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Mit einer Projektion neben der "Langen Anna" auf Helgoland warnt Greenpeace vor dem Klimawandel.

Foto: AP/Bente Stachowske/Greenpeace

Trotz der Bemühungen, den globalen Klimawandel zu entschlüsseln, gibt es noch einige Widersprüche und Unsicherheiten. "Ein Hauptgrund dafür ist das Fehlen genauer, langfristig stabiler Klimabeobachtungen", sagt Andrea Steiner vom Wegener Zentrum für Klima und Globalen Wandel an der Uni Graz. Ein vielversprechendes Instrument zur Bewältigung dieses Problems ist die Radio-Okkultationsmethode, die Signale von globalen Navigationssatelliten zur Klimabeobachtung nutzt.

Der Vorteil dieser Methode "ist ihre Kombination von Genauigkeit, Langzeitstabilität, globaler Bedeckung und Allwettertauglichkeit", so die Klimaforscherin. "Radio-Okkultationsdaten haben dadurch eine bessere Qualität als alle bisher bei der Erforschung des Klimawandels eingesetzten Daten der freien Atmosphäre."

In einem vom Wissenschaftsfonds geförderten Projekt wollen die Grazer Forscher nun mittels Radio-Okkultation die optimalen Indikatoren des atmosphärischen Klimawandels speziell für die obere Troposphäre und die untere Stratosphäre herausfiltern und die Daten auswerten.

Warum sich das Augenmerk der Wissenschafter gerade auf diese Höhenregion richtet? "Weil die Veränderung der thermischen Struktur besonders in dieser Höhe - also zwischen fünf und 35 Kilometer - ein sehr sensitiver Indikator für den Klimawandel ist", erläutert Andrea Steiner. "Bislang basieren die meisten Untersuchungen allerdings auf Bodendaten." Da es kontinuierliche Radio-Okkultationsklimadaten erst seit 2002 gibt, greifen die Forscher auch auf "Re-Analysedaten" bis ins Jahr 1979 zurück, also auf ältere Daten, die mit neuen Methoden nochmals analysiert wurden. Zusätzlich werden Daten von globalen Klimamodellen verwendet, die die Klimaentwicklung bis 2050 abbilden.

Geeignete Parameter

Um Trends aus den Vorgängen in der Atmosphäre ableiten zu können, konzentriert man sich auf zur Klimabeobachtung besonders gut geeignete Parameter der Radio-Okkultation: insbesondere die Temperatur, die Refraktivität - eine Größe, die im Wesentlichen die Luftdichte wiedergibt - und die Höhenveränderung von Druckschichten. "Ändert sich das Klima, ist auch mit einer Veränderung der thermodynamischen Struktur der Atmosphäre zu rechnen", erklärt Steiner. "Konkret erwartet man sich eine Erwärmung der unteren Troposphäre, was auch zu deren Ausdehnung führt." Durch die Ausdehnung der Troposphäre wiederum verschieben sich die Druckschichten nach oben, und in der Stratosphäre sollte sich eine Abkühlung ergeben.

Konnten diese Erwartungen durch die neuen Datenanalysen am Wegener Zentrum bestätigt werden? "Da es Radio-Okkultationsdaten erst kurz gibt, ist es jetzt noch zu früh, um daraus Trends ablesen zu können", sagt Steiner. "Um über Trends sprechen zu können, sollte man Daten über mindestens zehn Jahre haben".

Dennoch lässt sich bereits jetzt ein höchst interessanter Unterschied zwischen den Radio-Okkultationsdaten und anderen Atmosphärenmessdaten erkennen: Während die Daten von Satellitenmessungen im Mikrowellenbereich (MSU-Daten) einen Temperaturabfall von -0,4 Grad über die letzten fünf Jahre in zehn bis 30 Kilometer Höhe über den Tropen zeigen, lässt sich ein solcher Trend durch die Radio-Okkultationsdaten nicht bestätigen. Was bedeutet das? - Etwa, dass es für den Klimawandel doch keine eindeutigen wissenschaftlichen Belege gibt? "Das mit Sicherheit nicht!", nimmt Andrea Steiner jeglicher Klima-Beschwichtigungspolitik den Wind aus den Segeln.

Eine Erklärung dafür wäre, so Steiner, "dass die Radio-Okkultationsdaten aufgrund ihrer besseren Höhenauflösung die Erwärmung der oberen Troposphäre - die in den Tropen bis in 17 Kilometer Höhe reicht - und die Abkühlung der unteren Stratosphäre einfach besser erfassen". Die abweichenden Messergebnisse der Grazer sind nicht zuletzt deshalb von weitreichender Bedeutung, weil der MSU-Datensatz in der aktuellen Klimadebatte nach wie vor eine tragende Rolle spielt. (grido/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19. 12. 2007)