Straßburg - Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Moskau abermals wegen der verheerenden Zustände in russischen Gefängnissen verurteilt. In einem am Freitag veröffentlichten Urteil gaben die Straßburger Richter einem 26 Jahre alten Aktivisten der national-bolschewikischen Partei NBP Recht, der ein Jahr lang trotz einer schweren Nierenerkrankung in einer vollgepferchten und schmutzigen Zelle voller Ungeziefer inhaftiert war.

Jeder Häftling verfügte dort maximal über drei Quadratmeter Raum. Zudem war die Nahrung unzureichend. Diese Haftbedingungen seien als Verstoß gegen das Folterverbot zu werten, urteilten die Straßburger Richter. Moskau wurde angewiesen, dem Kläger 15.000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen.

Büro besetzt

Der Mann, der neben der russischen auch die niederländische Staatsangehörigkeit besitzt, hatte am 14. Dezember 2004 mit rund 40 Parteifreunden eineinhalb Stunden lang ein Büro im russischen Präsidialamt in Moskau besetzt. Er wurde festgenommen und eine Woche später wegen "Umsturzversuchs" angeklagt. Trotz seiner chronischen Nierenerkrankung und schwerer Schmerzen blieb der Kläger ein Jahr ohne ausreichende medizinische Versorgung in U-Haft.

Im September 2004 beantragte er Hafturlaub, um seinen todkranken Vater in den Niederlanden zu besuchen. Der Antrag wurde abgelehnt. Der Häftling durfte nur eine Minute lang - auf russisch - am Telefon mit seinem Vater sprechen, bevor dieser mit Sterbehilfe sein Leben beendete. Ein so kurzes Gespräch, habe es dem Mann nicht ermöglicht, sich von seinem Vater zu verabschieden, befand der Gerichtshof für Menschenrechte. Damit habe Russland auch gegen das Grundrecht auf Schutz der Familie verstoßen. (APA)