Washington - "Wir sind nicht mehr dieselben wie noch vor 1000 oder 2000 Jahren", sagt der Anthropologe Henry Harpending. Sein Fachkollege John Hawks ergänzt: "Wir unterschieden uns genetisch deutlicher von jenen Menschen, die vor 5000 Jahren lebten, als jene Menschen sich von den Neandertalern unterschieden."

Die beiden sind Koautoren einer neuen Studie, die gerade vom Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) veröffentlicht wurde und mit einigen provokanten Erkenntnissen über die Evolution der Menschheit aufwartet. Die Forscher behaupten nämlich, dass der genetische Wandel sich in den vergangenen 40.000 Jahren beschleunigt habe und sich die verschiedenen menschlichen Populationen immer stärker auseinanderentwickeln würden.

Gemeinsam mit drei weiteren Kollegen untersuchten die US-Anthropologen Daten aus dem internationalen HapMap Projekt, das genetische Unterschiede von menschlichen Populationen rund um den Globus anhand der so genannten Single Nucleotide Polymorphisms (SNPs, ausgesprochen: Snips) katalogisiert.

Das sind kleinste Veränderungen in der Erbsubstanz, nämlich Variationen von einzelnen Basenpaaren in einem DNA-Strang darstellen.

Wenn solche Mutationen günstig sind, werden sie entsprechend weitervererbt, was sich wiederum in bestimmten SNP-Mustern niederschlägt. Wenn nun ein und dasselbe Chromosom vieler verschiedener Menschen ein Segment mit einem identischen SNP-Muster hat, lässt sich daraus schließen, dass die entsprechende Mutation erst vor kurzem stattgefunden hat.

Gene im raschen Fluss

Aufgrund dieser Berechnungsmethode kamen die Forscher bei der Untersuchung der SNPs von 270 Menschen aus vier Populationen - von Han-Chinesen, Japanern, Angehörigen der afrikanischen Yoruba sowie Nordeuropäern - auf erstaunliche Zahlen und Schlussfolgerungen. So würden sich sieben Prozent der menschlichen Gene in rascher Evolution befinden. Und insbesondere seit der Eiszeit vor 10.000 Jahren habe sich die menschliche Evolution beschleunigt.

Auch um die Ursachen des beschleunigten genetischen Wandels sind die Anthropologen nicht verlegen: Verantwortlich sei die rasche Bevölkerungszunahme in Verbindung mit einem tiefgreifenden Wandel der Lebensbedingungen. So habe zum Beispiel die menschliche Migration in den Norden Eurasiens eine geringere Hautpigmentierung befördert, da so mehr Sonnenlicht in Vitamin D umgewandelt werden kann. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11. 12. 2007)