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Das Ratespiel um die Nachfolge des russischen Präsidenten Wladimir Putin ist beendet. Putin wird sein eigener Nachfolger – im Amt des Regierungschefs. Unter ihm wird Dmitri Medwedew nach seinem so gut wie sicheren Wahlsieg die Rolle des Präsidenten spielen.

Foto: AP/Kolesnikowa
Moskau/Wien – Das Drehbuch ist, als eine von mehreren Varianten, seit langem ebenso bekannt wie sein Autor, der zugleich den Regisseur und den Hauptdarsteller gibt. Einen Tag nachdem Wladimir Putin Vizepremier Dmitri Medwedew als seinen Favoriten für die Nachfolge im russischen Präsidentenamt präsentiert hatte, schlug dieser Putin als künftigen Regierungschef vor. Damit steht fest, dass Putin auch nach seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt im kommenden Frühjahr de facto Staatschef bleibt.

Der Fernsehauftritt Medwedews am Dienstag, bei dem er Putin für das Amt des Ministerpräsidenten empfahl, war gleichzeitig Auftakt der Kreml-Kampagne für die Präsidentschaftswahlen am 2. März. Der 42-jährige Vizepremier kündigte weitere Einkommenserhöhungen und umfangreiche, aber nicht näher erläuterte Sozialprogramme an. Er wolle den in acht Jahren (der Amtszeit Putins) erreichten wirtschaftlichen Erfolg bei den Menschen ankommen lassen.

Damit reagierte Medwedew offenbar auf den wachsenden Unmut in der Bevölkerung über die kräftig steigende Inflation. Diese führen Ökonomen nicht nur auf die sprudelnden Öl- und Gaseinnahmen, sondern auch auf verstärkten Kapitalzufluss nach Russland zurück. Seine eigene Nominierung als Präsidentschaftskandidat soll laut Medwedew die Kontinuität der Politik Putins sicherstellen.

Die Moskauer Zeitung Kommersant brachte es bereits am Montag auf den Punkt, als sie Medwedews Nominierung als „Show“ bezeichnete, bei der jeder „seine Rolle gut gespielt“ habe. Im Rückblick wird die ausgeklügelte Regie bei der Vorbereitung der Bevölkerung auf Putins künftige Funktion erkennbar. Vor drei Monaten ernannte der Kreml-Chef den anerkannten Finanzexperten Viktor Subkow zum neuen Ministerpräsidenten.

Subkow, den Putin aus seiner Zeit in St. Petersburg kennt (wie Medwedew), erwarb sich zuletzt als Chef der Antigeldwäsche-Behörde Respekt. Indem er einen Vertrauensmann als Premier einsetzte, wertete Putin das Amt auf.

Als nächsten Schritt über nahm Putin die Spitzenkandidatur der Kreml-Partei „Einiges Russland“ bei den Parlamentswahlen und brachte sich damit als möglichen Regierungschef ins Spiel. Nach dem von massiven Manipulationsvorwürfen begleiteten Wahlerfolg der Partei erklärte Putin, er nehme das Duma-Mandat nicht an. Wenige Tage später erklärte er seine Unterstützung für Medwedews Präsidentschaftskandidatur.

Russische Zeitungen und Analytiker schätzen Medwedews Machtposition nach seiner Wahl zum Präsidenten (die so gut wie feststeht) deutlich beschränkt ein. Jedenfalls muss Medwedew, der selbst nicht aus dem Geheimdienst- und Militärapparat kommt, sich mit diesem arrangieren.

Ein hochrangiger Beamter wurde von der Zeitung Wremia Nowostei mit der launigen Formulierung zitiert, Putins künftige Aufgabe sei die eines „exklusiven Beraters des kommenden Präsidenten für eine unbegrenzte Zahl von Fragen“. Die Frage, ob und wie lange Medwedew sich von Putin steuern lässt, wenn er erst einmal gewählt ist, bleibt dennoch offen. Ziemlich sicher aber werden die Machtverhältnisse zunehmend unübersichtlicher und die Fraktionskämpfe schärfer. (Josef Kirchengast/DER STANDARD, Printausgabe, 12.12.2007)