Bild nicht mehr verfügbar.

Mancher Vortragende späht schon nach den ungeliebten Nachbarn. Diese haben mit denselben Integrationsmechanismen zu kämpfen wie andere Einwanderer in Wien

Foto: apa/pfarrhofer

Wien – Ein Viertel der Studenten hob die Hand. Die anwesenden deutschen Publizistikstudenten waren aufgerufen worden, sich zu melden. „Dann begrüße ich auch die anwesenden NC-Flüchtlinge“, meinte der Professor, als er die Hände sah. Ob im Scherz gemeint oder nicht – für manche Studierende war es ihre erste Erfahrung an ihrer neuen Uni in Wien. „Das finde ich schrecklich“ – Soziologin Rossalina Latcheva sieht in dieser Situation klassische Grenzziehungsmechanismen. Die Vorurteile gegenüber den Deutschen, dienen manchen Österreichern sich selbst zu definieren. „Diskriminiert wurde ich noch nie, halt ein bisschen auf die Schippe genommen“, erklärt Boku-Student Michael Erdmann, der Wien sehr schätzt. Für den 21-jährigen Leipziger sind Schikanen wie das Aufzeigenlassen aber kein Scherz mehr: „Das ist schon wertend.“

Die Abneigung, die manche Österreicher gegen Deutsche verspüren, mache für den Bayern Felix Petzenhammer (22) keinen Sinn, er zerbreche sich nicht den Kopf darüber: „Bei uns zu Hause gibt es Österreicherwitze, hier gibt es Deutschenwitze, aber das ist bei uns kein solcher Krieg.“ Nur einmal wurden er und sein italienischer Mitbewohner bei einer Studentenparty mit dem Ruf „Scheißausländer“ von der Gastgeberin rausgeschmissen. Das sei schon heftig gewesen, lacht der TU-Student nun darüber. Aber Latcheva warnt: „Es finden sich ähnliche Mechanismen wie gegenüber anderen MigrantInnengruppen.“

Ohne Konsequenz

Schlechte Erfahrungen machte auch Niels Petersen* vor einem Jahr. Der WU-Student, seit 2004 in Wien, wurde in der letzten Schnellbahn vom Wiener Flughafen Richtung Wien-Landstraße angebrüllt, als „Scheißpiefke“ beschimpft, und zu guter Letzt wollte man ihn zwingen, an einer Haltestelle im Nirgendwo vor Wien auszusteigen. Das alles aber nicht von einem aggressiven Fahrgast, sondern vom ÖBB-Zugbegleiter selbst. „Es war eines der schlimmsten Erlebnisse für mich“, erzählt Petersen. Er bleibt überzeugt, dass so ein Verhalten in Deutschland nicht ohne Konsequenzen geblieben wäre. In Wien gab es nach seiner Beschwerde eine lauwarme Entschuldigung seitens der ÖBB. Mehr nicht.

Wolfgang Zimmer, Leiter der Zara-Beratungsstelle für Zeugen und Opfer von Rassismus, weiß über die deutsch-österreichischen Spannungen Bescheid. Dass solche im Rassismusreport nicht dokumentiert sind, liege daran, dass sie nicht gemeldet werden. Die meisten Deutschen würden sich auch besser für ihre Rechte einsetzen können als etwa Nicht-EU-Bürger. Trotzdem rät er, sich bei Problemen an die Beratungsstelle zu wenden. So ist entscheidend, welche Rolle den deutschen Studenten zugespielt wird. „Sie kommen nicht extra, um Österreichern die Studienplätze wegzunehmen“, rät Latcheva zu einer versachlichten Debatte, ohne mit Klischees Vorurteile zu schüren. Als Teil der EU müsse Österreich auch deren Grundprinzipien, etwa des freien Verkehrs von Personen, Gütern und Dienstleistungen, akzeptieren. Geschichtsstudentin Charlotte Fabath führt manche Probleme auf die negative Berichterstattung zurück. „Deutsche kommen ja auch, weil es ihnen hier gefällt“, rät sie, die positiven Aspekte des deutschen Zuzugs zu sehen. Für sie ist Interesse an Geschehnissen in der neuen Studienheimat ein Vorteil, denn die Österreicher würden stärker von deutschen Medien geprägt als umgekehrt.

„Unwissen fassen Einheimische dann als arrogant auf“, vermutet die Lübeckerin. Es sei eben wichtig, das Individuum zu sehen, und nicht, eine gesamte Gruppe vereinheitlicht zu beurteilen. (Georg Horvath/DER STANDARD-Printausgabe, 11. Dezember 2007)