Vielfalt

Im Linux-Desktop-Bereich dominiert derzeit vor allem eine Distribution: Ubuntu ist gerade für viele Windows-UmsteigerInnen die erste Wahl um Bekanntschaft mit dem Open Source Betriebssystem zu machen. Auch openSUSE und Fedora dürfen sich eines großen Bekanntheitsgrades erfreuen, Mandriva, Gentoo und Debian werden wohl auch noch viele kennen.

Vielfalt

Doch wie ein Blick auf Distrowatch eindrücklich illustriert, ist dies nur ein äußerst eingeschränkter Blick auf die gesamte Linux-Welt. Immerhin gibt es eine Vielzahl unterschiedlichster Distributionen, die nur darauf warten von ihrer Zielgruppe entdeckt zu werden - schließlich ist gerade die Vielfalt eine der großen Stärken von Linux.

Desktop

Neben zahlreichen "special interest"-Distributionen - also etwa für den Betrieb als Router/Firewall oder Media Server - haben sich dabei in den letzten Monaten und Jahren auch einige neue "normale" Desktop-Distros hinzugesellt, die sich anschicken Ubuntu und Co. so manche UserInnen abspenstig zu machen. Höchste Zeit also hier mal einen etwas genaueren Blick zu riskieren, aufgrund der schieren Masse an Distributionen geht das natürlich nur ausgewählt, entsprechend seien stellvertretend fünf Distros vorgestellt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Foresight Linux

Eine vollständig neue Distribution aufzustellen ist nicht gerade ein triviales Unterfangen, entsprechend verlassen sich - gerade anfänglich - viele auf die stabile Basis anderer Angebote. So macht es etwas Ubuntu mit Debian, so hat auch mal Mandriva mit einer Red Hat-Grundlage angefangen. Bei Foresight Linux ist die Situation etwas anders, immerhin liefert hier keine der "großen" Distros den Unterbau.

Basis

Vielmehr setzt man auf rPath Linux auf, eine Distribution, die primär auf die Zusammenstellung von speziell angepassten Software Appliances - etwa als vorgefertigte virtuelle Maschinen - konzipiert ist. Eine Wahl, die freilich alles andere als ein Zufall ist: Der Foresight-Chefentwickler ist gleichzeitig auch Angestellter bei rPath.

Auswahl

Entsprechend gibt es für Foresight Linux eine beeindruckende Fülle von Optionen bei der Wahl der Installationsmedien: Neben einer 1,3 GByte großen DVD kann auch von zwei CDs oder einer LiveCD installiert werden. Ebenfalls vorhanden: Images für VMware, Parallels und QEMU.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Install

Für die Einrichtung des Systems setzt man eine modifizierte Variante des Anaconda-Installers von Fedora / Red Hat ein. Insofern lässt sich dieser Vorgang moderat einfach und halbwegs flott absolvieren. Derzeit aktuell ist übrigens die Version 1.4.2 von Foresight Linux, mit der kommenden Version 2 will man bei der Installation noch mal nachbessern, ein Default-System soll sich so dann in weniger als 10 Minuten aufsetzen lassen.

GNOME

Den Desktop gibt bei Foresight Linux derzeit ausschließlich der GNOME, in späteren Releases sollen auch KDE und XFce unterstützt werden. Momentan ist man aber wie gesagt vollständig auf die GTK+-basierte Desktop-Umgebung konzentriert, und dies mit Nachdruck: Ernanntes Ziel von Foresight ist es ein System mit möglichst aktuellen und modernen Komponenten zu bieten, ein Versprechen das man durchaus einhalten kann.

Features

Dies auch deswegen, da man im Gegensatz zu den meisten anderen Distributionen - die zwischen den großen Releases nur Bugfixes ausliefern - auch regelmäßig neue Feature-Updates für die mitgelieferte Software anbietet. Heißt: Ähnlich wie bei Gentoo ist eine Release hier eigentlich nur ein "Snapshot" der Entwicklung, aktuell bleibt man auch so laufend über den Update-Manager.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Conary

Statt auf auf RPM oder Debian-Pakete setzt Foresight zur Softwareverwaltung auf sein eigenes System: Conary. Eines der Highlights davon: Updates werden als Binär-Diffs ausgeliefert, es werden also nicht wie sonst meist die vollständigen neuen Pakete heruntergeladen sondern nur die notwendigen Änderungen, was natürlich wesentlich bandbreitenschonender ist.

