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"Aber keiner weiß, was meine Aufgabe ist!"

Foto: APA/AP/Wakolbinger

Standard: Finden Sie, dass Sie genug laufen?

Drechsel: Ich habe nie behauptet, dass ich eine Laufmaschine bin. Aber es ist traurig für den österreichischen Fußball, wenn bei mir mehr rausschaut als bei anderen, die wesentlich mehr laufen als ich.

Standard: Ich habe Sie heuer öfters gesehen. Ihr läuferischer Minimalismus ist erstaunlich.

Drechsel: Aber keiner weiß, was meine Aufgabe ist! Am Tag vor dem Austria-Match hatte ich außerdem Fieber, das hat nicht einmal mein Trainer gewusst. Da kann man nicht so viel rennen. Trotzdem haben wir fast gewonnen.

Standard: Welche Aufgabe?

Drechsel: Die Spitzen mit Bällen versorgen. Teamchef Hickersberger hat mich gegen Sion beobachtet. Ich hab den klassischen Sechser gespielt, aber ich bin kein Defensivspieler.

Standard: Sie personifizieren ein allgemeines Problem. Sie sind erfolgreich, haben individuelle Stärken – und charakteristische Schwächen.

Drechsel: Warum soll ausgerechnet ich das ausbaden? Ich war daheim gegen Salzburg bei allen gefährlichen Situationen dabei, hätte fast noch drei Tore vorgelegt. Andere rennen auch nicht mehr und werden nicht kritisiert.

Standard: Stimmt nicht.

Drechsel: Vielleicht rennen sie in anderen Ligen auch nicht mehr? Ich hab noch nie im Ausland gespielt.

Standard: Warum nicht?

Drechsel: Ich war mit Ried 1998 Cupsieger, der Aufsteiger aus Italiens Serie B wollte mich. Aber ich hatte schon beim GAK unterschrieben.

Standard: Reagieren Sie auf Kritik empfindlich?

Drechsel: Nein, überhaupt nicht. Ich akzeptiere Kritik, wenn sie angebracht ist, wenn ich schlecht spiele. Ich bin ein sehr selbstkritischer Spieler, nicht leicht mit mir zufrieden. Ich gehe immer dort hin, wo es weh tut, vielleicht war ich deswegen so oft verletzt.

Standard: Haben Sie alles aus dem Talent gemacht?

Drechsel: Wahrscheinlich nicht. Es sind oft Verletzungen dazwischen gekommen.

Standard: Sind Sie zu wenig hart für den Profifußball?

Drechsel: Glaub ich nicht. Viele lassen sich auf die kniffligen Situationen gar nicht ein, in die ich dauernd komme. Vielleicht habe ich zu wenig oft zurückgezogen? Ich geb nicht gern einen Ball auf.

Standard: Warum kommt Ried im Europacup nicht weiter?

Drechsel: Gegen Sion hat uns die Klasse gefehlt.

Standard: Also alles. Tempo, Taktik, Härte, Spielwitz.

Drechsel: Kann sein. Aber das geht anderen Klubs genauso.

Standard: Sie wirken nicht austrainiert. Stimmt das?

Drechsel: Die Fakten wie Body-Maß-Index und Körperfettmessung zeigen, dass dieser Vorwurf nicht stimmt.

Standard: Andere Kicker müssen sich mehr Kritik gefallen lassen und sind nicht beleidigt.

Drechsel: Kann schon sein, über Fußballer darf sich offenbar jeder ein Urteil erlauben. Aber ich habe mich nie ins Team reklamiert. Das ist ein Problem der Medien, und es geht mir auf die Nerven. (DER STANDARD, Printausgabe, 19. Dezember 2007)