Vier von fünf Schweizern Fernsehzuschauern haben am Mittwoch die Übertragung der Bundesratswahlen aus dem Berner Bundeshaus im Fernsehen verfolgt. Die Schweizer Medien waren am Donnerstag voll Spekulationen über die Auswirkungen der Abwahl von Justiz- und Polizeiminister Christoph Blocher. In der renommierten Neue Zürcher Zeitung analysiert Urs Holderegger den "Schweren Gang in die Opposition": Er rechnet mit zunehmender Polarisierung, einer Vielzahl von SVP-Referenden und –Initiativen und einem neuen Diskussionsstil im Nationalrat: "Debatten und Redeschlachten, wie wir sie aus ausländischen Parlamenten kennen, dürften auch bei uns zunehmen."

Die konservative Weltwoche sieht unter anderem SVP-interne Streitugkeiten als Ursache für die Abstimmungsniederlage: die medienwirksam präsentierten Vorwürfe, die die Bündner SVP-Vertreter Hansjörg Hassler und Brigitta Gadient gegen die Parteispitze erhoben, hätten bei CVP und FPD den Eindruck verstärkt, die Blocher Fraktion sei "keine Partei, sondern eine Maschine".

Den Christlich-Sozialen wirft Kolumnist Markus Somm vor, sich "... aus Unfähigkeit oder aus Hass der Linken ausgeliefert" zu haben, obwohl die Ansichten ihrer Stammwählerschaft sich "zu 75 Prozent" mit denen Blochers deckten. Die Leserschaft der Online-Ausgabe ist im Gegensatz dazu mit dem Abstimmungsergebnis nicht unzufrieden: In einer Umfrage lag Eveline Widmer-Schlumpf zu Mittag deutlich vor Christoph Blocher.

Der Tages-Anzeiger wirft der SVP vor, das Konkordanz-Prinzip falsch verstanden zu haben und sich nun in den "Schmollwinkel der Opposition" zurückzuziehen. Dass man eine Regierung, an der die SVP durch Eveline Widmer-Schlumpf und Samuel Schmid beteiligt ist, als "Mitte-Links" bezeichne, sei reine Rhetorik: Blochers Nachfolgerin sei allenfalls etwas umgänglicher und liberaler als ihr Vorgänger. Kommentator Roland Schlumpf zieht einen Vergleich zur Mechanik: Widmer-Schlumpf sei "das Schmieröl", während ihr Vorgänger "eher der Sand im Getriebe" gewesen sei.

Die Basler Zeitung meldet, dass Blochers Abwahl seiner Partei allein am Donnerstagmorgen über hundert neue Mitgliedschaften gebracht habe. Vor genau vier Jahren, als der umstrittene Justiz- und Polizeiminister sein Amt übernahm, war es umgekehrt: am Tag seiner Angelobung meldeten damals die Sozialdemokraten den Beitritt zahlreicher neuer Mitglieder. (red)