Bern - Die EU hat gegenüber Serbien faktisch die Verknüpfung von Fortschritten bei den Beziehungen mit einer Zusammenarbeit mit dem UNO-Tribunal in Den Haag preisgegeben. Das kritisierte der Schweizer Experte Victor Mauer von der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik der ETH Zürich (Eidgenössische Technische Hochschule) gegenüber der Nachrichtenagentur sda.

Die neue Formel laute: Ein Nachgeben Serbiens in der Kosovo-Frage werde die serbische EU-Perspektive deutlich verbessern. Es sei fraglich, ob diese Rechnung aufgehe. Die serbische Regierung habe schon früher auf Avancen der EU kaum reagiert. Zudem untergrabe die EU ihre eigene Glaubwürdigkeit.

EU-Mitgliedschaft

Mittel- bis langfristig betrachtet wird man in Serbien mangels anderer außenpolitischer Alternativen und der regionalpolitischen Dynamik weder auf eine EU-Mitgliedschaft verzichten wollen noch darum herumkommen, sagt Mauer. Bereits heute befürworte eine Mehrheit der Serben einen EU- Beitritt. Ferner habe das Kosovo gerade für die jüngere Generation nicht mehr denselben Stellenwert wie für die ältere.

Die EU wäre deshalb gut beraten gewesen, an der Forderung der Auslieferung von Radovan Karadzic und Ratko Mladic festzuhalten. Ihre Politik gegenüber allen Beitrittskandidaten - in Ost- und Mitteleuropa und zuletzt in Kroatien - seit Mitte der 1990er Jahre sei gerade wegen der strikten Bedingungen erfolgreich gewesen. Beispiele seien die Menschenrechte und der Minderheitenschutz.

Bärendienst

So habe Kroatien lange gezögert, den als Kriegsverbrecher gesuchten Ex-General Ante Gotovina preiszugeben. Erst Ende 2005 wurde Gotovina auf Teneriffa verhaftet und der Weg für Beitrittsverhandlungen war frei.

Mauer lobte die Politik der abtretenden UNO-Chefanklägerin Carla del Ponte, die stets eine Zusammenarbeit mit dem UNO-Tribunal mit EU-Beitrittsverhandlungen verknüpft hatte, als klug. "Leider haben die EU und auch die USA diese Politik stets nur halbherzig mitgetragen", sagt Mauer. Dem Völkerrecht sei damit ein Bärendienst erwiesen worden. (APA/sda)