Die streitbare Diplomatin Julie Finley: "Wie viele hier im Raum haben ein Problem mit Verteidigern von Menschenrechten?"

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Wien - Irgendwann platzt auch Julie Finley der Kragen. "Wie viele hier im Raum haben ein Problem mit Verteidigern von Menschenrechten?", fragt die US-Botschafterin bei der OSZE in die Runde der Kollegen. Niemand zeigt auf. "Interessant!", stellt die streitbare Diplomatin fest. Russland und andere Staaten der GUS, dem Verbund früherer Sowjetrepubliken, haben am Montag die Vorstellung des ersten Berichts über die Lage von Bürgerrechtlern in den 56 Staaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ignoriert.

Das schmale Buch, präsentiert vom Direktor des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (Odihr), des Österreichers Christian Strohal, listet neueste "Trends" und "Muster" im Umgang mit Bürgerrechtlern auf, was besonders für Russland, Weißrussland und die zentralasiatischen Staaten ungünstig ausfällt. Tätliche Angriffe, Einschränkungen der Versammlungs- und Bewegungsfreiheit von Bürgern, die für Menschenrechte eintreten, sind häufig.

Einschüchterung, "hate crimes"

Aufgeführt werden aber auch Fälle aus dem prowestlichen Georgien - Einschüchterungen von NGO-Mitarbeitern durch Behördenvertreter etwa - oder "hate crimes" in Großbritannien und Deutschland.

Der Schutz der Menschenrechte in den OSZE-Ländern verbessere sich nicht, sagte Strohal - "um es diplomatisch auszudrücken". Strohals Büro steht dabei selbst unter massivem Druck der russischen Regierung, die Odihr die Legitimation für eine von Weisungen der Mitgliedsstaaten unabhängige Arbeit abspricht.

Die politische Brisanz des Berichtes ergibt sich aus dem Umstand, dass Russland und andere GUS-Staaten seit den 1990er-Jahren im Rahmen der OSZE eine Reihe von Verpflichtungen zum Schutz von Menschenrechten unterschrieben hatten. Odihr setzt diese Staaten damit unter Erklärungszwang. Jährlich soll nun auch überprüft werden, in wie weit die Regierungen Empfehlungen zum besseren Schutz der Menschenrechte gefolgt sind.

Reisebann wirkt

An der Präsentation des Odihr-Berichts in der Wiener Hofburg nahm auch der weißrussische Bürgerrechtler und Vizepräsident der Internationalen Föderation der Menschenrechte (FIDH), Aliaksandr Bialiatski, teil. Die Finanzsanktionen der USA gegen den Staatskonzern Belneftekhim spielten der Propaganda des Regimes in die Hände, meinte Bialiatski zum Standard. Der Reisebann der EU gegen weißrussische Offizielle träfe dagegen direkt deren persönliche Interessen. (mab, DER STANDARD, Printausgabe 11.12.2007)