Tool

Die Steuerung von Conary passiert primär über ein Kommandozeilentool, seit kurzem liefert Foresight aber auch - als erster - das Distributions-übergreifende Softwareverwaltungstool PackageKit, das eine einfache Aktualisierung, wie sie von den großen Distributionen gewohnt ist, ermöglicht.

Topaktuell

Bei der Softwareausstattung ist Foresight - wie schon erwähnt - ganz vorne mit dabei: GNOME 2.20.2, Banshee 0.13.1 und F-Spot 0.4.0 seien nur stellvertretend genannt. Die nachträgliche Konfiguration entfällt hier größtenteils, Multimedia-Codecs, Flash und Java sind von Haus aus vorhanden, Compiz ebenfalls.

Hintergrund

Foresight bildet übrigens auch die Basis der Live-Medien, die seit einigen Releases parallel zu neuen GNOME-Releases veröffentlicht werden. Wem das noch nicht aktuell genug ist: Seit kurzem gibt es auch ein eigenes GNOME Developer Kit, das immer die aktuellsten Test-Releases des Desktops beinhaltet, flotter geht es wohl kaum mehr.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Linux Mint

Einer ähnlichen Mission hat sich Linux Mint verschrieben: Die eigene Aufgabe definiert man damit, einen "eleganten, aktuellen und komfortablen GNU/Linux Desktop" abzuliefern. Etwas verkürzt könnte man es auch als eine Art aufgebohrtes Ubuntu definieren, denn Linux Mint setzt auf die populäre Distribution auf und profitiert zu großen Teilen auch von deren Paketangebot und den zugehörigen Updates.

Installer

Entsprechend wenig Überraschungen gibt es beim Installer von Linux Mint 4.0 "Daryna" - dieser ist schlicht ident mit dem von Ubuntu 7.10. Da dieser aber ohnehin nicht gerade der Schlechteste in der Linux-Welt ist, ist das in diesem Fall nicht unbedingt ein Nachteil.

Varianten

Linux Mint 4.0 gibt es offiziell in zwei verschiedenen Ausführungen, einer "normalen" und einer "Minimal"-Variante, die sich aber im Download-Umfang nur geringfügig unterscheiden. Beide sind GNOME-basiert, alternativ sind aber noch Community-gewartete KDE- und Xfce-Ausführungen zu haben. Alle sind sie als LiveCD ausgelegt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Fesch

Beim Desktop zeigt sich, dass man reichlich Zeit in den Look investiert hat, das Motto "from freedom came elegance" hat man also recht konsequent durchgesetzt. Statt dem Ubuntu-üblichen Braun zieht sich hier ein eleganteres Schwarz durch die diversen Splash-Screen, auf das Ubuntu-Icon-Set verzichtet man zugunsten des Tango-Looks. Auch ein eigenes Theme kommt hier zum Einsatz, die zwei gewohnten Panels wurden auf eines am unteren Bildschirmrand reduziert.

Änderung

Doch auch abseits des Oberflächlichen hat Linux Mint einige interessante Änderungen zu bieten. So kommt eine Eigenkreation als Startmenü zum Einsatz, die die Suche nach Anwendungen vereinfachen soll. Ob dies gelungen ist, ist freilich Geschmackssache, eine interessante Alternative ist es aber allemal.

Wizard

Vor dem ersten Einloggen wird bei der Distribution übrigens ein kleiner Einrichtungsassistent gestartet, der den BenutzerInnen die Möglichkeit bietet gleich einen "echten" Root-Account einzurichten, anstatt sich wie bei Ubuntu von Haus aus auf "sudo" zu verlassen. Etwas, das vor allem Power-UserInnen erfreuen wird.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Software

Eigene Wege geht man auch beim Softwaremanagement. So steht für das Durchstöbern der verfügbaren Pakete ein spezielles "Software Portal" im Web zur Verfügung. Hat man das das gewünschte Programm gefunden, reicht ein Klick zum Aufspielen der benötigten Pakete.

Update

Seit der aktuellen Release gibt es mit mintUpdate auch ein eigenes Tool zum Einspielen von Aktualisierungen. Dieses teilt die Updates in verschiedene Gruppen ein, die BenutzerInnen können so etwa festlegen ob sie auch ungeprüfte Updates einspielen wollen oder lieber dieses Risiko umschiffen.

