Bei Sotheby's erteilte Mark Poltimore Goncharowas "Glockenblumen" bei 6,28 Millionen Dollar den Zuschlag.

Foto: Sotheby's

Christie's reichte jetzt das Fabergé-Ei für 18,49 Millionen Dollar weiter.

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Einerlei. Der Markt für russische Kunst boomt und mit ihm der für Fälschungen.

Der Profit wird jedenfalls gerecht verteilt. Auktionshäuser und Galerien haben eine zahlungskräftige Klientel gewonnen. Wer will da schon wissen, woher das bisweilen im Übermaß eingesetzte Kapital stammt und welcher Anlass hinter einem Kauf steht. Selbst in Wien mehren sich die Anekdoten über Geld um sich werfende Russen.

Bausch-und-Bogen-Erwerbungen finden aber in London statt. Im September hätte die 450 Positionen umfassende Rostropowitsch-Kollektion bei Sotheby's zur Auktion kommen sollen. Stattdessen wechselte sie wenige Tage davor über einen Private Sale in den Besitz von Alischer Usmanov, Milliardär und Präsident der Gasprom-Investholding. Die Kaufsumme ist nicht bekannt, soll aber deutlich über den ursprünglich geschätzten 28 Millionen Euro liegen.

Im November verlautbarte London neuerlich Rekordumsätze. Sotheby's (26./27. 11.) bilanzierte nach drei Sitzungen mit umgerechnet 79,89 Millionen Dollar und nannte einen Jahresumsatz von 180,86 Millionen Dollar (125,71 Mio Euro). Noch 2001 lag dieser Wert bei schlappen 8,38 Millionen Euro, 2003 bei 19,55 Millionen. Bei Kontrahent Christie's (26. bis 30.11.) lief es nicht weniger eindrucksvoll, den Weltrekord für ein russisches Gemälde (Konstantin Somov, Regenbogen, 7,32 Mio. $, Juni 07) hält man ebenso wie für russisches Kunsthandwerk (Fabergé-Ei, 18,49 Mio. $, November 07).

Die Nachfrage für russische Kunst hat international einen Höhepunkt erreicht. Wenn da mal keine Bruchlandung droht. Der Aufschwung wird von Plagen begleitet, von vermuteten und nachweislich falschen Expertisen und Fälschungen sowieso. Davor ist derzeit niemand gefeit. Auch Sotheby's nicht. 2004, so ein Fernsehbericht vergangene Woche, erkannte man einen falschen Schischkin erst kurz vor der Auktion und zog das Angebot zurück. Und im Dorotheum?

1999 und 2000 unterhielt man noch eine eigene Sparte, die 2001 deutlich vor dem Hype stillgelegt wurde. Möglicherweise hat man unwissentlich Schlimmeres verhindert. Seit damals gelangt russische Kunst über die zuordenbaren Sparten auf den Markt. Auf Anfrage erklärt Christl Wolf, Expertin für Gemälde des 19. Jahrhunderts das Prozedere: "Geht es um einen prominenten Namen und hohe Schätzwerte, holen wir uns eine Rückversicherung, ein Gutachten oder eine Auskunft von der Tretjakow-Galerie."

Ist das von Nutzen? Vergangene Woche kam in der 3sat-Sendung "Kulturzeit" ("Clevere Kunst-Mafia. Der Handel mit russischen Fälschungen floriert") ein renommierter, von der Kunst-Mafia hinters Licht geführter Experte zu Wort: "Die neureichen Leute haben von Kunst keinen blassen Schimmer", erklärt der für die Tretjakow-Galerie tätige Wladimir Petrow, "sie überlassen alles Experten." Und die täten sich manchmal schwer, Restaurierungen von Verfälschungen zu unterscheiden. 200 seiner Expertisen zog der Kunsthistoriker bislang zurück und kann sich nur mehr in Begleitschutz auf Moskaus Straßen bewegen.

Wie man im Dorotheum Pannen vermeidet? Über eine "Vertrauensmittelsperson in Deutschland mit guten Kontakten nach Russland", erklärt Wolf, "dort, wo das zu aufwändig wäre, lassen wir uns nicht auf eine Namensgebung ein." "Russischer Künstler, zyrillisch signiert", steht dann im Katalog. Der Fall in der Salzburger Niederlassung ist ihr nicht bekannt.

