Das EU-Parlament hat am Dienstag in Straßburg mit überwältigender Mehrheit eine Novelle der EU-Vorschriften für Luft beschlossen: Damit werden die Bestimmungen zwar kurzfristig entschärft, längerfristig gelten jedoch auch für besonders gefährliche Kleinstpartikel ab 2015 Grenzwerte. Nachdem bereits vergangene Woche ein Kompromiss mit den Regierungen der 27 Mitgliedstaaten für diese zweite Lesung ausgehandelt worden ist, gilt die neue Richtlinie damit quasi als beschlossen und soll 2008 in Kraft treten.

Insbesondere Städte mit besonders schwieriger Ausgangslage können nun Übergangsfristen bis Ende 2011 in Anspruch nehmen, um die eigentlich seit 2005 geltenden Feinstaub-Grenzwerte einzuhalten. Auch in Österreich haben in den vergangenen Jahren viele Kommunen die vorgeschriebenen Grenzwerte - die Schwelle von 50 Mikrogramm darf an nicht mehr als 35 Tagen überschritten werden bzw. 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresschnitt - nicht eingehalten.

Verpflichtende Obergrenzen

Ab 2015 soll es nun allerdings auch für Kleinstpartikel mit 2,5 Mikrometer (PM 2,5) verpflichtende Obergrenzen geben, die 2020 auch noch verschärft werden. Bisher waren von den EU-Gesetzen nur Staubpartikel mit einem Durchmesser von zehn Mikrometern (PM10) erfasst.

Die SPÖ-Europaabgeordnete Karin Scheele betonte, sie hätte zwar eine raschere Einführung der Grenzwerte vorgezogen, mehr sei jedoch in den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten nicht möglich gewesen. Entscheidend sei, dass es endlich Grenzwerte für die besonders gefährlichen Partikel geben werde, die zu den Hauptverursachern von Atemwegserkrankungen wie Asthma oder Bronchitis zählen. Außerdem verpflichte der Kompromiss die EU-Kommission, im kommenden Jahr auch die Verursacher - darunter die Industrie, aber auch Heizungen in Privathäusern - in die Pflicht zu nehmen.

Der ÖVP-EU-Parlamentarier Richard Seeber verwies auf die besondere Bedeutung, die Luft-Grenzwerte für Tirol haben, nicht zuletzt weil sie die Rechtsbasis für die Schwerverkehrsbeschränkungen auf der Inntalautobahn bilden. Allein in Österreich werde die Zahl der vorzeitigen Todesfälle in Folge von Umweltbelastungen durch Verkehr von Umweltorganisationen auf 2.400 geschätzt. Laut Tiroler Ärztekammer ist die Zahl der Kinder mit einschlägigen Atemwegerkrankungen im Inntal von 5,9 Prozent 2003 auf 11,5 Prozent 2006 gestiegen.

Kein "Freibrief zum Nichtstun"

Die Grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer warnte davor, die Fristverlängerung für viele Städte als "Freibrief zum Nichtstun" zu verstehen. Außerdem müsse die EU-Kommission die Einhaltung der Grenzwerte streng überwachen und die Nicht-Umsetzung sanktionieren.

Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) befürchtet indes, das durch die ambitionierten Vorgaben für Kleinstpartikel eine "neue Belastungswelle" auf die europäische Wirtschaft zukommen könnte.

In der EU insgesamt sterben jährlich etwa 350.000 Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung durch Feinstaub. (APA)