Das Resultat ist eine schallende Ohrfeige für die stärkste Partei und den einflussreichsten Politiker der Schweiz: Auf Eveline Widmer-Schlumpf entfielen 125 von 246 Stimmen, auf Christoph Blocher nur deren 115. Es war mit einer knappen Wiederwahl Blochers gerechnet worden, da nicht nur seine SVP, sondern auch die liberale FDP und Teile der christdemokratischen CVP für ihn stimmen wollten.
Widerstand
Anscheinend hat es auch innerhalb des eigenen Lagers Stimmen gegen Blocher gegeben: Der Widerstand gegen dessen kompromisslosen, unversöhnlichen und oftmals hämischen Stil hat offensichtlich auch bürgerlich-liberale Politiker erfasst, was die SVP und Blocher unterschätzten.
So konnten Sozialdemokraten, Grüne und eine Mehrheit der CVP eine knappe Mehrheit für ihre heimliche Gegenkandidatin Widmer-Schlumpf organisieren. Die Frau aus dem Bergkanton Graubünden, Tochter eines Schweizer Ex-Verkehrsministers, gilt innerhalb der SVP als liberalere und konziliantere Politikerin.
Alle anderen Regierungsmitglieder wurden im Amt bestätigt, nämlich die beiden Sozialdemokraten Moritz Leuenberger und Micheline Calmy-Rey, die liberalen Hans-Rudolf Merz und Pascal Couchepin, der SVP-Bundesrat Samuel Schmid und die CVP-Vertreterin Doris Leuthard.
Wie es nun weitergeht, ist offen. Falls Widmer-Schlumpf die Wahl zur Bundesrätin annimmt, will die SVP-Führung in die Opposition gehen. Widmer und ihr Parteikollege Schmid wären dann Regierungsmitglieder ohne Unterstützung der eigenen Partei. SVP-Chef Ueli Maurer sprach von einer „Win-Win-Situation“: Entweder Widmer verzichtet und Blocher wird im zweiten Anlauf doch noch gewählt – kaum wahrscheinlich, da das Parlament seinen eigenen Entscheid kippen müsste. Oder aber die SVP geht ganz in die Opposition, kann ihr Profil weiter schärfen und mit Volksabstimmungen ungeliebte Regierungsvorlagen bekämpfen. Die Schweizer Konkordanz-Demokratie, die auf die Einbindung aller politischen Kräfte abzielt, würde damit auf die Probe gestellt.
Denkbar ist auch, dass ein Gang in die Opposition zur Zerreißprobe für die SVP werden könnte: Nicht alle ihrer Wähler und Mandatsträger goutieren den kompromisslosen Kurs. Christoph Blocher wäre dagegen bereit, SVP-Parteichef und Oppositionsführer zu werden, da Maurer 2008 abtreten will.
1983 und 1993 waren Sozialdemokratinnen durchgefallen