Anfang April wurde dort nach Recherchen des Standard ein Gemälde Ilja Repins zurückgezogen. Besucher des Dorotheums hatten das Gemälde Der Besuch beanstandet, weil die zugehörige russische Expertise eine Autorenschaft des Künstlers ausschloss. Ein Übersetzungsfehler? Selbst die Bezeichnung Umkreis hätte noch einen zu großen Interpretationsspielraum gelassen.

Kunstdschungel In ihrem Schreiben bezeichnete Galina Tschurak, Abteilungschefin der Tretjakow-Galerie sowohl die Signatur als auch die Datumsangabe (1877) als Fälschungen. Zur gleichen Zeit hatte auch das deutsche Auktionshaus Dr. Fischer eine Repin-Expertise revidieren müssen. In Deutschland ist der Aufschwung enorm, keine Auktion mit russischer Kunst geht ohne Rekordumsätze über die Bühne. Gleichzeitig kämpft man mit erwähnten Plagen, schon weil der deutsche Markt über die Vielzahl kleiner Auktionshäuser perfekt instrumentalisiert werden konnte. So ist etwa die Anzahl der Käufe seitens des russischen Handels beim Münchner Auktionshaus Hampel besonders hoch. Der Bundesverband deutscher Kunstversteigerer (BDK) reagierte jetzt in einer Aussendung. Mit Unbehagen hätte man registriert, "dass in den vergangenen Monaten massenhaft Fälschungen von angeblichen Werken russischer Avantgarde auf dem deutschen Markt aufgetaucht sind. Es gehört zu den für Versteigerer geltenden Sorgfaltspflichten, die Falsifikate als solche zu entlarven und das Publikum vor ihrem Erwerb zu schützen."

Im Rahmen des genannten TV-Beitrages kam ein seit Jahren "im Dickicht des russischen Kunstdschungels" recherchierender Ermittler zu Wort: Mit Fälschungen lasse sich mehr Geld verdienen, als mit Drogen. In der Regel seien Käufer und Verkäufer identisch, und der ganze Deal diene lediglich der Geldwäsche.

Rechnungen von europäischen Auktionshäusern adeln eben nicht nur die Kunst. Diese werden in Russland der Bank vorgelegt und in Pfund, Franken oder Euro ausbezahlt. "So fließt das Rubelvermögen völlig legal ins Ausland", erklärte Ernst Schöller. Der erfahrene Kriminalist des Landeskriminalamts Stuttgart sondierte akribisch, welche Informationen nun an die Öffentlichkeit gelangen sollten und welche nicht. Mehrmals, erzählt Redakteurin Nicolette Feiler-Thull, mussten die Aufnahmen auf Wunsch des Kriminalisten unterbrochen werden. Vorsicht scheint geboten, nicht nur aus ermittlungstechnischen Gründen. Drohanrufe, das wissen auch englische Journalisten zu berichten, sind noch das Harmloseste. Es war dies nicht die einzige Hürde bei der Produktion des Beitrages. Längst vereinbarte Termine – etwa mit dem Auktionshaus Hampel – wurden wegen Beutekunst-Problemen und mit im Zusammenhang mit der Thematik "fadenscheinig wirkenden Erklärungen abgesagt".

Resümee der ZDF-Journalistin: Natürlich sei die Kamera erschwerend gewesen, aber generell würden "die Leute alles wissen, aber nichts sagen wollen". Eine Erfahrung, die sie nun mit Kollegen der Printbranche teilen darf. Die großen Auktionshäuser wie Sotheby's reagieren derzeit übersensibel. Auch dem Standard wurde ein bereits zugesagtes Interview abgesagt. Gegenüber dem Magazin Monopol hatte sich Mark Poltimore noch frei geäußert: "Bei russischen Gemälden sind wir der Meinung, dass sie alle gefälscht sind – bis ihre Echtheit bewiesen ist", wird Sotheby's Deputy Chairman in der November-Ausgabe zitiert. (Tatjana Vacano / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.12.2007)