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Als eines der bekanntesten Stücke von Karlheinz Stockhausen gilt das "Helikopter Streichquartett".

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Karlheinz Stockhausen - großer Innovator und Zeitgenosse mit einer besonderen Beziehung zum Kosmos.

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Kürten - Als es nach 1945 darum ging, den Fortschritt in der Musik neu zu definieren, und man dabei auf den Gedanken verfiel, jene Prinzipien der Schönberg'schen Zwölftonmusik auf andere Parameter (als die Tonhöhe) auszudehnen, da war auch Karlheinz Stockhausen zugegen - indes noch nicht als jene etwas abgehobene Figur, die künstlerisch um sich selbst kreiste und sich im Besitz der Wahrheit, auch bezüglich kosmischer Dinge, wähnte.

Jener noch ausschließlich dem Planeten Erde verbundene Stockhausen musste im Krieg in einem Frontlazarett Arbeit verrichten und erfahren, dass - seine Mutter war längst gestorben - sein Vater nicht von der Front zurückkehren würde. Und nach dem Krieg schlug sich der junge Stockhausen pragmatisch mit Gelegenheitsarbeiten und als Pianist wie Operettendirigent durch. Er absolvierte gar eine Lehramtsausbildung.

Erst bei den Ferienkursen in Darmstadt - in den 50er-Jahren - kam er dann schließlich gewissermaßen erstmals zu sich selbst und wurde - auch durch die Pariser Analysekurse bei Olivier Messiaen inspiriert - schnell zusammen mit seinen Kollegen Pierre Boulez und Luigi Nono gleichsam Teil des Dreigestirns der damaligen Moderne.

Viele Innovationen

Die streng serielle Kompositionsweise, in einer ihrer Ausformungen von Stockhausen "Punktuelle Musik" genannt (bei Kreuzspiel etwa), blieb dabei nur ein Ausgangspunkt. Auch im Bereich der aleatorischen Musik, im Kosmos der elektronischen Klangerzeugung und im Genre der Raumkomposition lieferte er wesentliche Beiträge ab.

Auch die von ihm propagierte "Intuitive Musik" ist zu erwähnen, welche die Integration von Improvisation ins Werkgebilde betrieb und die Musiker durch textliche, Mantra-artige Anleitungen in einen Zustand des "Nichtdenkens" versetzen wollte - woraus unschwer der Einfluss fernöstlicher Philosophien zu erkennen war. Gesang der Jünglinge - für die elektronische Musik - und Gruppen - für den Bereich der Raumkomposition - sind in jedem Fall Klassiker des Genres geworden.

Stockhausen hat ebenso eine gewisse Beliebtheit in der Popmusik erlangt. Die Beatles baten ihn, sein Foto auf das Cover von Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band bringen zu dürfen und fühlten sich bei ihrer Soundtüftelei von Stockhausen inspiriert - auch für manche Ideen von Pink Floyd war er nicht unwesentlich.

Als die 70er-Jahre langsam vergingen, verstärkte sich allerdings Stockhausens Hinwendung zu einer über die Musik hinausragenden Privatmythologie mit dem Hang zur Welterklärung. Das entsprechende Werk - Licht - begann Stockhausen 1977 zu schreibe, und es sollte ihn länger beschäftigen ... Schließlich kommt das siebenteilige Werk auf fast 30 Stunden Aufführungsdauer und ist auch sonst eine Herausforderung an die Logistik. Wie auch an die Fantasie: Da ist die Hauptfigur Michael, da ist Eva, die "kosmische Mutter, die für die Verbesserung und Verschönerung von Lebewesen auf dem Planeten sich zeitlos eingesetzt hat und einsetzt". Und da ist auch Luzifer, "der Lichtengel, der gegen die Hierarchie des Universums rebelliert".

Es waren dies für Stockhausen allerdings mehr als nur Kunstfiguren - eher reale Wesen in einem selbstgebauten Kosmos, der durchaus Praxisfolgen hatte. Stockhausen führte etwa Verhandlungen nur an Donnerstagen, denn da war sein Meister, Erzengel Michael, hilfreich zugegen.

Faszinosum Gewalt

Was Wunder, das seine Kommentare zum Tagesgeschehen mitunter zumindest exzentrisch wirkten. Zum Anschlag auf das World Trade Center befragt, sprach Stockhausen ja vom "großen Kunstwerk Luzifers". Er bat zwar, dieses spontane Statement, zu dem ihn, so Stockhausen, Luzifer verleitet hätte, nicht zu verwenden. Der Wunsch aber wurde nicht erfüllt, die Aufregung war groß. Und es blieb der Eindruck einer bizarren Deutung von Gewalt.

Karlheinz Stockhausen ist, wie erst am Freitag bekannt wurde, vorigen Mittwoch 79-jährig nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben. (Ljubisa Tosic /DER STANDARD, Printausgabe, 10.12.2007)