"Neue Zürcher Zeitung" (NZZ):

"Die europäisch-afrikanische Partnerschaftsrhetorik verleitet dazu, über die faktischen Ungleichheiten zwischen den beiden Kontinenten, aber auch und vor allem über jene innerhalb Afrikas selber hinwegzusehen. Theoretisch haben die Rohstoffproduzenten unter den afrikanischen Ländern die größten Chancen, auf dem Weg zur Ebenbürtigkeit mit Europa voranzukommen. Faktisch aber sind es oft gerade sie, die am meisten an selbst verschuldeter Instabilität leiden und am Dauertropf der Entwicklungshilfe hängen. Afrika steckt voller Ungleichheiten. Selbst wenn die Afrikanische Union (AU) heute als Sprecherin für den ganzen Kontinent auftritt, ist es noch lange keine ausgemachte Sache, dass die europäische Politik gegenüber Afrika auf eine länder- und regionalspezifische Ausrichtung verzichten kann."

"Tages-Anzeiger" (Zürich):

"Um im Rennen zu bleiben, bieten die ehemaligen Kolonialmächte Afrika nun eine neue Partnerschaft an. Sie soll auf Gleichberechtigung beruhen, auf Offenheit und Transparenz. Eine gemeinsame Strategie, Probleme, die beide Kontinente betreffen, zusammen anzupacken. Es sind schöne Worte - Taten müssen ihnen erst noch folgen. Afrika, das hat sich in Lissabon gezeigt, bekennt sich zwar zu guter Regierungsführung und Achtung der Menschenrechte, lehnt Kritik von außen aber als arrogante Einmischung ab. Und Europa verwechselt in Wirtschaftsfragen seine Eigeninteressen noch immer mit dem Wohl seiner afrikanischen Partner. Und so bleibt der pragmatische neue Geist der europäisch-afrikanischen Beziehungen, der in Lissabon beschworen wurde, vorläufig hoffnungsvolle politische Rhetorik."

"Le Figaro" (Paris):

"Hört man die Kritiker, sollte (Libyens Machthaber) Muammar al-Gaddafi lieber in seinem Zelt bleiben und keinesfalls nach Paris kommen. Im Gegensatz zu simplistischen Vorstellungen ist jedoch Frankreich nicht dabei, sich vor einem Operetten-Tyrannen zu prostituieren. Vielmehr betreibt die Regierung eine Politik, die Länder ermutigt, die den richtigen Weg eingeschlagen haben. Libyen gehört dazu. Gaddafi hat 2003 auf die Atomwaffe verzichtet und sich vom Terrorismus distanziert. Es ist an der Zeit, anzuerkennen, dass Realpolitik kein Schimpfwort ist. Wir können es uns nicht mehr leisten, nur Partner zu akzeptieren, die unsere Meinungen teilen. Libyen ist ein wichtiger Spieler auf dem Ölmarkt, steht an der Kreuzung zwischen Afrika und der arabischen Welt und spielt daher eine Schlüsselrolle für die Stabilität in einer für uns wichtigen Region. Da ist es keine Schande, unsere Interessen mit Realismus zu verteidigen."

"Libération" (Paris):

"Gaddafi ist Revolutionsführer auf Lebenszeit, die politischen Parteien in seinem Land sind verboten, und wer ihn kritisiert, riskiert die Todesstrafe. Seine Belohnung ist ein offizieller Besuch in Frankreich, dazu kommen Verträge im Wert von 400 Millionen Dollar, ein Atomkraftwerk und andere Kleinigkeiten. (Frankreichs Präsident Nicolas) Sarkozy und seine Anhänger erklären, Gaddafi habe sich geändert, außerdem hätten auch andere Länder die Beziehungen zu Libyen wieder geknüpft. Doch Großbritannien, Italien oder die USA haben die Kontakte auf größtmögliche Distanz etabliert und die Peinlichkeit vermieden, ihn mit allem Zeremoniell zu empfangen. Nichts zwingt Frankreich, Gaddafi so beflissen zu empfangen und sich so würdelos zu benehmen".

