Moskau - Der Chef des staatlichen russischen
Stromkonzerns UES (Unified Energy System), Anatoli Tschubais, hat am
Montag den scheidenden Präsidenten Wladimir Putin wegen dessen Kritik
an den liberalen Reformen in den 1990er Jahren unerwartet scharf
angegriffen. Immerhin sei in dieser Zeit, die heute vom Staatschef
und den Medien als Epoche des Chaos und des Zerfalls dargestellt
werde, ein blutiger Bürgerkrieg verhindert worden, sagte der
Geldgeber der Oppositionspartei Liberale Union der Rechten Kräfte
(SPS) auf einem Parteitag in Moskau.
Putin hatte in einer Rede im November die Reformer der 90er Jahre
beschuldigt, "Revanche nehmen" und wieder ein "Regime der Oligarchen"
installieren zu wollen. Glücklicherweise hätten weder Putins
Vorgänger als Präsident, Boris Jelzin, noch der frühere
reformorientierte Bürgermeister von St. Petersburg und Putin-Mentor,
Anatoli Sobtschak, diese Erklärung gehört, sagte Tschubais, der
damals stellvertretender Regierungschef und zeitweise auch
Privatisierungsminister war. Sowohl Jelzin als auch Sobtschak sind
bereits verstorben.
"Das Leben zeigt, dass - wenn du deine Vorgänger bespuckst - deine
Nachfolger früher oder später das gleiche mit dir machen", erklärte
Tschubais an Putin gerichtet. Tschubais hatte sich in den vergangenen
Monaten mit Kritik an der russischen Regierung zurückgehalten. Er
hatte Putin aber bereits einmal 2005 für die "ungesunde"
Machtkonzentration im Kreml kritisiert. (APA)