Dr. Andrea Kdolsky war Anästhesistin in niederösterreichischen Spitälern. Angesichts dieser Karriere ist die Frage zu stellen, auf welchem Planeten sie lebt, wenn sie behauptet, dass ihr in Österreich keine Zwei-Klassen-Medizin bekannt ist. Es gibt sie selbstverständlich - schon strukturell in der Form der Sozialversicherung und der privaten Zusatzversicherung. Zum Glück für die Spitäler, die von den Gebühren der Zusatzversicherung einen Teil ihres Aufwandes abdecken.

Der Vorteil der Zusatzversicherung liegt vor allem in der freien Arztwahl. Man kann zum berühmten Spezialisten gehen, und er nimmt einen auch als Patienten. Man kann durchaus auch als Sozialversicherter vom berühmten Spezialisten im öffentlichen Spital behandelt werden, aber das ist eben nicht sicher. Das ist der "Zwei Klassen"-Aspekt, und wer das ändern will, muss das Prinzip der privaten Medizin abschaffen.

Ob man im Übrigen als Patient nicht manchmal beim jüngeren Oberarzt besser aufgehoben ist, der weiterkommen will und sich auf dem letzten Stand der Forschung hält, als bei manchen älteren Koryphäen, ist die Frage. Jedenfalls aber erhält in Österreich in aller Regel der Sozialversicherte die gleiche Behandlung, die gleichen Medikamente, die gleiche Chemotherapie, die gleichen Ultraschall-Untersuchungen , CTs, MRs usw. wie der Privatversicherte.

Die wahre Ungleichheit liegt anderswo: Es gibt Regionen und Länder, die ihre Spitäler besser ausstatten, und solche, die das aus den verschiedensten Gründen nicht tun. In manchen abgelegenen Gegenden gibt es an den Spitälern eben weniger Personal, dass sich auf bestimmten Eingriffe versteht, bzw. halten diese Krankenhäuser nicht so umfangreiche Notdienste aufrecht. Am Wochenende landen daher Patienten mit Koronarsyndrom häufig im Wiener AKH.

Der eigentliche Punkt, an dem die ganze "Zwei Klassen"-Debatte festmacht, ist die angebliche Bevorzugung von Privatpatienten bei Operationsterminen. In Akutfällen kommt so etwas sicher nicht vor. Es gibt sicher Fälle, wo für die Hüftoperation des Privatpatienten schneller ein Termin gefunden wird als für die des Sozialversicherten. Die große Mehrzahl der Ärzte wird allerdings versuchen, halbwegs einen Ausgleich zu finden. Die berühmten Kuverts für den schnellen OP-Termin kommen auch vor, sind aber nicht typisch.

Wenn nun anständige, engagierte Ärzte mit Reformanspruch wie der bekannte "Rebell" Werner Vogt von einem "System der Korruption" sprechen, so befällt einen leichtes Unbehagen. Vogt kennt das Krankenhaussystem Wiens sicher recht gut, und dort gibt es, wie in jeder Großorganisation, ungute Typen und Situationen. Sein Reformansatz läuft aber auf eine riskante "Trennung von privat und öffentlich" hinaus, der in der sozialpolitischen Theorie funktionieren mag, in der Realität sicher nicht.

Angenommen, es gibt nur noch öffentliche Spitäler für Sozialversicherte einerseits und Privatspitäler für privat versicherte Patienten. Die Trennung in eine sozialisierte Medizin, in der den Ärzten (und dem übrigen Krankenhauspersonal) weniger gezahlt wird, und eine Luxus-Medizin andererseits würde unweigerlich zu einer Qualitätsverschiebung führen, und man braucht nicht lange raten, in welche Richtung.

Auch Ärzte haben legitime ökonomische Interessen. Gesuchte Spezialisten werden in jedem Beruf überdurchschnittlich bezahlt. Wie total sozialisierte Medizin nicht funktioniert (und die Korruption dabei blüht), hat man im Kommunismus gesehen.