Zur Person

Klaus Connert ist Allgemeinmediziner in Köstendorf und seit 1981 Sprengelarzt.

Seit 1992 ist er als Universitätslektor für Komplementärmedizin und Homöopathie an der Universität Innsbruck tätig.

Der Österreichischen Ärztekammer steht er seit 1995 als Referent für Komplementärmedizin zu Verfügung.

Foto: Connert
derStandard.at: 18 Prozent der Österreicher haben sich in der Saison 2006/2007 gegen Grippe impfen lassen. Ist das genug?

Connert: Ja. Denn prinzipiell muss man sagen, dass die Impfung nur im Falle einer schweren epidemischern echten Influenza überhaupt helfen kann. 95 Prozent der Erkrankungen sind grippale Infekte durch verschiedenste Viren. Da schützt die Grippeimpfung nicht. Daher ist die Sinnhaftigkeit nur bei einer echten Grippe-Epidemie vorhanden. Das ist der Grund warum ich nur sehr bedingt etwas von der Grippeimpfung halte.

derStandard.at: Immer wieder wird eine hohe Durchimpfungsrate in der Bevölkerung propagiert. Kann eine Herdenimmunität durch eine bestimmte Durchimpfungsrate tatsächlich erreicht werden?

Connert: Bei der Grippe nein. Bei Masern oder Keuchhusten ist das anders. Da haben sie immer dasselbe Virus und die Erfahrung zeigt, dass es durch die Impfung kaum zu schweren Erkrankungen oder Komplikationen kommt. Da macht die Durchimpfung wirklich Sinn. Aber das Grippevirus ist anders: Es ändert sich ständig und der Impfschutz kann deshalb auch nur für ein Jahr bestehen. Bei anderen Impfungen hält dieser vergleichsweise bis zu 10 Jahre an.

derStandard.at: Kann ein Grippeimpfstoff überhaupt wirksam sein, wenn sich das Virus ständig verändert bis es in Europa ankommt und jede Saison neue Viren auftreten? Der Impfstoff muss doch bereits früher produziert werden?

Connert: Es gibt gewisse konstante Merkmale und es scheint so zu sein, dass irgendeine Art von Immunität entsteht. Aber nicht so wie bei einer klassischen Impfung, weil die Grippenviren des letzten Jahres für den Impfstoff des nächsten verwendet werden.

Was mich persönlich stört ist, dass die Impfung jährlich neu gemacht werden muss und das Risiko für Impfstörungen jedes Jahr erneut dazu kommt.

derStandard.at: Wie hoch stehen die Chancen, trotz Grippeimpfung an Influenza zu erkranken?

Connert: Ich bin kein Epidemiologe und auch kein Virologe. Ich glaube aber, dass es dazu keine Daten gibt. Weil es schwer ist die Unterschiede festzustellen. Man müsste den Patienten Blut abnehmen oder Rachenabstriche machen, um zwischen echter Influenza und grippalen Infekten unterscheiden zu können.

derStandard.at: Impfkritiker bemängeln, dass eine Impfung nicht eindeutig vor einer Grippe schützt, sondern im Gegenteil, viele Menschen erst recht krank werden. Was ist Ihre Meinung dazu?

Connert: Das ist die schlichte Aussage der Impfgegner. Aber prinzipiell birgt jede Impfung ein Risiko in sich, da im Impfstoff auch Nährbodenreste oder Konservierungsstoffe enthalten sind. Diese Reste haben ein beachtliches allergenes Potenzial. Das heißt: Sie können mit jeder Impfung eine allergische Reaktion und eine Autoimmunreaktion auslösen. Bei entsprechender genetischer Disposition kann somit theoretisch jede Autoimmunerkrankung durch eine Impfung ausgelöst werden.

derStandard.at: Der bekannt kritische Immunologe Tom Jefferson hat in einem Artikel im "British Medical Journal" letzten Jahres Studien über die Wirksamkeit von Grippeimpfungen näher unter die Lupe genommen. Jefferson kam zum Schluss, dass kaum eine Studie fachlich ernst zu nehmen ist. Seiner Meinung nach wäre damit unklar, wofür die Grippeimpfung überhaupt gut sei.

Connert: Ich kenne die Studien nicht. Aber wenn ein namhafter Mann das sagt, wird er schon Recht haben. Studien sind prinzipiell zu hinterfragen, da sie versuchen mit der Methode "Trial and Error" zu Ergebnissen zu kommen und meist von den Firmen bezahlt werden, die damit etwas beweisen wollen. Dazu wird der Mensch entindividualisiert und die Erkenntnis auf die mathematische Ebene verlagert.

Das heißt: Man kann mit den Zahlen jonglieren. Deshalb bin ich Studien gegenüber äußerst vorsichtig. Ich lehne sie nicht ab, aber daraus die einzige Wahrheit zu erkennen … damit tue ich mir schwer.

derStandard.at: Sind die möglichen Gefahren der Grippeimpfung genügend erforscht?

Connert: Ganz klar: Nein, da es diese Gefahren ja offiziell gar nicht gibt. Für den normalen Schulmediziner ist eine Impfung ausschließlich eine sinnvolle Vorsorgemaßnahme, mit minimalem Risiko, wie ein bißchen Fieber, eine Rötung oder einer Schwellung.

