Wien - Am fünften Tag des AMIS-Prozesses stand am Freitag die Erörterung der drei vom Sachverständigen Gert Weidinger erstellten Gutachten am Programm. Weidinger bestätigte dabei im Wesentlichen die in der Anklageschrift angeführten Zahlen. Der aus den betrügerischen Handlungen der Angeklagten entstandende Gesamtschaden hat demnach 62,2 Mio. Euro betragen. Das intransparente AMIS-Firmengeflecht habe der Verschleierung der Handlungen gedient. Die AMIS-Firmengruppe hätte eigentlich gar nicht aktiv werden dürfen. Im Jahr 2000 sei sie bereits mit neun Mio. Euro überschuldet gewesen. Der Betrugsprozess wird am Montag mit der Einvernahme der ersten Zeugen fortgesetzt. Ein Urteil wird für Donnerstag erwartet.

"Geld wurde um die Welt geschickt, bis es wieder zurückfloss", so Weidinger in Anlehnung an einen Email-Inhalt der Hauptangeklagten Harald Loidl und Dietmar Böhmer. Der wesentliche Schaden sei dadurch entstanden, dass aus den Kundengeldern Gebühren und Provisionen herausgenommen worden seien, die den Kunden nicht bekannt waren, ergänzt um zusätzliche Zahlungen an die Gesellschaften Lucie SA, Interorg und I&E, die im wirtschaftlichen Eigentum von Loidl und Böhmer standen, führte Weidinger aus. Die dem Mitangeklagten Thomas Mitter anzurechnende Schadenshöhe erhöht sich laut Weidinger von 44,1 auf 50,6 Mio. Euro, für die anderen drei Angeklagten blieb sie gleich.

Millionen-Überschuldung bereits 2000

Die AMIS hätte als Gesellschaft wahrscheinlich gar nicht beginnen dürfen, bereits im Jahr 2000 sei eine Überschuldung von neun Mio. Euro vorhanden gewesen, die den handelnden Organen auch bekannt bzw. für diese erkennbar gewesen sie. "Es hätte sich bei der Geschäftsführung was radikal ändern müssen, um hier noch gegensteuern zu können", führte Weidinger auf die Frage der Richterin Daniela Setz-Hummel aus, ob es den von den Angeklagten erhofften "Strohhalm" zur Rettung gegeben habe. Die in den Verträgen mit den Vertriebspartnern und Franchisenehmern ausgewiesenen Provisionen seien sicherlich sehr hoch gewesen.

Beim von AMIS verwendeten Computerprogramm zur Verwaltung der Kundengelder sei die Datenintegrität "nicht wirklich" gegeben gewesen, stellte Weidinger fest. Es sei möglich gewesen, Kundendepots zu überschreiben, dafür habe es auch Beispiele bei den Depots des Angeklagten Dietmar Böhmer gegeben. Ob dies auch bei anderen Kunden passiert sei, habe er nicht überprüft.

Kundendepots

Der "Investor" sei die einzige Quelle gewesen, um auf einzelne Kundendepots zu blicken, da die eigentlich dafür zuständige Depotbank - zuerst die Banque Colbert, in der Folge die IBL bzw. Sella Bank - die Kundendepots nicht verwaltet hätte. Vor 1999 hätten die Depotbanken noch selbst die Kundendepots geführt und AMIS hätte keinen direkten Zugriff darauf gehabt.

Ab dem Zeitpunkt der Suspendierung der beiden Luxemburger SICAVs AMIS Fund und Top Ten Multifonds im März 2004 seien auf diesen Fonds keine Ein- und Auszahlungen mehr möglich gewesen. Die ab diesem Zeitraum weiter eingegangenen Kundeneinzahlungen auf Konten der RZB und Deutsche Bank hätten sich auf 28,8 Mio. Euro summiert. Davon seien 26,5 Mio. Euro wieder ausbezahlt worden, sind also nicht - wie eigentlich vorgesehen - in die Fonds geflossen. "Alles, was ab der Suspendierung eingezahlt wurde, ist wieder für Kundenausstiege, Provisionen und Gebühren herausgenommen worden", so Weidinger. Die Kunden hätten zwar bezahlt, aber nichts dafür bekommen. Damit sei die Grundlage für die Gebühren weggefallen.

Aus dem "Investor" seien Gebühren von 19 Mio. Euro ersichtlich, demgegenüber stehen laut Weidinger 66 Mio. Euro, die tatsächlich wieder auf Konten der AMIS zurückgeflossen sind. Bei der Lücke in Höhe von 47 Mio. Euro handle es sich also um nicht bekanntgegebene Provisionen und Gebühren, die dem Kundenvermögen entnommen worden seien. Darüberhinaus habe es Redemptions - also Geldrückflüsse aus dem Verkauf von Fondsanteilen - in Höhe von rund 9 Mio. Euro gegeben, die nicht an AMIS, sondern an die Gesellschaften Lucie, Interorg und I&E geflossen sind, die Böhmer und Loidl zuzuordnen sind. (APA)