Der Mathematiker Bernhard Lamel gewann heuer einen START-Preis.

Foto: DER STANDARD/privat
Für diesen Text unterbricht der großgewachsene Mathematiker und frisch gekürte START-Preisträger, Bernhard Lamel, von der Fakultät für Mathematik der Universität Wien, die Diskussion mit einer Kollegin. Es geht um die Lösung einer mit Kreide auf grünen Grund geschriebenen Gleichung. Aber kein Problem: Die beiden arbeiten bereits seit zwei Monaten daran und nähern sich langsam an. Der Spezialist für Cauchy-Riemann-Geometrie (CR) wird sich in den kommenden sechs Jahren der biholomorphen Äquivalenz widmen.

Kreis, Ellipse oder Quadrat lassen sich mathematisch vergleichen und ineinander umwandeln, wobei sie in dem Prozess bestimmte Eigenschaften behalten. Diese Merkmale - wie etwa Winkeltreue - werden durch Differentialgleichungen beschrieben. Eine zweidimensionale Anwendung ist die Berechnung von Strömungen am Querschnitt von Tragflächen.

Der Wiener arbeitet gleich mit vier Dimensionen, wie sie in der theoretischen Physik vorkommen. Abbildungen solcher Strukturen berechnet er, gibt aber freimütig zu, dass auch ihm die Vorstellungskraft dafür fehlt. Ziel der Rechenprozesse, die auf Papier stattfinden, ist ihre Vereinfachung. Das Ergebnis des großen Aufwands kommt wiederum einer Grundeigenschaft vieler Mathematiker entgegen: Faulheit.

1907 gilt als das Gründungsjahr der CR-Geometrie, mit der sich der 36-Jährige seit dem Doktorat beschäftigt. In den vergangenen hundert Jahren hat sich viel getan, aber seine in der Vergangenheit verwurzelte Forschungsfrage wurde bis heute nicht gelöst. Ausdauer, Durchhaltevermögen und eine starke Begeisterung hält er für wichtig, wobei ein ungestörtes Arbeiten am ehesten zu Hause möglich ist. Seine Rückkehr aus den USA 2002, wo er zuletzt als Assistant Professor an der University of Illinois tätig war, hat der Wissenschaftsfonds FWF erst ermöglicht - damals mit einem Selbstantrag.

Der START-Preis des Wissenschaftsministeriums ist natürlich eine Anerkennung seiner Arbeit. Sechs Jahre als Zeithorizont für die Forschung nehmen Druck heraus und geben ihm die Möglichkeit für einen breiten Horizont und fruchtbare Ideen. Die Experten für Abbildungsprobleme und komplexe Analysis sind auf dem Globus verstreut.

Schweden und USA

In seiner Post-Doc-Zeit ging der Mathematiker nach Schweden und in die USA, um neue Leute und Arbeitsweisen kennenzulernen. Mit den Kollegen arbeitet er heute noch zusammen, man trifft sich auf Konferenzen und publiziert gemeinsam.

Zum Studium selbst kam er ohne Plan. Sein bester Freund wählte Mathematik, er selbst belegte außerdem Musikpädagogik und Germanistik. Nach einem Jahr gab der Freund das Rechnen auf und Bernhard Lamel die anderen beiden Fächer. Musisch interessiert blieb er an der Melodie der Mathematik hängen. Es fasziniert ihn bis heute, wenn alle Beweise zusammenpassen und man nachher mehr weiß als vorher. In sein Feld fließen zudem verschiedene Fachgebiete ein, und viele Techniken kommen zum Einsatz.

Lamel ist Vater zweier Kinder, die fünf und sechs Jahre alt sind. Er liest gerne, geht spazieren und spielt Klavier.

Das Schlagzeug steht momentan in der Ecke. Wie bei den Lösungen an der Tafel könnte es aber wieder zu einer langsamen Annäherung kommen. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe, 12.12.2007)