"La Repubblica" (Rom):

"Eine herzliche Uneinigkeit verbindet - oder trennt - den Präsidenten Sarkozy und die Kanzlerin Merkel. (...) Sie erinnern an Hänsel und Gretel, die beiden jungen Protagonisten der Erzählung der Gebrüder Grimm. Um sich nicht zu verlaufen, hatten sie nach jedem Schritt ein Stück Brot fallen lassen, das natürlich sofort von Vögeln und Eichhörnchen gegessen wurden. Und so blieben hinter den beiden Ärmsten, die große Angst hatten, keine Spuren zurück. Angst haben zwar sicherlich weder Nicolas Sarkozy noch Angela Merkel. (...) Dennoch bleiben trotz ehrgeiziger gemeinsamer Vorhaben, die während der häufigen und freundschaftlichen Treffen entworfen werden, nur kurzfristig Spuren. Aber anders als in dem Grimm-Märchen sind es keine Waldtiere, die die wertvollen Brotkrümel verschwinden lassen, sondern die Protagonisten selbst. Und die fleißigste ist Gretel, die die Umarmungen und das Lächeln des Protokolls vergisst und anschließend so schnell wie möglich das Gegenteil von dem tut, was der Präsident möchte."

"Corriere della Sera" (Mailand):

"Worte wir Darfur oder Simbabwe standen nicht einmal auf der anfänglichen Tagesordnung des Gipfels von Lissabon. Aber in wenigen Stunden sind die Menschenrechte zum Hauptthema eines Treffens geworden, das seit sieben Jahren erwartet wurde und wegen Kriegen, die mit Worten und Waffen geführt wurden, wegen Misstrauen und Missverständnissen immer wieder verschoben worden war. Europäische Union und Afrikanische Union, die Mächte, die kolonisiert haben, und die Völker, die kolonisiert wurden, stehen sich endlich erneut gegenüber. Und wollen entscheiden, wie das 21. Jahrhundert gestaltet werden kann."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ):

"Europa und Afrika haben am Wochenende eine grundlegend neue Partnerschaft vereinbart, zugleich aber tiefe Differenzen in Fragen des Handels und der Menschenrechte erkennen lassen. (...) Der senegalesische Präsident Wade überraschte mit der Mitteilung, dass die Afrikaner gar nicht mehr über neue Handelsabkommen mit der EU redeten, sondern diese bereits abgelehnt hätten."

"die tageszeitung" (taz) (Berlin):

"Die Botschaft, dass Afrika jetzt Alternativen hat, scheint bei der EU angekommen zu sein. Auf afrikanischen Wunsch wurde ein Passus ins Abschlussdokument gefügt, dass Europa bei der 'friedlichen Nutzung der Kernenergie' behilflich sein will. (...) Mit deutlich gestärktem Wir-Gefühl und gehobenem Selbstbewusstsein präsentierte sich die Afrikanische Union (AU) ihren europäischen Partnern. Omar Konare, Kommissionspräsident der AU, zählte in seiner Rede auf, wie von China über Indien bis zu Japan und der Türkei die Interessenten Schlange stünden, um mit Afrika Geschäfte zu machen..."

"Trouw" (Den Haag):

"Da saßen die führenden europäischen Politiker - außer denen aus Großbritannien und Tschechien - am selben Tisch wie Robert Mugabe, Diktator von Simbabwe, der durch Misswirtschaft und politische Unterdrückung aus seinem Land ein schwarzes Loch gemacht hat. (...) Auch der sudanesische Präsident Omar al-Bashir war dabei, mitverantwortlich für die Verbrechen in Darfur und jemand, der die Stationierung einer UNO-Friedenstruppe behindert. Die EU ließ den Gipfel stattfinden, weil sie fürchtet, in Afrika Einfluss zu verlieren, vor allem an China. Aber indem sie Mugabe und Bashir die Ehre zuteil werden ließ, höhlte sie ihre eigenen Prinzipien aus".

