
Aber Texttreue war nicht das Ziel der jungen Regisseurin Christine Eder. Sie lieferte am Freitag im Grazer Schauspielhaus trotzdem eine ebenso gescheite wie vergnügliche Arbeit ab und erhielt dafür bei der Premiere von Der Zerrissene tosenden (Szenen-)Applaus. Es ist eine auf die Spitze getriebene Comic-Version des Zerrissenen, die konsequent von schnell und präzise agierenden Schauspielern durchgetragen wird. Der erste Teil des Abends kommt dabei großteils ohne Requisite aus: Ein dichter Schaumteppich dient Lips' "Haberern" als Unterlage für die Endlosparty.
Umkomponierte und neu getextete Austropop-Klassiker verbinden sich zu den Nestroy-Falco-Opus-Attwenger-Medleys der Musiker Philip Huemer und Daniel Steiner. In der Titelrolle beweist Max Mayer erneut, dass er sich in der Haut von Nestroys "Helden" zuhause fühlt: Seines Lebens überdrüssig, tritt der junge Herr von Lips vor den Vorhang, hinter dem weiter abgefeiert wird, und erzählt und singt in einem Wechsel zwischen Depression und Rage seine Geschichte als langhaariger Falco-Verschnitt in völliger Entspanntheit. Großartig agieren auch Sophie Hottinger als Kathi und Franz Joseph Strohmeier als Gluthammer, die im gemeinsamen Dialog in einem wortgewaltigen Schlagabtausch aufeinander treffen, dass die Funken sprühen. Dabei wird auch gleich - quasi live - auf der Bühne Text beschleunigt, wenn Hottinger ihre Schicksalschläge herunterleiernd in den Schnellvorlauf umschaltet.