Bild nicht mehr verfügbar.

Blocher fiel bei der Wahl zum Bundesrat durch. Für diesen Fall hatte seine Partei den Gang in die Opposition angekündigt.

Foto: REUTERS

Bild nicht mehr verfügbar.

Die neuen Regierungs-Mitglieder Moritz Leuenberger, Pascal Couchepin, Samuel Schmid, Micheline Calmy-Rey, Hans-Rudolf Merz, Doris Leuthard und die neue Kanzlerin Corina Casanova (von links nach rechts) wurden vereidigt.

Foto: AP Photo/Keystone, Alessandro della Valle

Bild nicht mehr verfügbar.

Eveline Widmer-Schlumpf wurde in Abwesenheit gewählt.

Foto: AP Photo/Keystone, Lukas Lehmann
Das Schweizer Parlament hat dem umstrittenen Bundesrat und Justizminister Christoph Blocher von der rechtskonservativen Volkspartei SVP die Wiederwahl verweigert. An seiner Stelle wurde seine national wenig bekannte Parteikollegin Eveline Widmer-Schlumpf gewählt; diese will jedoch erst am Donnerstag erklären, ob sie die Wahl annimmt. Falls ja, droht die SVP mit dem Gang in die Opposition: Die Partei, aber auch die Schweizer Konkordanz-Demokratie stünde damit vor einer Zerreißprobe.

Das Resultat ist eine schallende Ohrfeige für die stärkste Partei und den einflussreichsten Politiker der Schweiz: Auf Eveline Widmer-Schlumpf entfielen 125 von 246 Stimmen, auf Christoph Blocher nur deren 115. Es war mit einer knappen Wiederwahl Blochers gerechnet worden, da nicht nur seine SVP, sondern auch die liberale FDP und Teile der christdemokratischen CVP für ihn stimmen wollten.

Widerstand

Anscheinend hat es auch innerhalb des eigenen Lagers Stimmen gegen Blocher gegeben: Der Widerstand gegen dessen kompromisslosen, unversöhnlichen und oftmals hämischen Stil hat offensichtlich auch bürgerlich-liberale Politiker erfasst, was die SVP und Blocher unterschätzten.

So konnten Sozialdemokraten, Grüne und eine Mehrheit der CVP eine knappe Mehrheit für ihre heimliche Gegenkandidatin Widmer-Schlumpf organisieren. Die Frau aus dem Bergkanton Graubünden, Tochter eines Schweizer Ex-Verkehrsministers, gilt innerhalb der SVP als liberalere und konziliantere Politikerin.

Alle anderen Regierungsmitglieder wurden im Amt bestätigt, nämlich die beiden Sozialdemokraten Moritz Leuenberger und Micheline Calmy-Rey, die liberalen Hans-Rudolf Merz und Pascal Couchepin, der SVP-Bundesrat Samuel Schmid und die CVP-Vertreterin Doris Leuthard.

Wie es nun weitergeht, ist offen. Falls Widmer-Schlumpf die Wahl zur Bundesrätin annimmt, will die SVP-Führung in die Opposition gehen. Widmer und ihr Parteikollege Schmid wären dann Regierungsmitglieder ohne Unterstützung der eigenen Partei. SVP-Chef Ueli Maurer sprach von einer „Win-Win-Situation“: Entweder Widmer verzichtet und Blocher wird im zweiten Anlauf doch noch gewählt – kaum wahrscheinlich, da das Parlament seinen eigenen Entscheid kippen müsste. Oder aber die SVP geht ganz in die Opposition, kann ihr Profil weiter schärfen und mit Volksabstimmungen ungeliebte Regierungsvorlagen bekämpfen. Die Schweizer Konkordanz-Demokratie, die auf die Einbindung aller politischen Kräfte abzielt, würde damit auf die Probe gestellt.

Denkbar ist auch, dass ein Gang in die Opposition zur Zerreißprobe für die SVP werden könnte: Nicht alle ihrer Wähler und Mandatsträger goutieren den kompromisslosen Kurs. Christoph Blocher wäre dagegen bereit, SVP-Parteichef und Oppositionsführer zu werden, da Maurer 2008 abtreten will.

1983 und 1993 waren Sozialdemokratinnen durchgefallen

Zu Blochers spektakulärer Niederlage gibt es historische Parallelen auf der Seite der Linken: Im Dezember 1983 wurde der Sozialdemokrat Otto Stich, ohne selbst Kandidat zu sein, von der bürgerlichen Mehrheit in den Bundesrat gewählt, die offizielle SP-Kandidatin Lilian Uchtenhagen fiel durch. Stich akzeptierte die Wahl und wurde letztlich von seiner Partei akzeptiert. 1993 weigerten sich die bürgerlichen Parteien, die offizielle SP-Kandidatin, die Gewerkschaftsführerin Christiane Brunner, in den Bundesrat zu wählen. Sie gaben ihrem parteiintern unterlegenen Konkurrenten Francis Matthey den Vorzug. Matthey weigerte sich jedoch aus Parteidisziplin, die Wahl anzunehmen, worauf man sich schließlich auf die Sozialdemokratin Ruth Dreifuss als Kompromisslösung einigte. (Klaus Bonanomi aus Bern/DER STANDARD, Printausgabe, 13.12.2007/APA/red)