Multimedia

Auch hier ist die Unterstützung für Multimedia-Codecs, Java und Flash bereits von Haus aus vorhanden, Compiz Fusion "erbt" man ja ohnehin von Ubuntu. Bei der Softwareauswahl setzt man sich in einigen Details von der Basis ab, so finden sich etwa der KDE-Media-Player Amarok oder der MPlayer in der Default-Installation. Auch ersetzt der Thunderbird den GNOME-Mail-Client Evolution. Wem das nicht zusagt, der kann dies aber natürlich ohnehin nach Belieben den eigenen Vorlieben anpassen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Arch Linux

Schon ein ganzes Stück länger als die beiden zuvor genannten ist Arch Linux im "Geschäft". Bereits im Jahr 2002 wurde die Version 0.1 veröffentlicht, mittlerweile hat sich eine starke Community rund um das Projekt aufgebaut.

Zusammenbau

Ähnlich wie bei Gentoo liefert auch Arch Linux kein vorgefertigtes Systems. Viel mehr soll den BenutzerInnen hier durch höchstmögliche Flexibilität die Möglichkeit gegeben werden, ein optimal an ihre Bedürfnisse angepasstes System zu bauen. Die Installations-CD von Arch Linux enthält entsprechend nur die nötigsten Pakete und ist mit 158 MByte deutlich schlanker als die des Großteils der Konkurrenz.

Installation

Einen grafischen Installer gibt es hier freilich nicht, die Grundeinrichtung des Systems erfolgt über ein textbasiertes Interface. Dessen Schritte sollten aber auch für Nicht-Profis durchaus bewältigbar sein, äußerst hilfreich ist dabei auch die gute Online-Dokumentation.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Pakete

Anschließend hat man aber erstmal nur ein Basis-System, die Auswahls des Desktops und der gewünschten Anwendungen muss noch manuell vorgenommen werden. Dass dies kein all zu mühsamer Task ist, dafür sorgt der eigene Paketmanager Pacman.

Auswahl

Das Kommandozeilentool kümmert sich um die Verwaltung der Binärpakete, mit dem Arch Build System (ABS) gibt es auch eine Lösung um Pakete selbst zu kompilieren. Das Paketangebot ist dabei umfassend, und was nicht von Arch Linux selbst angeboten wird, findet sich meist in den Arch Users Repositorys.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Auswahl

So lässt sich dann einfach auswählen, welchen Desktop man aufspielen will. Auch wenn man nicht alle Komponenten einer Default-GNOME, KDE oder Xfce-Installation auf der Platte haben will, ist das kein Problem. Ebenso einfach ist das Mischen unterschiedlicher Bestandteile.

Alternativen

Das erleichtert es auch der Community eigens angepasste Versionen von einzelnen Pakete anzubieten. Beispielhaft sei hier KDEmod, eine aufgebohrte Variante des Desktops, genannt.

Aktuell

Hinter dem Begriff "Rolling Updates" verbirgt sich das, was bereits zuvor bei Foresight herausgestrichen wurde: Neue Programmversionen werden laufend in das Paketangebot aufgenommen, die Distribution bleibt also immer aktuell.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Paldo Linux

Next step: Paldo Linux. Die in der Schweiz entwickelte Distribution will einerseits so einfach wie möglich zu benutzen sein, andererseits aber auch laufend neueste Technologien bieten. Begrifflich macht man selbst diese Verortung irgendwo zwischen "cutting-edge" und "just works" fest.

Verbindung

Die Abkürzung Paldo steht übrigens für "pure adaptable linux distribution", entsprechend will man die Änderungen gegenüber den Original-Upstream-Releases möglichst gering halten. Ein weiterer wichtiger Eckpunkt: Paldo ist eine Source-basierte Distribution - trotzdem bietet man auch Binärpakete an, die BenutzerInnen sollen vom besten aus beiden Ansätzen profitieren können.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Wahl

Paldo Linux gibt es für 32- und 64-Bit x86-Rechner, die Installation erfolgt von einer LiveCD. Dabei steht die Auswahl zwischen "stable", "testing" und "unstable"-Ausführungen der Distribution, zusätzlich gibt es noch eine minimale Rescue-CD.

Installer

Beim Installer setzt man auf ein eigenes, GTK+-basiertes Frontend, das auch erfreulich einfach zu bedienen ist. Mit einigen wenigen Fragen ist die Einrichtung eines neuen Systems recht schnell bewerkstelligt. Für den "haarigsten" Teil - die Partitionierung - greift man allerdings auf ein externes Tool zurück, Gparted übernimmt bei Paldo diese Aufgabe.

