Zur Person:
Erik Randall Huber ist Arzt für Allgemeinmedizin sowie Sportarzt, Notarzt und Umweltmediziner. Er leitet seit 2002 das Referat für Umweltmedizin der Ärztekammer für Wien und hat in dieser Funktion im Sommer 2005 die zehn medizinischen Handyregeln formuliert.

Als Assistenzarzt der Urologie ist er Autor und Coautor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen und Vortragender auf internationalen Kongressen. Darüber hinaus ist er Vorsitzender der Ausbildungskommission der Wiener Ärztekammer.

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Pariser Bibliotheken haben kürzlich ihre Drahtlos-Systeme nach gesundheitlichen Beschwerden der Mitarbeiter abgeschaltet: Diese beklagten sich über Gesundheitsprobleme wie Übel- und Müdigkeit, Schwindelgefühle und Kopfschmerzen. Ist die Diskussion um Strahlungen nur Panikmache oder eine realistische Gefahr? Erik Huber, Referent für Umweltmedizin der Ärztekammer Wien gab im Interview mit Sophie Leitner Antworten darauf.

derStandard.at: Die gesundheitlichen Folgen von Handystrahlung werden immer wieder kontrovers diskutiert. Was weiß man aber über WLAN-Strahlung?

Huber: Handytelefonie, Dect-Telefone, Bluetooth und WLAN sind sich im Grunde sehr ähnlich: Es sind alles gepulste elektromagnetische "Strahlungen". Das heißt eigentlich sind es Wellen, aber im allgemeinen Sprachgebrauch werden sie als Strahlung bezeichnet. Diese Strahlungen unterscheiden sich lediglich in ihrem Frequenzbereich: Bei WLAN haben Sie 2,2 und 5 Gigahertz (GHz), bei UMTS haben 2,1 Gigahertz (GHz), bei GSM-Handytelephonie 900 oder 1800 Megaherz (MHz), aber in der Art und Weise der Informationsübertragung und in der biologischen Wirkung sind sie sehr ähnlich.

derStandard.at: Was könnten mögliche gesundheitliche Folgen dieser Strahlungen sein?

Huber: Man hat nachweisen können, dass durch diese pulsatilen elektromagnetischen Felder biologische Effekte ausgelöst werden, wie Zell- oder Genschädigungen. Aber auch und das betrifft jetzt Mobilfunkbasisstationen, dass Störungen wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Schwindel verursacht werden können. Die Symptome, die auch von den Mitarbeitern in der Pariser Bibliothek beschrieben wurden.

derStandard.at: Gibt es zu diesen Symptomen schon Studien?

Huber: Generell gibt es zu WLAN im Speziellen noch kaum Studien. Es gibt eine gute Studie zu Mobilfunkbasisstationen von Hans-Peter Hutter, einem österreichischen Umweltmediziner, die deutlich zeigt, dass diese eigentlich geringe Strahlungsintensität einer Basisstation, verglichen mit einem Mobiltelefon, zu Erhöhung von besonders Kopfschmerzen, aber auch Abgeschlagenheit und Müdigkeit führen kann.

Das Problem an diesen Symptomen ist, dass sie sehr unspezifisch sind: Einerseits können sie auch bei anderen Krankheitsbildern auftreten, andererseits können sie aber auch darauf zurückzuführen sein, dass der Betroffene diese Basisstation sieht und glaubt, dass die diese Symptome auslöst. Das bezeichnet die Psychologie als Rationalisierung.

derStandard.at: Wie kann man solche Effekte bei Studien vermeiden?

Huber: Um diese Phänomene zu vermeiden, hat Hutter für seine Studie die Patienten wahllos aus dem Telefonbuch herausgesucht, also Leute, die nicht sagen, dass sie durch einen speziellen Mobilfunkmast gestört sind und hat diese dann befragt. Diese Studie ist peerreviewed (Peer-Review ist ein Verfahren zur Beurteilung von wissenschaftlichen Arbeiten durch unabhängige Gutachter, Anm. Red) und kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass Menschen, die in der Nähe von Mobilfunkbasisstationen leben, vermehrt derartige Symptome beschreiben, unabhängig von ihrer Einstellung zur Basisstation.

derStandard.at: Was hat diese Studie von Hutter nun mit WLAN zu tun?

