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Enge Verbindung zur organisierten Kriminalität: Ein Plakat von Ramush Haradinaj.

Foto: Getty Images/ Di Lauro
Einen Job bei der Grenzkontrolle bekommt man für 15.000 Euro. Das Geld wird direkt beim Chef abgeliefert, erzählt der kosovarische Taxifahrer. Sein deutscher Freund von der Kfor konnte das fast nicht glauben. Aus der Kriminalität, „gekoppelt mit dem hohen Korruptionsaufkommen, das sich ebenfalls über den gesamten Polizei- und Justizbereich erstreckt, ergibt sich (…) eine veritable Bedrohung für die Sicherheit und Stabilität im Kosovo“, heißt es in einem Bericht des Berliner Instituts für Europäische Politik (IEP) vom Jänner 2007. „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ steht über der Seite.

Im Kosovo braucht man schon für die kleinen Dinge Freunde. Einen in der Elektrizitätsgesellschaft, einen in der Lokalverwaltung, am besten einen Politiker. Die Schmiergeldzahlungen und Bestechungen hätten sich in den vergangenen zwei bis drei Jahren noch deutlich verschärft, besagt ein Bericht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vom Oktober 2006. Richter und Staatsanwälte würden systematisch eingeschüchtert, was „den Aufbau eines unabhängigen Justizapparates“ behindere und „vor allem auf Lokalebene den mehrheitlich Clan-dominierten Machtstrukturen sowie dem archaischen Kanun-Recht in die Hände“ spiele.

Ernüchterung

Wenn die EU im Frühjahr die Mission im Kosovo übernimmt, steht sie also vor einer echten Herausforderung. Denn anders als etwa in Rumänien und Bulgarien trägt sie im Kosovo echte Verantwortung. Vor zu großen Erwartungen wird gewarnt. Am Anfang der Unabhängigkeit des Kosovo steht eher Ernüchterung als Euphorie. Auch darüber, was unter den Augen der UN geschehen konnte.

Avni Zogiani zum Beispiel hat Angst. Der Chef der Antikorruptions-NGO Cohu geht am Abend in Prishtina nicht mehr auf die Straße. Cohu hat eine Liste von „unsauberen“ Politikern publiziert. Seither kann es vorkommen, dass sich jemand im Café an den Nachbartisch setzt und ihn wild beschimpft. Am 28. November war er mit Freunden unterwegs, als sich ein Mann vor ihm an der Theke aufbaute. „Er ist mir sehr nah gekommen“, erzählt er. So nahe, dass der ehemalige Journalist das am Revers angesteckte rote „R“ erkennen konnte. „R“ steht im Kosovo für „Ramush“ und das steht für den beinahe allmächtigen Ex-Premier Haradinaj, der zurzeit in Den Haag wegen Kriegsverbrechen angeklagt ist. Als er einen Polizisten um Hilfe gebeten habe, habe dieser geantwortet: „Ich wähle immer Haradinaj.“

Kriminalität

Ramushs Partei, die AAK habe bewaffnete Leute, Geld, politische Macht und Brutalität, sagt Zogiani. 2005 hielt auch der deutsche Bundesnachrichtendienst BND fest: Über die Key-Player wie etwa Haradinaj „bestehen engste Verflechtungen zwischen Politik, Wirtschaft und international operierenden OK-Strukturen (organisierte Kriminalität, Anm.) im Kosovo. Die dahinter stehenden kriminellen Netzwerke fördern die politische Instabilität. Sie haben kein Interesse am Aufbau einer funktionierenden staatlichen Ordnung, durch die ihre florierenden Geschäfte beeinträchtig werden können“. Angstmache ist das beste Mittel für soziale Kontrolle.

Auf der Cohu-Liste sind beinahe alle Parteien vertreten. Prominent etwa die LDK von Präsident Fatmir Sejdiu, ihr wird Misswirtschaft mit öffentlichen Geldern vorgeworfen. An zweiter Stelle steht die AAK. Neben Haradinaj selbst steht auch Ethem Ceku im Mittelpunkt der Kritik. Als Energieminister sitzt er nicht nur im Vorstand des Elektrizitätswerks, sondern ist auch im Komitee für den Bau des neuen Kraftwerks Kosovo-C. In den letzten Jahren sei es zu „beträchtlichen Korruptionsfällen innerhalb der UN-Administration“ gekommen, was dem Feindbild einer „Kolonialverwaltung“ Vorschub leistete, heißt es in dem IEP-Bericht. Die UNO sei zum Bestandteil des lokalen Problemtableaus geworden.

Zogiani spricht von einem „schlimmen Erbe“. Und gibt der EU einen guten Tipp: „Kommt den Kriminellen einfach nicht zu nahe.“ Er hat aber auch eine Erfolgsmeldung: „28 Parlamentarier, die wir auf die Liste gesetzt haben, sind nicht mehr im Parlament vertreten.“ (Adelheid Wölfl/DER STANDARD, Printausgabe, 12.12.2007)