Software

An der Aktualität der Softwareausstattung gibt es wenig zu mäkeln: GNOME 2.20.1, KDE 3.5.8. Kernel 2.6.23.1 und X.org 7.3 bilden die Eckdaten der aktuellen Release 1.12 von Paldo Linux.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Software

Auffällig an der Softwareaustattung auch die Präsenz von zahlreichen Entwicklungstools in der Default-Installation: Anjuta, MonoDevelop und Glade wandern alle von Haus aus auf die Festplatte.

upkg

Für die Paketverwaltung setzt übrigens auch Paldo Linux auf sein eigenes System: upkg heißt es und ist derzeit noch in Mono / C# verfasst. Spätere Releases sollen dann in Vala geschrieben werden - kein Wunder: Wird die neue Programmiersprache doch maßgeblich von den Paldo-EntwicklerInnen vorangetrieben.

Updates

Ein grafisches Tool für das Paketmanagement gibt es derzeit noch nicht, die entsprechenden Tasks müssen also über die Kommandozeile vorgenommen werden. Für die Zukunft will man aber auch hier PackageKit zum Einsatz bringen und dafür der Software ein upkg-Backend spendieren.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Sabayon Linux

Eine Art "Gentoo on Steroids" ist Sabayon Linux: Mit einer Reihe von Veränderungen sollen der source-basierten Distribution die Ecken und Kanten genommen werden, die Neulingen den Einstieg nicht immer ganz leicht machen. Die Basis bildet aber weiterhin Gentoo - und damit auch dessen umfangreiches Softwareangebot.

Auswahl

Angeboten wird Sabayon in einer Reihe von verschiedenen Ausführungen: Die Default-Variante bildet ein 4,5 GByte großes DVD-Image mit einer Vielzahl von vorkompilierten Paketen. Wem das zu viel ist, für den ist aber auch eine Mini-Edition im Umfang einer CD erhältlich.

Professional

Weiters gibt es eine Professional Edition, auf der die Default-Softwareausstattung stärker auf den Business-Bereich ausgerichtet ist. Auch verzichtet man bei dieser auf die eine oder andere Spielerei.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Effektreich

Denn von diesen bietet Sabayon sonst eine Vielzahl: Schon beim Booten der Live-Medien können auf Wunsch die Desktop Effekte von Compiz aktiviert werden. Die - zum Teil - dafür notwendigen proprietären Treiber liefert die Distribution gleich mit.

Boot

Wer will kann Sabayon Linux überhaupt gleich vollständig von der DVD nutzen und auf eine Installation verzichten: Eine eigene Boot-Option ermöglicht den Start in ein System auf dem die perönlichen Daten dann auf einem angehängten USB-Stick gespeichert werden.

Install

Will man das System dann doch lieber auf die Festplatte bannen, so erledigt diese Aufgabe ein eigener Installer - auch hier wieder auf Basis der Fedora-Lösung Anaconda. Zur Auswahl stehen die unterschiedlichsten Desktop-Umgebungen, neben GNOME und KDE etwa auch Fluxbox oder Xfce. Außerdem können gleich diverse Netzwerkservices - unter anderem der File/Print-Sharing-Server Samba - auf Wunsch eingerichtet werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Eine Menge

Die Installation von Sabayon gehört definitiv zu den langsameren der besprochenen Distributionen, das hat aber auch einen Grund: Hier wird von Haus aus so ziemlich alles, was mal softwaremäßig von Interesse sein könnte, auf die Platte geschaufelt. Das reicht von den üblichen Desktop-Programmen über Google Earth und Picasa bis zu einer Vielzahl von Spielen.

Alles da

Große Sorgen um die nachträgliche Konfiguration des Systems muss man sich dann dafür aber nicht mehr machen. Multimedia-Codecs, proprietäre Treiber und Co. - alles ist bereits fix fertig installiert.

Pakete

Das Paketmanagement übernimmt weiterhin das Gentoo-System Portage, ein grafisches Interface soll den Umgang damit erleichtern. Updates werden hier kompiliert, denn auch wenn die Einrichtung mit Binärpaketen erfolgt, so ist das Ganze doch eine Source-basierte Distribution. (Andreas Proschofsky)

Screenshot: Andreas Proschofsky