Huber: In der Umweltmedizin gilt: Ähnliches ist vergleichbar. WLAN und Mobilfunk unterscheiden sich nur in ihrer Frequenz - somit ist es möglich, nachdem es sich immer um pulsatile elektromagnetische Felder handelt, diese Ergebnisse auch auf WLAN und Dect-Telefone umzulegen. Mit WLAN holen Sie sich eben eine Mobilfunkbasisstation in Ihr Wohnzimmer, in Ihr Schlafzimmer, in Ihren Aufenthaltsraum. Das Problem bei dieser Basisstation ist, dass sie dauernd sendet. Die meisten kann man nicht abschalten.

Vor eineinhalb Jahren, als ich bei mir zuhause mein Netzwerk eingerichtet habe, war ich auf der Suche nach einem WLAN-Rooter, den man auch abschalten kann. Den gab es aber nicht. Das Problem dabei ist, dass Sie einen Dauersender ins Haus holen und wenn Sie mit dem Notebook mit WLAN im Internet surfen, haben sie zusätzlich eine Strahlungsquelle genau dort, wo sich der Laptop befindet.

derStandard.at: Was bewirkt es, wenn ich den Laptop beim WLAN-surfen beispielsweise auf meinen Schoß habe?

Huber: Hier muss man vorerst ganz allgemein Folgendes unterscheiden: Bei elektromagnetischen Feldern gibt es eine Nahfeld- und eine Fernfeldbestrahlung. Eine Mobilfunk-, Dect-Telefon- oder WLAN-Basisstation ist eine Fernfeldbestrahlung. Das heißt diese steht irgendwo und der Abstand beträgt mindestens einen Meter von Ihnen zu diesem Emittenten. Bei Fernbestrahlung werden Effekte beobachtet, wie sie auch in der Pariser Bibliothek aufgetreten sind: Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen etc.

Bei Nahfeldbestrahlungen wie beispielsweise beim Laptop mit WLAN oder UTMS-Karte auf dem Schoß, da haben Sie mehr oder weniger kurzfristig sehr hohe Energien direkt am Körper, die von diesem absorbiert werden müssen. Beim Handy gibt es hierzu eine so genannte SAR-Rate (Spezifische Absorbtionsrate, Anm. Red.), für WLAN gibt es diese nicht.

Bei Nahfeldbestrahlungen hat man eher die Angst vor Tumoren, beispielsweise Hirntumoren. Dazu wissen wir heute, dass das Risiko von Personen, die mehr als zehn Jahre regelmäßig mobil telefonieren um 200 Prozent gesteigert ist. Zu Tumoren in anderen Körperegionen wie sie zum Beispiel bei Verwendung einer Laptop UMTS oder WLAN-Karte auftreten würden, gibt es bis heute keinerlei Untersuchungen.

derStandard.at: Was halten Sie von dem Vorfall in der Pariser Bibliothek?

Huber: Als Wissenschafter hätte ich im Fall der Pariser Bibliothek Folgendes gemacht: Ich hätte eine Befragung unter den Mitarbeitern gemacht, mit Fragebögen, die evaluiert sind. Dann hätte ich das Netz irgendwann abgeschaltet, ohne das irgendjemandem zu erzählen und ein Dummy-LANnetz oder Ähnliches aufgebaut, so dass die Mitarbeiter natürlich nicht mitkriegen, dass das WLAN abgeschaltet ist.

Dann hätte ich diese Befragung noch einmal gemacht. Anschließend hätte ich das WLAN wieder eingeschaltet und die Befragung ein weiteres Mal wiederholt. Und dann hätte ich geschaut, ob hier bei den Beschwerden eine statistische Signifikanz herausschaut.

derStandard.at: Das heißt, Sie könnten sich vorstellen, dass die beschriebenen Symptome dieser Mitarbeiter rein psychischer Natur waren?