"Frankfurter Rundschau":

"Die politische Landschaft zwischen Afrika und der Europäischen Union hat sich verändert. Das wissen die Europäer. Das wissen auch die Afrikaner. Deshalb tragen sie ein neues Selbstbewusstsein zur Schau. Viele Staaten zwischen Mittelmeer und Kap der Guten Hoffnung können auf beeindruckende Wachstumsraten verweisen. Sie haben erkannt, dass ihre Rohstoffe begehrt sind - nicht nur in Europa. Deshalb erlauben sich die Afrikaner in Lissabon, den von der EU stark strapazierten Begriff Partnerschaft ernst zu nehmen. Der senegalesische Präsident Abdoulaye Wade widerspricht der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die für die EU die Menschenrechte thematisiert, beim Thema Simbabwe offen und unmissverständlich. Merkel solle sich erst einmal informieren. Das sind neue Töne. Afrika hat heute viele Partner. Die Staaten des Kontinents haben es deshalb nicht mehr nötig, auf die Hilfsbereitschaft der Europäer zu setzen. Sie müssen sich auch nicht mehr auf deren Versprechen verlassen, die oft genug gebrochen wurden. Deshalb sehen viele afrikanischen Regierungen es auch nicht ein, die ökonomischen Partnerschaftsabkommen zu akzeptieren. Sie ließen die Europäer regelrecht abblitzen."

"Süddeutsche Zeitung" (München):

"Nun sind beide Seiten direkt aneinandergeraten, es krachte und funkte, und nicht wenige afrikanische Herrscher zeigten sich beleidigt, dass die deutsche Kanzlerin im Namen der EU den Diktator aus Simbabwe angegangen war. Auf dieser Basis lässt sich keine vernünftige Politik machen. Afrika und Europa haben bereits viele Jahre verschenkt, in denen sie Gemeinsamkeiten hätten ausbauen können. Diese Jahre haben andere wie etwa China genutzt, um mit dem kalten Blick aufs Geschäft eine opportunistische Partnerschaft einzugehen. Dabei entstand der Eindruck, dass man sich mit Despoten wie Robert Mugabe durchaus arrangieren kann, und dass Krieg und Geschäft - wie etwa im Sudan - voneinander zu trennen sind. Diese politische Schizophrenie ist schwer erträglich. Die EU war gut beraten, dass sie den Gipfel wegen Mugabe nicht erneut hat platzen lassen, so wie das die Briten forderten. Sie lag aber auch richtig mit der Entscheidung, den Diktator mit Härte zu konfrontieren und den Mann zu isolieren. Die Differenzen um das Freihandelsabkommen mit den Staaten der Afrikanischen Union zeigen, dass die beiden Kontinente eine Menge an politischer Feinarbeit aufholen müssen. Es mangelt am Austausch mit - und am Verständnis füreinander."

"Hannoversche Allgemeine":

"So populär die Kritik an Menschenrechtsdefiziten auch sein mag, man darf die bloße Forderung nach Menschenrechtspolitik nicht schon für deren Verwirklichung halten. Die Taten der Europäer müssen zu ihren Worten passen, und da wird der Auftritt der Kanzlerin Merkel leider durch den sonstigen Ablauf des Lissabon-Gipfels blamiert. Während Merkel von der politischen Bühne herab schulmeisterlich über Menschenrechte dozierte, wurde in der Kulisse das Geschäftsklima mit Gestalten gepflegt, die ebenso wenig als Menschenrechtsvorkämpfer taugen wie Mugabe. Wie kann man Simbabwes Herrscher schneiden oder schelten - und zugleich die Staatschefs Libyens, Nigerias oder Tunesiens hofieren? Liegt es etwa daran, dass diese Länder als Öllieferanten unverzichtbar sind - anders als Simbabwe?" (APA/dpa/AFP)