Wien – Dass Ariel Muzicant jemals einen solchen Satz von sich geben wird, hätte er selbst wohl am wenigsten gedacht: „Wolfgang Schüssel hat sich für uns 2003 sehr engagiert“, sagt der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wiens (IKG), der den ehemaligen ÖVP-Kanzler wegen seiner schwarz-blauen Regierung oft hart angegriffen hat. Heute dagegen meint Muzicant: „Es ist eine Ironie des Schicksals, dass man das von dieser Regierung nicht behaupten kann. Wir bekommen von ihr keine Unterstützung – offenbar handelt man nach der alten Art, die ganze Sache wieder einmal in die Länge zu ziehen.“

Was den IKG-Chef erzürnt: Dass die Länder ihre einst mit der Republik vereinbarten Restitutionszahlungen in der Höhe von 18,2 Millionen Euro bis heute nicht zur Gänze ausbezahlt haben, Muzicant wartet noch immer auf 7,5 Millionen – was seiner um finanzielle Liquidität kämpfenden Gemeinde neuerlich zusetzt.

Aus diesen Gründen hatte sich Schüssel 2003 als Kanzler dafür stark gemacht, dass die Länder die Hälfte ihrer Restitution für die Gemeinde, die zwischen 1938 und 1945 komplett von den Nationalsozialisten zerstört wurde, sofort überweisen. Was auch geschah – und zwar sogar ohne den Schutz vor Restitutionsklagen, weil damals wegen einiger ausstehender Verfahren noch keine Rechtssicherheit herrschte. Diese folgte erst zwei Jahre später, 2005.

Schon zuvor war laut Muzicant mit der Landeshauptleutekonferenz jedoch vereinbart worden, dass die Länder in den darauffolgenden fünf Jahren, also bis 2007, das restliche Geld in Jahresschritten an die Kultusgemeinde überweisen. Doch in diesem Herbst vertrösteten die Landeshauptleute ihn damit, dass sie die Restitutionsgelder erst bis zum Jahr 2010 ausbezahlen, was zeitlich den fünf Jahren nach Abschluss des Rechtsfriedens entspreche.

„Doch alle Länder hatten bei Vertragsunterzeichnung 2002 für die Folgejahre schon das Geld in ihren Budgets eingeplant“, ärgert sich Muzicant. Daher gebe es auch keinen Grund, „das Geld zurückzuhalten“. Die Kultusgemeinde habe wegen dieser Säumigkeit „null Reserven“ und könnte schon demnächst arge „Cashflow-Probleme bekommen“.

Der Grund für die „finanzielle Katastrophe“: Allein die Sicherheitskosten der jüdischen Gemeinde verschlingen jährlich zwei Millionen, was einem Viertel ihres Budgets entspricht. Bleiben die Länder die Zahlungen noch drei Jahre schuldig, erleide die Gemeinde zudem einen Zinsverlust von 375.000 Euro pro Jahr.

Auch Alfred Gusenbauer (SPÖ) habe er deswegen schon ersucht, er möge doch als Kanzler, wie einst sein Vorgänger Schüssel, bei den Ländern ein gutes Wort einlegen, klagt Muzicant. Ohne Erfolg.

Wortkarge Länderchefs

In den Ländern selbst gibt man sich wortkarg. Im Büro von Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) – der Steirer hat derzeit den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz inne – lässt man ausrichten, man könne nicht noch einmal eine Vorauszahlung leisten. Der steirische Beitrag am Restitutionspaket habe 2,4 Millionen Euro betragen, davon sei nur mehr rund eine Million offen. Ähnlich argumentiert man im Büro von Josef Pühringer (ÖVP). Dort verweist man ebenfalls auf geleistete Zahlungen und dass von Oberösterreich nur mehr jeweils 560.000 Euro für 2009 und 2010 fällig wären. Und auch in Wien, das mit fünf Millionen Euro den Hauptteil an der Restitutionslast trägt, hält man sich bedeckt. Im Büro von Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) gibt es keine Auskunft.

Will vielleicht Schüssels Nachfolger als ÖVP-Obmann, Wilhelm Molterer, die Länder früher zur Kasse zu bitten? Der Finanzminister erklärt: „Ich habe versucht, die damalige Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Gabi Burgstaller, zu motivieren, die Zahlungen rascher zu tätigen. Dieser Konsens ist nicht zustande gekommen. Deswegen halten sich einige Länder strikt an den Ratenplan. Aber kein Land bestreitet die Verpflichtung, zu zahlen.“ (von Peter Mayr, Michael Völker und Nina Weißensteiner/DER STANDARD, Printausgabe, 14.12.2007)