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Die Zeiten, als Männer am Weihnachtsmorgen in den Forst geschickt wurden, sind natürlich vorbei.

Foto: APA/dpa/dpaweb/Rainer Jensen
Die Zeiten, als Männer am Weihnachtsmorgen von ihren Frauen und Kindsmüttern Wetterfleck und Fuchsschwanz gereicht bekamen und mit dem Auftrag, heuer aber einen wirklich schönen Baum und nicht so ein krummes Ding wie im Vorjahr heimzubringen, in den Forst geschickt wurden, sind natürlich vorbei.

Nun ja, fast. Wir könnten jetzt an dieser Stelle freilich den einen oder anderen uns bekannten Weihnachtsbaumwilderer outen, das Fest der Liebe verbietet jedoch derlei unsolidarische Gehässigkeiten. Wir kennen aber die Stellen oben am Berg, wo heimlich noch geschlägert wird, zum Beispiel von einem, der das schon seit fünf, sechs Jahrzehnten so hält.

In seinen kräftigsten Zeiten erklomm er die höchsten Fichten und Tannen, um deren Wipfel zu ernten. Denn die obersten zwei, drei Meter alter Nadelgewächse sind, wie die Eingeweihten wissen, das Nonplusultra im Christbaumsegment. Doch wenden wir uns sicherheitshalber den legalen Varianten dieser gesegneten Bäumchen zu.

Bis zu 50 Meter hoch

Eine davon tauchte in den frühen 70er-Jahren erstmals hierzulande zwischen den Nordmanntannen der Christbaumhändler auf und war exotisch silbrig-blau benadelt. Die sogenannte Silber- oder Blaufichte ist tatsächlich eine Stechfichte (Picea pungens), und diesen Namen trägt sie völlig zu Recht. Sie stammt ursprünglich aus den fernen Rocky Mountains und wird dort immerhin bis zu 50 Meter hoch.

Über die Herausforderungen, die derlei Gewächse für ambitionierte Wipfelräuber darstellen, werden wir hier nicht spekulieren, doch auch die kultivierten Varianten der Stechfichte sind nicht ohne Tücke. Denn irgendwann einmal kam eine weitere Mode auf, und zwar die des lebenden Christbaums.

Niedliche kleine Silberfichten zierten in Kübeln immergrün die weihnachtlich durchwehten Stuben, und sobald sie kahlgefressen und von Kugeln und Glitzerzeug befreit waren, reichten ökologisch bewusste Frauen und Kindsmütter ihren Männern den Spaten und schickten sie in die Gärten, um die hübschen kleinen Nadelträger wieder der Natur zu überantworten. Wer wird denn einen Baum ermorden?

Kräftiger Wuchs

Haben wir erwähnt, dass die Silberfichte die Neigung hat, bis zu 50 Meter hoch zu werden? Nun, seit den 70er-Jahren sind einige Wachstumsperioden ins Land gezogen, und so manche vormals vom weihnachtlichen Kerzenschimmer erleuchtete Stube verfinsterte sich über die Jahre, weil strategisch unklug eingegrabene Ex-Weihnachtsbäumchen ihr Überleben durch kräftigen Wuchs dankten.

Vorbei war's mit den hübschen Blümchen in den Rabatten. Rocky-Mountain-Flair hielt Einzug in den Vorgärten. Doch alle Jahre wieder naht der Moment der Errettung. Man muss ihn nur wahrnehmen. Und so ein frisch gefällter Baum aus dem eigenen Garten erfreut gleich zwei Mal: kurz im Schmucke über die Weihnachtsfeiertage - und lang über die Jahre, wenn man endlich, endlich von ihm befreit ist ... (Ute Woltron/Der Standard/rondo/21/12/2007)