Einst prangte Erwin Schrödinger auf der Vorderseite des Tausenders. Nun hat die Uni Wien (Rückseite) eine Klage gegen seine Tochter eingebracht. Es geht - auch - ums Geld.

Illustration: DER STANDARD/ÖNB
Seine letzte Ruhe hat Erwin Schrödinger am Dorffriedhof von Alpbach in den Tiroler Bergen gefunden. Am schmiedeeisernen Kreuz über dem Grab prangt über seinem Namen und Lebensdaten (1887 bis 1961) die nach ihm benannte Gleichung.

Das griechische Zeichen Psi, das in der Formel die genannte Wellenfunktion benennt, schaffte es sogar auf den alten blauen 1000-Schilling-Schein, mit dem es Schrödinger - neben seinem Gedankenexperiment mit der Katze - wohl zur größten Öffentlichkeitswirksamkeit brachte.

Die im Jahr 1926 formulierte Schrödingergleichung, die bis heute die Basis zur Berechnung des Verhaltens von Atomen wie auch freier Teilchen darstellt, trug ihm 1933 den Nobelpreis für Physik ein. Und sie findet sich auch auf Schrödingers Büste eingemeißelt, die im Arkadenhof der Universität Wien steht, wo Schrödinger studierte und wo ihm - nach Jahrzehnten im Ausland - 1956 eine Professur eingerichtet wurde.

Wien versus Alpbach

An der Universität Wien und in Alpbach befinden sich die wichtigsten Teile von Erwin Schrödingers Nachlass. Alpbach ist nämlich auch der Wohnsitz von Schrödingers (unehelicher) Tochter und Alleinerbin Ruth Braunizer, die dort die privaten Dokumente ihres Vaters aufbewahrt, der ein notorischer Schürzenjäger war und etliche außereheliche Affären hatte.

Ein bedeutsamer Teil des wissenschaftlichen Nachlasses (ursprünglich eine 108 kg schwere Kiste mit Manuskripten) wird in der Zentralbibliothek für Physik an der Universität Wien aufbewahrt. Über den Inhalt ebendieser Kiste ist nun ein heftiger juristischer Streit entbrannt.

Die Universität Wien hat nämlich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Ruth Braunizer geklagt. Und sie begehrt das Urteil, dass "die klagende Partei Eigentümerin der (...) Schriftstücke und Dokumente ist", wie es so (un-)schön im Gerichtsdeutsch heißt. Außerdem solle die Beklagte die Kosten "des gegenständlichen Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution" ersetzen." Kostenpunkt: 21.000 Euro.

Wie aber kommt die Uni Wien überhaupt dazu, Schrödingers Tochter zu klagen?

Die Geschichte dazu beginnt 1963, zwei Jahre nach dem Tod Schrödingers. Damals sichtete der US-amerikanischer Physiker und Wissenschaftshistoriker Thomas S. Kuhn den Nachlass Schrödingers in der Wiener Wohnung der Witwe und ließ sich wichtige Teile davon zur Mikroverfilmung nach Kopenhagen schicken, ehe er sie in besagter Kiste und nach Absprache mit der Witwe Schrödingers an die Zentralbibliothek für Physik weitersandte.

Dort blieben die bedeutsamen Dokumente zwei Jahrzehnte unberührt, ehe man sie für wissenschaftshistorisch Interessierte zugänglich machte und auch für Forschungs- und Film- und Ausstellungsprojekte verwendete.

Ruth Braunizer erfuhr in den 1980er-Jahren von der Existenz der Kiste, fragte 1985 nach, erhielt aber vom damaligen Institutsvorstand Walter Thirring die Mitteilung, dass kein Material vorhanden sei. Im Juli 2006 wiederholte sie ihre Anfrage an den Rektor der Uni Wien mit der Bitte, "die Rückgabe der Briefe und des restlichen Inhalts der Kiste zu veranlassen".

Rechts(un)sicherheit

Die Uni Wien holte daraufhin ihrerseits bei einem Notar und beim Bundesdenkmalamt Rechtsgutachten ein, wähnte sich ihrer Sache sicher und ließ Braunizer im Juli wissen, dass ihrer Forderung die Rechtsgrundlage fehle. Und Ende August folgte dann die Klage, mit der man bloß Rechtssicherheit herstellen wolle, wie es nun heißt.

Alfred Noll, der Ruth Braunizer als Anwalt vertritt (und selbst Dozent an der Uni Wien ist), hält das Verhalten seiner Universität für "durchaus unwürdig" und spricht von einer "kalten Enteignung". Beweise dafür, dass die Universität rechtmäßige Besitzerin des Inhalts von Schrödingers Kiste sei, kann er in den vorgelegten Dokumenten nicht erkennen.

Der erste Verhandlungstermin ist jedenfalls für übermorgen am Landesgericht Innsbruck anberaumt. Dass es so weit kommen musste, hätte sich womöglich durch einige Gespräche vermeiden lassen.

Anton Zeilinger, international renommierter Quantenphysiker und Dekan der Fakultät für Physik, "tut es jedenfalls weh", dass man noch keine österreichische Gesamtlösung für den Nachlass gefunden hat. Auf Nachfrage des STANDARD plädiert er dafür, dass die Republik "finanziell großzügig sein sollte", um dieses "erstrangige Kulturerbe" anzukaufen. Das sollte in eine Stiftung überführt werden - womöglich an der Akademie der Wissenschaften.

Vielleicht wird ja trotz Klage doch noch etwas daraus. Denn laut Anwalt Noll kann seine Mandantin der Idee einer solchen Stiftung durchaus etwas abgewinnen. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 12.12.2007)