Hahn über den Eignungstest für das Medizinstudium: "Es zählt die nackte Leistung".

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Wer männlich ist und Eltern mit hoher Schulbildung hat, der ist bei den Eignungstests für das Medizinstudium tendenziell im Vorteil. Frauen schnitten bei allen Tests im Durchschnitt deutlich schlechter ab als ihre männlichen Kollegen, ebenso verlieren ÖsterreicherInnen gegenüber Deutschen. Das wusste man schon, seit die Ergebnisse der vergangenen Tests bekannt wurden – nur über das "Warum" herrschte Rätselraten.

Viele Fragen, keine Ergebnisse

Ist der Test unfair, sind Frauen weniger geeignet, sind die Schulen schuld? Psychologin Christiane Spiel untersuchte im Auftrag des Wissenschaftsministeriums die Hintergründe und befragte die Test-KandidatInnen mittels Fragebogen. Heute wurden die ersten Teilbereiche der Studie bei einer Pressekonferenz unter dem Titel "Warum Frauen schlechter abschneiden – die ersten Ergebnisse" präsentiert. Die Titelfrage wurde jedoch, soviel vorweg, nicht beantwortet. Was man zusätzlich zu den beunruhigenden, bereits bekannten Fakten, lieferte, waren teilweise nicht weniger beunruhigende Erklärungsversuche.

Sozial selektiv

Wieder einmal spielt dabei die soziale Selektivität des österreichischen Bildungssystems eine tragende Rolle. Auch die Analyse Spiels zeigt: Je höher die Schulbildung der Eltern ist, desto besser schnitten TeilnehmerInnen beim Test ab. Dieses Phänomen war auch in Deutschland zu beobachten, aber bei weitem nicht so ausgeprägt wie in Österreich. Auch die Geschlechterunterschiede sind bei den ÖsterreicherInnen viel deutlicher sichtbar als bei den Deutschen. Deutschland hat also, bei selben Testvoraussetzungen, bessere Ergebnisse. Warum das so ist? "Wie so häufig stellen Zahlen Fragen und geben nicht die Antworten", so die etwas resignierte Psychologin Spiel.

Mädchennoten zählen "anders"

"Das hat uns zu beschäftigen, und wir müssen es analysieren, um etwas unternehmen zu können", meinte Wissenschaftsminister Johannes Hahn. Um dann kryptisch hinzuzufügen, dass offenbar in den Schulen "Mädchen nach anderen Kriterien benotet würden als Burschen". Bei Mädchen zähle ein Einser oft "anders" als bei Burschen, nicht nur Leistungsfaktoren, sondern auch das soziale Verhalten dürften, so Hahn, bei der Notengebung für Schülerinnen eine Rolle spielen. Tatsächlich hätten also Burschen bei gleichen Noten mehr reines Wissen, das sich dann beim Test positiv auswirke. Spiel bestätigte ebenfalls, dass bei Schülerinnen wahrscheinlich das "Wohlverhalten" mit in die Noten hineinspiele, bei männlichen Schülern jedoch die reine Leistung zähle. "Wir haben es hier offenbar mit einer langfristigen Sozialisation im Bildungssystem zu tun".

"Die nackte Leistung"

Ist also tatsächlich eine "geschlechtssensible" Notengebung in der Schule schuld an verzerrten Ergebnissen? Oder liegt es vielleicht doch am aus der Schweiz importieren EMS-Test? Über den lässt Wissenschaftsminister Hahn jedoch nichts kommen: Er sei das beste objektive Mittel, um die Eignung festzustellen: "Da zählt die nackte Leistung". Er vermute, dass eher die Benotungspraxis der höheren Schulen untersucht werden müsse, so Hahn. Wer sich für das Medizinstudium interessiere, müsse außerdem früh genug informiert werden und Vorbereitungsmaterialien zur Verfügung gestellt bekommen. "Mit so einer Art der Prüfung", nämlichen einem stressigen, mehrstündigen Multiple-choice-Test, sei man im österreichischen Schulsystem "eben nicht so vertraut", bekräftigte Spiel.

Trotzdem werde man den Testautoren Modifikationen des Tests vorschlagen um die Fragen "fairer" zu gestalten, welche, das sei noch unklar. "Es soll ja nicht herauskommen, dass alle die gleichen Ergebnisse erreichen – aber niemand darf systematisch benachteiligt werden", so Spiel. (Anita Zielina, derStandard.at, 18. Dezember 2007)