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Zwei hoffnungsfrohe Demokraten im Wahlkampf: Barack Obama führt in den Umfragen in Iowa ...

Foto: AP //J. Scott Applewhite

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... vor Hillary Clinton, beide versuchen im mittelwestlichen Bundesstaat bei den Vorwahlen einen ersten Sieg zu landen.

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Während Barack Obama als Hoffnungsträger durchs verschneite Iowa zieht, sagt Hillary: "Ich bin geprüft, ich bin getestet, mit mir macht ihr nichts falsch."

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Das Erste, was Pamela Patrou auffällt an Barack Obama, ist, dass er nicht ganz so groß ist, wie sie immer dachte. Das sei ja oft so, der typische Effekt bei Politikern, die man bisher nur im Fernsehen sah. Dennoch, was für ein beeindruckender Mann. „Ein Menschenfreund, der kann das Land einen“, sagt Pamela Patrou. Ein bisschen erinnere er sie an Jimmy Carter, diesen ehrlichen Burschen. „Für mich ist Obama der neue Kennedy“, schaltet sich Jane Brady ein, um eine Generation älter als Patrou, nämlich jenseits der sechzig.

Der alte Kennedy, John F., schlug die junge Jane in seinen Bann, als er auf einem Heuwagen stehend zum Wahlvolk in Iowa sprach. Der Neue stellt sich auf kein Podest, keinen Wagen. Eine Hand lässig in der Hosentasche vergraben, läuft er auf und ab im kargen Saal des Gemeindezentrums von Manchester. Und zitiert Kennedy, den großen Hoffnungsträger. „Lasst uns nie aus Angst verhandeln. Aber lasst uns auch nie Angst haben zu verhandeln.“ Falls er Präsident wird, will Obama mit Amerikas Widersachern reden, den Iranern, Syrern, Kubanern – „mögen mich andere auch für naiv erklären.“

Stiche gegen Clinton

Wer diese anderen sind, sagt er nicht, braucht er auch nicht zu sagen, es weiß ja jeder. Hillary Clinton hält dem Junior-Senator aus Chicago ständig vor, dass er ein Grünschnabel sei, obendrein ein Utopist, zu unerfahren, um die Vereinigten Staaten durch schwieriges weltpolitisches Gelände zu führen. Er dreht den Spieß um, indem er süffisant bemerkt, all die Jahre in Washington nützten doch nichts, wenn man dann doch falsch entscheide, zum Beispiel im Falle Iraks. Wieder so ein Stich gegen seine Rivalin, die George W. Bush unkritisch in den Krieg gefolgt war. Und wieder beruft er sich auf berühmte Demokraten: „Die Partei Jeffersons und Roosevelts war immer dann am besten, wenn sie sich von Prinzipien leiten ließ und nicht von taktischen Spielchen.“

Obama wirkt dabei so locker und souverän, wie nur einer sein kann, für den es gut läuft. Monatelang lag er weit hinter Clinton, im November begann sich die Stimmung zu drehen, jetzt ist er plötzlich der Favorit, zumindest in Iowa. In Panik geraten, reagierte „Team Hillary“ mit persönlichen Angriffen. „Was soll das Gezänk?“, schimpft Pamela Patrou. „Was das Land braucht, ist ein bisschen mehr Würde.“

Vor allem, meint die Näherin, braucht das Land Reformen, an erster Stelle ein bezahlbares Gesundheitssystem. Ihre Tochter Jenna muss operiert werden, wegen Darmkrebs. Sie ist nicht krankenversichert, die hohen Prämien waren zu teuer. Nun muss sie alles aus eigener Tasche bezahlen. Eine halbe Million Dollar wird die Behandlung wohl kosten. Falls Jenna das durchstehe, sei sie bis an ihr Lebensende verschuldet, sagt Pamela. Am heftigsten applaudiert sie, als Obama ein Gesundheitsnetz skizziert, das die größten Risiken für alle abfedert. Ja, Hillary wolle das auch, aber bei ihm klinge es glaubwürdiger, sagt sie.

Jeff Sands, Anfang zwanzig, erzählt, dass er sich eigentlich als Republikaner versteht, „keine Abtreibung, Härte gegen illegale Einwanderer, in die Kirche gehen“. Dennoch, diesen Obama mit seiner offenen Art, den könnte man wählen. Jeffs Vater fährt Traktor, seine Mutter ist Sekretärin, zu zweit kommen sie auf rund 40.000 Dollar im Jahr. Ihr Sohn steht in einem Landgasthof am Herd, er würde gern studieren, aber das kostet pro Jahr mindestens 15.000 Dollar. Illusorisch. Obama macht ihm Hoffnung, ohne konkret zu werden: „Versprechen kann ich nur, dass ich euch zuhören werde, auch im Weißen Haus.“ Nur in einem Punkt legt er sich fest. Binnen 16 Monaten will er die US-Armee aus dem Irak abziehen.

Wie eine Direktorin

Von Manchester nach Shenandoah sind es vier Autostunden, quer durchs ebene, eiskalte Iowa. In Shenandoah, einem hübschen Städtchen, redet Hillary Clinton. Die örtliche Feuerwehr hat ihre Löschfahrzeuge extrablank geputzt, davor steht die Kandidatin. Auf einem Podest, wie eine Direktorin, die in der Aula redet.

Bei Obama dreht sich alles um Hoffnung, Clinton spricht von besseren Zeiten, „den Neunziger-, Neunziger-, Neunzigerjahren“, wie es ein Spötter hinterher zuspitzen wird. Die Wirtschaft brummte, der Haushalt schrieb schwarze Zahlen, im Oval Office regierte ein Clinton. Dann kam Bush, kürzte die Steuern zugunsten der Reichen, ruinierte die Staatsfinanzen, und nun müsse die Mittelklasse die Suppe auslöffeln. Sie selbst, ein Mädchen aus der Mitte Amerikas, sparsam und harter Arbeit verpflichtet, sei am besten geeignet, den Saustall auszumisten. „Ich bin geprüft, ich bin getestet, mit mir macht ihr nichts falsch.“ Hillary Clinton, die Nummer Sicher.

Eine Stimme ist ihr gewiss, die von Ray Shomake, einem Greis mit weißem Rauschebart. „Die Clintons haben schon einmal einen Schuldenberg abgetragen, die holen uns raus aus Bushs tiefem Loch.“ Das Lob des Alten gilt eigentlich Bill. Die frühere First Lady kann am ehesten mit dem Ruf ihres Gatten punkten, das ist der Tenor auf der Feuerwache. Die Buchhalterin Melissa Wellhausen, Baby Carson im Arm, den zögernden Ehemann Brad im Schlepptau, einen Bush-Wähler, sieht das ein wenig anders. Für sie zählt das Historische an Hillarys Kandidatur. „Vor 90 Jahren gab’s noch kein Frauenwahlrecht, nun haben wir die Chance, die erste Präsidentin zu wählen. Wenn das kein Motiv ist, was dann?“ (Frank Herrmann aus Manchester/DER STANDARD, Printausgabe, 19.12.2007)