In der südfranzösischen Stadt Lyon sorgt eine besonders fortschrittliche Tagesmutter derzeit für Aufsehen: Valérie Boccara brachte in einer Ecke ihres Wohnzimmers eine Kamera an, damit die Eltern ihrer Schützlinge per Internet einen Blick auf das Geschehen haben.

Berufsstand "aufwerten"

Sie habe im Fernsehen ein paar Sendungen gesehen, in denen es um Misshandlung bei der Kinderbetreuung ging, sagte die 40 Jahre alte Boccara. Daraufhin habe sie beschlossen, eine Kamera in dem 30 Quadratmeter großen Wohnzimmer zu installieren, in dem sie auf mehrere Kleinkinder aufpasst. Dies könne dazu beitragen, das Ansehen ihres Berufsstandes "aufzuwerten", meint die Tagesmutter, die früher eine Gaststätte hatte.

"Das ist keine Überwachung"

Eine junge Frau namens Céline, die ihren 18 Monate alten Sohn jeden Tag bei Boccara abgibt, findet die Idee mit der Kamera gut. "Das ist keine Überwachung", betont sie. Wenn sie im Büro einen kleinen Stimmungseinbruch habe oder kurz eine Pause mache, freue sie sich, wenn sie auf dem Bildschirm des Computers ihren kleinen Nathan sehen könne. Der Vater eines knapp zweijährigen Mädchens vertraut der Tagesmutter, wie er sagt - die Webcam sei eher ein Spielzeug. Aber sie sei durchaus beruhigend für ihn.

Kritik

Chantal Hernandez von der Kinderschutzorganisation ADSEA sieht die Kamera im Wohnzimmer dagegen kritisch. Es sei ein Eingriff in die Privatsphäre, wenn eine Kamera die Kinder die ganze Zeit filme, sagt sie. Auch eine Kollegin von Boccara, Oumessad Benzeguig, lehnt den Kameraeinsatz ab: "Wenn ich auf Kinder aufpasse, sind meine eigenen auch da", sagt die Tagesmutter. "Sie würden es nie erlauben, dass man sie filmt. Das würde sie stören."

Der Verwaltungsbezirk Rhône nahm von 1999 bis 2006 insgesamt 118 Tagesmüttern ihre Zulassungen wieder ab, nachdem es Beschwerden gegeben hatte. In 55 Fällen hatten die Eltern den Betreuerinnen Misshandlungen vorgeworfen - von Ohrfeigen bis zu sexuellem Missbrauch.(APA/AFP)