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Richterin Daniela Setz-Hummel: freundlich fürs Foto, sauer auf die nicht anwesenden Privatbeteiligten-Anwälte.

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Amis-Prozess, Tag eins: Ernüchterung. Der erwartete Besucher- und Anwälteandrang blieb aus.

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Dietmar Böhmer (li.), Hauptangeklagter, bespricht sich mit seinem Rechtsanwalt, Ewald Scheucher, knapp bevor er sich "schuldig im Sinne der Anklage" bekennt.

Angeklagter Harald Loidl gilt als Amis-Mastermind.

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Mit drei Schuldeingeständnissen, einem Teilgeständnis und einer trotzdem missgestimmten Vorsitzenden startete das zweite große Wirtschaftsverfahren des Jahres: der Amis-Prozess. Von 260 erwarteten Privatbeteiligten kamen gerade zwei Dutzend. Heute wird der Prozess fortgesetzt.

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Wien – "Ich bin wirklich sauer", sagte Richterin Daniela Setz-Hummel in einer Verhandlungspause am Montag. "Aber die Strafprozessordnung gibt mir eben keine Handhabe." Grund der Verstimmung der Vorsitzenden des Schöffensenats am ersten Tag des Amis-Betrugsprozesses: Sie hat extra – um 100.000 Euro – einen Saal im Austria Center Vienna neben der UNO-City angemietet und für ein Gerichtsverfahren adaptieren lassen. "Im Großen Schwurgerichtssaal hätten gerade 40 der 80 angemeldeten Anwälte Platz gehabt", und sie wollte das Verfahren ohne Mängel durchführen. Insgesamt hätten sich 260 Privatbeteiligte und deren Rechtsvertreter angekündigt. Gekommen sind am Montag lediglich zwei Dutzend. "Der Steuerzahler wird sich bedanken", sagte die Richterin bei der Eröffnung des Verfahrens. Staatsanwalt Georg Krakow – er ist mit Kollegin Sonja Herbst auch Ankläger im Bawag-Strafprozess – skizzierte die Vermögensverwaltung Amis als "komplexe Betrugsmaschinerie". Angeklagt wegen Betrugs sind die Gründer Dietmar Böhmer (36) und Harald Loidl (47).

Als "Mittäter" bezeichnet werden Vorstandsmitglied Thomas Mitter (34) sowie die Fondsmanager Wolfgang Gänsdorfer (41) und Alban Kuen (31). Es gilt die Unschuldsvermutung.

Die Angeklagten hätten, so Krakow, mit dem einst größten Wertpapierdienstleister Österreichs für "Anlegen ohne Risiko" geworben und den Kunden vermittelt, ihr Geld sei bei ihnen sicher aufgehoben. "Die Angeklagten nutzten die Leichtgläubigkeit der Kunden aus, sie nutzen die Gier der Agenten nach Provisionen aus, sie nutzten das Vertrauen aus. Amis war in gewisser Weise auch eine Art Pyramidenspiel, es musste wachsen, um immer neues Kapital herauszulocken, damit einige Kunden bei der Auflösung ausbezahlt werden konnten", sagte der Staatsanwalt.

"Für Amis gelaufen"

1300 Vertriebspartner seien "für Amis gelaufen", angelockt durch exorbitant hohe Provisionen. Niemand habe dabei infrage gestellt, wie dies alles mit den Versprechen sicherer Renditen und niedriger Spesen zusammengepasst hätte.

Auch wenn die Angeklagten angegeben hatten, sie hätten das Betrugssystem schon beim Eintreten in Amis, genauer gesagt, in der Vorgängerfirma AMV vorgefunden, sei dies keine Entschuldigung dafür, dass sich die Angeklagten am Schaden ihrer Kunden bereichert hätten. Zu AMV, die auch mit Bawag-Angeklagtem Wolfgang Flöttl Geschäfte machte, laufen laut Krakow gerichtliche Vorerhebungen.

Als im März 2005 die luxemburgische Finanzmarktaufsicht die Amis-Fonds sperrte, weil sie in "seltsame Fonds" in Florida investierten, die Böhmer und Loidl gehörten, drohte alles aufzufliegen. Die Angeklagten hätten jedoch im „Sekundärmarkt“ eine Lösung finden wollen, dies sei jedoch nicht aufgegangen.

Insgesamt wurden laut Anklage 62 Mio. Euro durch strafbares Verhalten verloren, darüber hinaus seien weitere Schäden in Höhe von weiteren Dutzenden Millionen Euro durch nicht strafbares Verhalten entstanden. Es gibt mehr als 15.000 Opfer – meist kleine Sparer, die für die Enkel etwas anlegen oder auf die Tilgung eines Häuslbauerkredits sparen wollten. Böhmer, Loidl und Mitter bekannten sich „schuldig im Sinne der Anklage“. Kuen bekannte sich der Steuerhinterziehung schuldig, nicht des Betrugs. Der Prozess gegen Gänsdorfer wurde vertagt, er ist krank.

Böhmers Verteidungsstrategie, um eine mildere Strafe auszufassen, dürfte folgende sein: Er war ein junger WU-Absolvent, den die "Karrieregeilheit", wie er sagte, in die Arme seines "Idols", des "Vertriebsgenies Loidl" getrieben hatte. Loidls Anwalt argumentierte, es habe auch andere Personen gegeben, auch solche, die vielleicht noch nicht auf der Anklagebank sitzen. Gegen die Darstellung eines Pyramidenspiels spreche im Übrigen, dass die Ex-Amis-Chefs "keine Exit-Strategie" gehabt hätten. (Leo Szemeliker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.12.2007)