Sing- statt Kinoabende: Dank Privatstiftung soll die Erhaltung des Konzertsaals der Sängerknaben für die nächsten 69 Jahre gesichert sein.

Foto: archipel Architekten
Grafik: Der Standard
Hans Hurch wünscht sich am Eingang zum neuen Konzertsaal der Wiener Sängerknaben eine große Plakette. "Mit den Namen Häupl, Schicker und Schmied drauf. Damit die Wiener niemals vergessen, wem sie diesen wunderschönen Bau zu verdanken haben", sagt der Viennale-Chef, der gemeinsam mit Ernst Kieninger, Leiter des im Augarten angesiedelten Filmarchivs Austria, bis vor kurzem davon träumte, im "Augartenspitz", der letzten bebaubaren Fläche im denkmalgeschützten Bundesgarten in Wien-Leopoldstadt, ein Kino bauen zu dürfen.

Nun ist der Traum geplatzt: Nach monatelanger "Nachdenkpause" gab der zuständige Minister Martin Bartenstein (ÖVP) am Montag überraschend bekannt, dass das Konkurrenzprojekt gebaut werden soll: Für die singenden Buben im Matrosenanzug, die seit jeher im Augarten zur Schule gehen, soll auf den Flecken Grün ein neuer Konzertsaal gebaut werden. "Ich bin schockiert, mit welcher Kaltschnäuzigkeit hier an den Interessen aller vorbei Politik gemacht wird", sagt Hurch.

Wirtschaftliche Gründe

Laut Wolfgang Beer, als Burghauptmann für sämtliche Bundesgärten zuständig, fiel die Entscheidung für die Sängerknaben aus "wirtschaftlichen Gründen". Die Finanzierung für die Errichtung des Kinos sei zwar gesichert - die Miterben des Leuchtenunternehmens Zumtobel, Ingrid und Christian Reder, erklärten sich bereit, sechs Millionen Euro in das Projekt zu investieren, "wo das Geld für die Gebäudeerhaltung herkommen soll, war allerdings nicht klar", sagt der Burghauptmann.

Dank der Stiftung des Immobilien-Millionärs Peter Pühringer soll den Sängerknaben das Geld noch länger nicht ausgehen: "Es reicht für die nächsten 69 Jahre", sagt Beer . Ob der Konzertsaal tatsächlich gebaut wird, ist trotzdem noch nicht fix: Die Zustimmung der Stadt Wien steht noch aus. Allerdings ließ Bürgermeister Michael Häupl (SP) bereits anklingen, dass nach seinem Dafürhalten der Platz den Sängerknaben gehöre.

Hoffnung nicht aufgeben

Eva Hottenroth und ihre Mitstreiter der Bürgerinitiative "Freunde des Augartens", geben die Hoffnung, dass in ihrem Lieblingsnaherholungsgebiet im 2. Bezirk alles so bleibt, wie es ist, trotzdem nicht auf. Und der seit mittlerweile sechs Jahren bestehende Verein hat schon einmal ein Bauprojekt verhindert, das als fix galt: Für den Sportplatz des jüdischen Vereins Hakoah wurde nach monatelangen Anrainerprotesten ein Ausweichgrundstück im grünen Prater gefunden. "Wir werden unsere Gangart verschärfen", sagt Anrainerin Hottenroth. "Gut möglich, dass ein zweiter Bacherpark draus wird." Es gebe nämlich jede Menge Leute, die bereit seien, das Grundstück nach Vorbild jener Anrainer zu besetzen, die wochenlang im Bacherpark im 5. Bezirk campierten, um den Bau einer Volksgarage zu verhindern. An sich sei der Großteil der "Freunde des Augartens" gegen jegliche weitere Verbauung des Augartens. "Viele sagen aber: wenn schon gebaut werden muss, dann ist uns das Kino lieber."

Auch Claudia Schmied (SPÖ) hätte sich ein Kino gewünscht:Die Kulturministerin betont, dass für sie die "kulturpolitische Priorität eher beim Filmprojekt" liege. Sehr zum Ärger von Hurch: "Diese Krokodilstränen kann sich die Ministerin jetzt sparen, sie war nicht bereit, für das Projekt einzutreten."

Baubeginn im Frühjahr

Der Baubeginn für den neuen Konzertsaal der Wiener Sängerknaben soll bereits im Frühjahr erfolgen. Das hat der Direktor der Wiener Sängerknaben, Eugen Jesser, im Gespräch mit der APA berichtet: "Wir werden die Pläne jetzt einreichen und könnten eventuell schon im März beginnen." Mit den Kritikern will Jesser weiter Gespräche führen.

Der Sängerknaben-Direktor zeigte sich von der massiven Kritik an der heutigen Entscheidung sichtlich betroffen, betonte aber: "Freuen tun wir uns natürlich, das wird uns hoffentlich niemand übelnehmen." Nun werde an die Umsetzung des Projektes gegangen. "Und ich möchte den Anrainern auch noch einmal erklären, dass ihre Befürchtungen grundlos sind."

So gebe es etwa ein Verkehrskonzept. Dass es zu einer hohen Verkehrsbelastung durch Besucher des Konzertsaales kommen werde, sei nicht zu erwarten. Jesser kündigte auch an, dass es einen Durchgang von der Straße zum Park geben soll. (Martina Stemmer/DER STANDARD – Printausgabe, 11.12.2007, APA)