Foto: Bühnen Graz/Peter Manninger
Graz - Es stimmt schon: Es tut immer ein bisschen weh, wenn bei Inszenierungen von Nestroys Stücken exzessive Striche den Text verstümmeln: Zu witzig, böse und weise sind die Worte, die Johann Nepomuk seinen Figuren zwischen zwei Verhaftungen auf die Zunge legte. So sind auch die Sager des traurigen Kapitalisten Herrn von Lips bis heute entlarvend für eine nicht arbeitende, aber Geld scheffelnde Gesellschaftsschicht.

Aber Texttreue war nicht das Ziel der jungen Regisseurin Christine Eder. Sie lieferte am Freitag im Grazer Schauspielhaus trotzdem eine ebenso gescheite wie vergnügliche Arbeit ab und erhielt dafür bei der Premiere von Der Zerrissene tosenden (Szenen-)Applaus. Es ist eine auf die Spitze getriebene Comic-Version des Zerrissenen, die konsequent von schnell und präzise agierenden Schauspielern durchgetragen wird. Der erste Teil des Abends kommt dabei großteils ohne Requisite aus: Ein dichter Schaumteppich dient Lips' "Haberern" als Unterlage für die Endlosparty.

Umkomponierte und neu getextete Austropop-Klassiker verbinden sich zu den Nestroy-Falco-Opus-Attwenger-Medleys der Musiker Philip Huemer und Daniel Steiner. In der Titelrolle beweist Max Mayer erneut, dass er sich in der Haut von Nestroys "Helden" zuhause fühlt: Seines Lebens überdrüssig, tritt der junge Herr von Lips vor den Vorhang, hinter dem weiter abgefeiert wird, und erzählt und singt in einem Wechsel zwischen Depression und Rage seine Geschichte als langhaariger Falco-Verschnitt in völliger Entspanntheit. Großartig agieren auch Sophie Hottinger als Kathi und Franz Joseph Strohmeier als Gluthammer, die im gemeinsamen Dialog in einem wortgewaltigen Schlagabtausch aufeinander treffen, dass die Funken sprühen. Dabei wird auch gleich - quasi live - auf der Bühne Text beschleunigt, wenn Hottinger ihre Schicksalschläge herunterleiernd in den Schnellvorlauf umschaltet.

Im zweiten Teil finden sich alle auf einer Skihütte (Bühne: Monika Rovan) wieder, wo Krautkopf alias Hansi Hinterseer alias Franz Solar Saisonarbeiterleiden mit jenen eines Gutsverwalters kernig verquickt. Zuletzt gewinnt Kathi den reichen Lips, und zwar, wie sie Fendrich zitierend gesteht: "Weil i ka Herz, oba a Hirn hob." (Colette M. Schmidt /DER STANDARD, Printausgabe, 10.12.2007)