Huber: Wenn die Menschen wissen, dass sie sich in einem Strahlungsfeld bewegen, dann sind sie auf alle Fälle vorbelastet. Dann kann man keine echte, gute Studie mehr machen.

derStandard.at: Aber halten Sie die auftretende Symptomatik bei den Mitarbeitern dieser Pariser Bibliothek für plausibel?

Huber: Seit dieser Studie von Hutter ist es für mich sehr plausibel. Bis dahin war mir das nicht ganz klar, weil mir das einwirkende Feld zu schwach war. Davor gab es nur einzelne Fallbeispiele oder kleinere Studien, die aber zum Großteil methodische Mängel hatten. Obwohl ich dazu sagen muss, dass die Wissenschaft in diesem Bereich besonders schwer ist. Es ist fast unmöglich eine Studie ohne einen methodischen Mangel durchzuführen. Die beste auf diesem Gebiet ist, wie schon erwähnt, die vom Kollegen Hutter.

derStandard.at: Wie kann man sich denn vor WLAN-Strahlungen schützen?

Huber: Auf WLAN verzichten. Wenn man aber WLAN unbedingt zuhause braucht, dann würde ich auf jeden Fall eines suchen, das man abschalten kann oder zumindest anstecken auf eine Steckleiste, an der man den Strom abschalten kann. Und dann sollte man es nur einschalten, wenn man es verwendet. Auf dem Schoß würde ich den Laptop keinesfalls platzieren.

derStandard.at: Aber würden Sie eigentlich davon abraten sich WLAN zuzulegen?

Huber: Ja, auf jeden Fall. Ich habe zuhause ein LAN-Netzwerk, das wunderbar funktioniert und genauso komfortabel ist. Außerdem ist es viel schneller. Es gibt kein WLAN, das schneller oder gleich schnell ist wie ein LAN.

derStandard.at: Fernseher an, Laptop auf dem Schoß, Handy am Ohr – Sind mehrere Strahlungsquellen nebeneinander gefährlicher? Beziehungsweise kommt es da zu Interferenzen?

Huber: Einige Experten behaupten, dass eben diese Interferenzen die Gesundheitsgefährdung noch potenzieren. Aber auch dazu gibt es leider derzeit keine aussagekräftigen Studien und ich befürchte, dass die Datenlage auch noch lange Zeit so dürftig bleiben wird, außer es wird bei Langzeituntersuchungen noch gravierendere Ergebnisse geben als wir ohnehin schon haben, dann wird es in zehn Jahren diese Funknetzwerke von heute wahrscheinlich gar nicht mehr geben.

derStandard.at: Sind Strahlungen generell nur negativ zu bewerten?

Huber: Auch in der Medizin machen wir uns elekromagnetische Felder kurzfristig für die Behandlung von unterschiedlichen Krankheiten zu nutze. Hier treten auch unterhalb der zur Zeit - unseres Erachtens nach zu hoch angesetzten Richtwerte - biologische Wirkungen auf. Die chronische, andauernde Einwirkung solcher Felder führt dann allerdings zu einer Gesundheitsschädigung. Die Dosis ist das Gift - ist eine alte Weisheit der Medizin und gilt anscheindend auch für elektromagnetische Felder.

derStandard.at: Was halten Sie persönlich von dieser Diskussion?

Huber: Der Ärztekammer für Wien geht es in dieser Sache primär um die Bewusstmachung eines möglichen Risikos. Der Sinn einer öffentlichen Diskussion ist es, endlich den Vorsorgegedanken bei Mobilfunkanwendungen zu etablieren, sowie ausreichend Mittel für Forschung bereit zu stellen. Denn es ist immens wichtig, dass endlich Klarheit herrscht über mögliche Gesundheitsgefahren, wenn so viele Menschen davon betroffen sind. (derStandard.at, 18.12.2007)