• "die tageszeitung" (taz - Berlin):
  • Was geht in einem Politiker vor, wenn er mit einem Federstrich die Zukunft eines Menschen vernichtet? Für Österreichs Innenminister Günther Platter wäre es ein Leichtes gewesen, von seinem Recht Gebrauch zu machen, der 15-jährigen Arigona Zogaj und ihrer Mutter humanitären Aufenthalt zu gewähren. Zweierlei hätte er so signalisiert: Erstens hat auch der als Hardliner positionierte Sicherheitsfanatiker ein Herz. Zweitens: Es zahlt sich aus, sich vorbildlich zu integrieren. (...) Man dürfe Asyl nicht mit Zuwanderung vermischen, mahnt Platter immer wieder an, so als hätten er und seine Parteifreunde nicht dafür gesorgt, dass legale Einwanderung aus Drittstaaten praktisch unmöglich ist. Die immer geringeren Zuwanderungsquoten werden vom Familiennachzug beansprucht. Seitdem Asylanträge nicht mehr im Ausland gestellt werden können, bleibt nur der Weg über teure und gewissenlose Schlepper. Dass Österreich längst ein Einwanderungsland ist und wie die meisten EU-Staaten Zuwanderung dringend braucht, wird verleugnet. Die unbequeme Wahrheit könnte Stimmen kosten. (...) Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass mit der Ausschaffung der unglücklichen Arigona Zogaj das Thema Fremdenpolitik nicht vom Tisch ist.


  • "Die Zeit":
  • Die Videobotschaft kommt aus dem Untergrund. Schluchzend fleht da die 15-jährige Kosovarin Arigona um Mitleid. Lieber wolle sie sterben, sagt das abgetauchte Mädchen, als wie ihre Familie abgeschoben zu werden. Jetzt rührt das Schicksal der siebenköpfigen Familie Zogaj die österreichische Öffentlichkeit. Sieben Jahre lang hatten die Asylbewerber im Land gelebt. In ihrer kleinen Wohngemeinde waren sie beliebt. Von Instanz zu Instanz kämpften sie im Dschungel der Fremdengesetze um ein Bleiberecht. Vergebens. Eines Morgens kamen die Polizeibusse. Da war Arigona bereits verschwunden. (...) Doch der konservative Chef des Innenressorts, mittlerweile Minister Gnadenlos genannt, bleibt unerbittlich (...). Jahrelang schleppen sich die Asylverfahren dahin, dann werden bereits integrierte ausländische Familien noch einmal entwurzelt und brutal abgeschoben, selbst wenn die Europäische Menschenrechtskonvention dadurch verletzt wird. Denn eine regulierte Einwanderungspolitik kennt man in Österreich nicht. (...) Erst die Verzweiflungstat einer 15-Jährigen konnte dies einer breiten Öffentlichkeit in das Bewusstsein rufen. Sie fand prompt einen Nachahmer. Am Montag beging ein von Abschiebung bedrohter Nigerianer einen Selbstmordversuch. Mitten am Hauptplatz von Steyr rammte er sich ein Messer in den Leib.


  • "Der Tagesspiegel" (Berlin):
  • Seit Tagen berichten österreichische Medien über ihr Schicksal, und so langsam beginnt das Familiendrama zu einem nationalen Problem zu werden. Vor allem für Innenminister Günther Platter, der seit einigen Wochen versucht, Österreichs Asylpolitik mit harter Hand durchzusetzen. Der konservative ÖVP-Politiker lässt derzeit verstärkt Flüchtlingsfamilien aus der Krisenregion zurückfliegen. Doch die Abschiebungen laufen nicht still und geordnet ab, sondern haben eine Solidarisierungswelle ausgelöst. An mehreren Demonstrationen nahmen nicht nur Bürger aus den betroffenen Orten teil, sondern auch Prominente und Politiker von ÖVP, SPÖ und den Grünen. Die Frage, die viele Bürger in Internetforen und Leserbriefen bewegt, heißt: Wo ist Recht und wo Gerechtigkeit? Sie empfinden es als ungerecht, wenn Familien abgeschoben werden, die sich integriert haben.


  • "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ):
  • Da hat sogar Radio Vatikan einen Scherz gemacht: "Ungemach in Ungenach" titelte das päpstliche Medium in seiner Online-Ausgabe. Wer den Namen des kleinen Dorfes im oberösterreichischen Hausruckviertel bisher allenfalls aus einer Erzählung Thomas Bernhards kannte, der hatte jetzt Gelegenheit, die Bewohner kennenzulernen. Weil der örtliche Pfarrer ein Mann mit solider Nächstenliebe ist, hat er das 2002 mit seiner Familie aus Kosovo geflüchtete Mädchen Arigona bei sich aufgenommen. Die von der Abschiebung bedrohte und verzweifelte Fünfzehnjährige hat er tagelang vor den Behörden versteckt und auf diese Weise ein Beispiel zivilen Ungehorsams geboten, das nicht nur die Medien ins Dorf holte, sondern auch den Innenminister höchstpersönlich. Dieser, ein ehemaliger Polizist, gönnt sich und den Seinen jetzt erst einmal eine Nachdenkpause im Fall Arigona Zogaj. (APA)