Nun veröffentlichte Belege sollen zeigen, dass Patienten im Otto-Wagner-Spital manchmal stundenlang und ohne Beisein eines Arztes fixiert würden.

Foto: Regine Hendrich
Die Patientenanwältin des Spitals sagt, dass es oft wegen Personalmangels zu langen Fixierungen komme.

Für die Dauer von 19 Stunden und 38 Minuten soll ein Psychiatrie-Patient mit kurzen Unterbrechungen am Otto-Wagner-Spital in ein Netzbett eingeschlossen beziehungsweise angebunden, gewesen sein. Die Wiener Zeitung zeigt in ihrer Dienstagsausgabe einen, von einem Arzt unterschriebenen Report. Das Formular stammt von jener Pflegebediensteten, die gegen das Spital eine anonyme Anzeige erstattet hat. Sie gab an, dass Patienten "wie wilde Tiere gehalten" würden. Am Sonntag zeigte der ORF ein Interview mit einer ehemaligen Patientin, die angab, stundenlang in einem Netzbett in ihrem eigenen Urin gelegen zu sein.

Weitere Belege zeigen, dass das Pflegepersonal über Formulare mit "Blanko-Unterschrift" verfüge, womit es auch ohne die explizite Anordnung durch einen Arzt Patienten fixieren könne. Dieser Beleg ist mit 6. Dezember datiert, neben der Unterschrift am Blattende steht aber der 5. Dezember.

Ärztliche Anordnung nötig

Fixierungen muss immer ein Arzt anordnen. Psychiatrie-Patienten werden festgebunden, wenn sie sich oder ihre Umgebung gefährden. Die Dauer der Fixierung hängt davon ab, wie lange es braucht, bis die Medikamente wirken, die dem Patienten zur Beruhigung verabreicht werden (siehe Wissen).

Beim Wiener Patientenanwalt sind über das Otto-Wagner-Spital 2007 bisher 17 Beschwerden eingelangt, vier betrafen das Unterbringungsgesetz im weitesten Sinn. Die erweiterte Beschränkung werde "von manchen Patienten als ein traumatisierendes Erlebnis geschildert", erzählt Beatrix Kaufmann, Patientenanwältin im Otto-Wagner-Spital dem STANDARD.

Auf die Formulare mit Blanko-Unterschriften angesprochen, erklärte die Direktorin des Krankenanstaltenverbunds (KAV), Susanne Herbek, am Montag dem STANDARD, dass diese Anschuldigungen gleich nach Bekanntwerden unangemeldet geprüft worden seien, man habe jedoch nichts derartiges gefunden. Es gebe lediglich vorgedruckte Belege "ohne Unterschrift", betont Herbek.

Auch Marianne Klicka (SPÖ), Vorsitzende des Wiener Gesundheitsausschusses, sagte am Montag, dass es "keinerlei Hinweise darauf" gebe, "dass die Anschuldigungen berechtigt sind". Klicka sieht auch keinen Personalmangel: In den vergangenen 15 Jahren habe man die Mitarbeiter auf jeder Station aufgestockt und gleichzeitig die Zahl der Betten um rund 80 reduziert.

In der "Zwickmühle" Patientenanwältin Kaufmann empfindet das nach zahlreichen Gesprächen mit dem Personal anders: "Viele Beschränkungen passieren aus Personalmangel" oder sie würden länger dauern als eigentlich notwendig wäre. "Die Diensthabenden befinden sich eben in einer Zwickmühle: Sie sollen ja auch Verletzungen vermeiden."

Die Gesundheitssprecherin der Wiener Grünen, Sigrid Pilz, warnte am Dienstag davor, die Anschuldigungen abzutun, weil sie anonym seien. Ingrid Korosec von der Wiener ÖVP kritisierte vor allem SP-Gesundheitsstadträtin Sonja Wehselys, weil diese "nur schweigt". Wehsely war bis Redaktionsschluss für eine Stellungnahme zur Causa nicht erreichbar. (Gudrun Springer/DER STANDARD – Printausgabe, 18.12.2007)