Dass eine Grippeimpfung aber eine chronische Erkrankung auslösen - und ich meine auslösen, nicht verursachen - kann, das ist im üblichen medizinischen Denken praktisch nicht vorhanden. Komplementärmediziner sehen das differenzierter.

derStandard.at: Welche Nebenwirkungen können auftreten und sind nach wie vor krebserregende Stoffe, wie Formaldehyd zu Haltbarkeitszwecken im Impfstoff enthalten?

Connert: Also von dem "Patzerl" Formaldehyd bekommt keiner ein Karzinom. Das ist ein Argument, das völlig daneben ist. Da holt man sich in der Argumentation nur kalte Füße.

Aber prinzipiell geht es darum, dass die Nährbodenreste eine Reaktion auslösen können. Das ist der anerkannte Hintergrund. Und es gibt tatsächlich Einzelfälle, auch bei mir in der Praxis, die noch lange nach der Grippeimpfung über Müdigkeit, Erschöpfung oder Gliederschmerzen klagen, bei denen also die Impfung eine prolongierte Reaktion ausgelöst hat. Auch schwerere Fälle von Impffolgen sind mir bekannt.

derStandard.at: Angenommen, jemand hat sich gegen die saisonal kursierenden Viren impfen lassen – kann er das Virus trotzdem weitergeben?

Connert: Da bin ich überfragt. Meines Wissens nach würde ich aber sagen: Ja, das wird möglich sein

derStandard.at: Wer sollte auf keinen Fall geimpft werden?

Connert: Ich impfe nur Menschen, die unbedingt geimpft werden wollen. Behauptet wird, dass es Sinn macht, wenn in Altersheimen durchgeimpft wird. Da sind die Ansichten sehr verschieden. Es gibt Kollegen, die machen das eisern.

Bei multimorbiden Menschen, mit Herzerkrankungen oder mit schweren Lungenerkrankungen, für die eine Grippeerkrankung eine wirkliche Katastrophe darstellt, kann man die Impfung empfehlen.

derStandard.at: Besonders empfohlen wird die Impfung für Menschen über 60 und chronisch Kranke. Ist die Impfung auch für jüngere, gesunde Menschen oder Kinder empfehlenswert?

Connert: Aus meiner Sicht: Nein.

derStandard.at: In der wichtigsten Risikogruppe über 65 Jahren, liegt die Wirkung laut Angaben des amerikanischen Centers for Disease Control nur zwischen 30 und 40 Prozent. Wie kann man das erklären?

Connert: Vermutlich dadurch, dass diese Menschen immunologisch nicht mehr so fit sind und dadurch auch nicht mehr auf die Impfung so stark reagieren. Man muss ja auch sagen, dass Hepatitis oder Tetanus Impfungen deshalb dreimal gemacht werden, damit die Ansprechrate höher ist und dann frischt man später wieder auf.

Bei der Grippe kann man aber nur einmal impfen. Deshalb wird der Impfstoff für Menschen ab 60 auch höher überdosiert, um eine Immunantwort zu provozieren. Aber man kann eben nicht dreimal jährlich gegen Grippe impfen, obwohl es vermutlich nötig wäre, um eine sinnvolle Ansprechrate zu erreichen. Außerdem stammt der Impfstoff ja immer aus den Grippestämmen des vergangenen Jahres.

derStandard.at: Glaubt man Statistiken, versterben in Österreich jährlich zwischen 1.000 und 6.000 Menschen an den Folgen der Grippe. Wie genau wird diese Zahl berechnet und warum diese ungenauen Angaben?

Connert: Diese Zahlen können nicht stimmen. Ich bin jetzt seit über 25 Jahren Landarzt und Arzt im öffentlichen Sanitätsdienst und stelle Totenscheine aus. In den Wintermonaten sterben mehr alte Leute. Das ist bekannt.

Vor allem sterben mehrfach kranke Menschen, deren Lebensdauer sowieso sehr begrenzt ist. Diese bekommen zum Beispiel leicht eine Lungenentzündung, die man zwar behandeln kann, aber irgendwann reicht die Energie nicht mehr. Sie sterben an Organschwächen oder an einer Lungenentzündung oder einer Nierenentzündung. Und nicht alle Pneumonien, die im Winter auftreten, sind eine Folge einer Grippe. Das stimmt einfach nicht. Auf keinen Totenschein steht: Tod durch Influenza.

derStandard.at: An den Impfstoffen verdient die Pharmaindustrie viel Geld. Ist die jährliche Warnung vor einer Grippepandemie Panikmache oder sinnvoller Hinweis auf eine tatsächliche Gefahr?

Connert: Statistisch gesehen treten rund alle 100 Jahre sogenannte Pandemien, also europaweite oder weltweite Epidemien auf. Ich glaube, dass da die Impfung keine Vorsorge ist. Das ist allerdings meine persönliche Meinung. Für mich sind die Zusammenhänge solcher Erkrankungen so vielfältig, dass ich nicht glaube, dass man mit dieser Impfung eine Pandemie verhindern kann. (Andrea Niemann)