele bei diesen Dingen eine nicht unwesentliche Rolle. "Wenn der Effekt dadurch ausgelöst wird, ist aber auch schon viel getan", ist Hutgrabner überzeugt. (Marietta Türk, derStandard.at, 7.12.2007)