Die Europäische Union läuft - ja, aber auf zwei künstlichen Beinen, ohne Hirn und mit Sicherheit ohne Herz. Eine Volksabstimmung zum neuen EU-Reformvertrag in dieser Situation würde Größe beweisen an der die Europäische Union wachsen könnte. Auch der deutsche Philosoph Jürgen Habermas fordert eine solche.

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Können Sie sich noch an die EU-Osterweiterung erinnern? Ein denkbar historisches europäisches Ereignis. Egal ob sie für oder gegen diese Entscheidung waren, müssen wir uns nicht eingestehen, dass dieses geschichtliche Ereignis nicht emotional spurlos an uns vorübergegangen ist? Können Sie sich erinnern, dass Menschen aus Osteuropa und Westeuropa sich mit offenen Armen gegenseitig empfangen haben? Oder waren an den Grenzen nur ein paar duzend aufgeblasene EU-Luftballons postiert für einige nette PR-Aufnahmen?

Das Problem ist, dass seit Jahrzehnten über den Köpfen der Bürger ein politisches Gebilde hinweg wächst, das lediglich auf dem Reißbrett geplant wurde. Dementsprechend gering ist auch die emotionale Verbundenheit der europäischen Bürger mit diesem Projekt. Zu selten wurde ihnen die Möglichkeit gegeben sich mit Herz und Geist mit dieser Idee zu verbinden und zu oft geben überhastete Entscheidungen der Politik den Menschen Begründungen, um sich mehr und mehr vom wertvollen europäischen Gedanken abzuwenden.

Der Versuch eine Verfassung für Europa zu schaffen, eröffnete wieder Raum und Möglichkeiten für eine engere Beziehung zwischen der trockenen Theorie und den Menschen. Es entstand die großartige Chance die Bürger an den wichtigen Entscheidungen der Zukunft teilhaben zu lassen und damit die Demokratie endlich wieder aus ihrer Lethargie zu befreien.

Doch leider wird diese Chance gedankenlos und leichtfertig verspielt. Schlimmer noch, denn sie wird nicht nur verspielt, sondern die Bürger werden schlichtweg übergangen. Man bedenke dabei die Referenden in Frankreich und den Niederlanden. Die Folgen sind dabei unschwer zu erkennen. Der deutsche Philosoph Jürgen Habermas schreibt in seinem Kommentar für die Wochenzeitung "Die Zeit" vom 29.11.2007 über den derzeitigen Zustand der EU: „Kurzum, das bestehende Gefälle zwischen politischen Eliten und Bürgern wird eher zementiert, und der Weg zu einer politischen Entscheidung über die künftige Gestalt Europas ist verbaut.“

Dabei ist die Lösung doch so einfach, sie verlangt lediglich Mitsprache der Bürger, also gelebte Demokratie. Doch dagegen wehrt sich die Politik, sie hat Angst vor den Entscheidungen der Bürger, denn diese könnten durch eine Ablehnung des neuen EU-Reformvertrags den Weg für ein handlungsfähiges Europa, das fit für die neuen Herausforderungen in einer globalisierten Welt ist, versperren, so deren einheitlicher Tenor. Doch genau das Gegenteil ist eigentlich der Fall, denn die Politik versperrt durch ihre Unfähigkeit Fehler einzugestehen und Bürger einzubinden, mittel- und langfristig die Möglichkeit ein emotional und geistig geschlossenes Europa zu schaffen. Und genau diese Geschlossenheit wird benötigt, um den Anforderungen der heutigen Zeit erfolgreich zu begegnen und um nicht die letzten Reste der Harmonie zwischen Vertiefung und Erweiterung gänzlich zu verlieren. Aus diesem Grunde verlangt Jürgen Habermans zurecht: "Die Regierungen müssten über ihren Schatten springen und den eigenen Bürgern die Chance geben, in einem Referendum über die Zukunft Europas zu entscheiden." (derStandard.at, 13.12.2007)