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Dekoration eines Einkaufszentrums im weihnachtlichen Singapur.

Foto: REUTERS/STRINGER/SINGAPORE

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An der Weihnachtsbeleuchtung erfreuen sich in Singapur Hindus, Muslime wie Konsumenten aller Länder.

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Grafik: DER STANDARD

Ein malaysischer Landzipfel, ursprünglich nichts als ein sumpfiger Mangrovenwald voller Moskitos, Krokodile und Schlangen, durch einen Irrtum die Löwenstadt genannt, hat heute gut brüllen: Singapur ist eine der reichsten Metropolen überhaupt, ein wichtiges Handelszentrum, ein Welthafen, die sauberste und sicherste Stadt der Welt (die Strafe für das Ausspucken eines Kaugummis beträgt 10.000 Singapurdollar, also rund 5000 Euro) und ein faszinierendes Völkergemisch.

Singapur, eigentlich eine große und über 60 kleine Inseln, ganze 700 Quadratkilometer, nur durch Brücken mit Malaysia verbunden, erhielt den Namen von einem kurzsichtigen oder verwirrten Prinzen aus Sumatra, der dort irgendwann im 14. Jahrhundert einen Löwen gesehen haben wollte - Steppentiere verirren sich nicht in diese Weltgegend, schon gar nicht in Mangrovensümpfe - und dem keiner zu widersprechen wagte.

Den Reichtum verdankt man Sir Stamford Raffles, der Anfang des 19. Jahrhunderts für die East India Company die Welt bereiste, nach nützlichen Häfen Ausschau hielt, hier einen fand, den er für ausbaufähig hielt, und das Gebiet einem Sultan um 60.000 spanische Dollar abkaufte - was noch heute jeden Singapurianer vor Neid aufstöhnen lässt.

"Singapurianer" übrigens, nicht etwa "Singapurer", denn man ist stolz, Teil einer Idee zu sein, die sich vielleicht als kommunistischer Kapitalismus beschreiben lässt: Jeder soll die Chance haben, möglichst viel zu verdienen und dann sein Geld so schnell wie möglich auszugeben. Unsere Vorstellung von Gegensätzen existiert hier nicht. In Singapur weiß man sie zu vereinen.

Die Singapurianer sind auf eine durchaus sympathische Art unverfroren - bei ständig 25 bis 30 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von fast 100 Prozent ist es auch nicht leicht, verfroren zu sein, außer in den berühmt unterkühlten Gebäuden. Es gibt jedenfalls weder Bodenschätze noch Anbaugebiete, keinen Platz und nicht einmal frisches Wasser (wird aus Malaysia geholt), und trotzdem haben sie es geschafft, einen erfolgreichen, weltbekannten und reichen Stadtstaat aufzubauen, mit der größten Ölraffinerie der Welt (ohne selbst Öl zu besitzen), mit 4,5 Millionen meist wohlhabenden Einwohnern und fast 450.000 Millionären - das gibt es sonst nirgends auf der Welt. Unverfroren zeigt man allen, wie man Geld machen und was man mit Geld alles machen kann.

Man lässt zum Beispiel eine Skyline aus dem Meer aufragen, die ständig wächst, nicht nur in die Höhe, sondern auch ins Meer hinaus, wo man Sand aufschüttet, ihn sich zehn Jahre setzen lässt und als einen der teuersten Baugründe der Welt verkauft: Gerade entsteht ein Casinoviertel mit riesigem Vergnügungspark und Riesenrad, dem Sky Flyer, am Hafen an die Stadt.

Man schützt sich vor der feuchten Hitze mit unterirdisch verbundenen Shopping-Malls, die man heftig klimatisiert. Wie auch alle Lokale, Hotels und die Metro. Und so scheint der Singapurianer nur an die Oberfläche, auf die Straße zu kommen, um sich hie und da ein wenig aufzuwärmen: Die Gehsteige, so überhaupt vorhanden, sind untertags meistens leer, nur ab und an irrt ein ahnungsloser Tourist, verzweifelt nach einem Übergang suchend, die Straßen entlang.

Man feiert Weihnachten, auch wenn man Buddhist, Hindu, Muslim oder Agnostiker ist: Man überfüllt die Einkaufsstraßen mit Lichterwolken, Christbäumen, Engeln und Märchenfiguren (das heurige Thema: "Der Nussknacker"), stellt Winterlandschaften in Shopping-Malls und beschenkt einander, einfach weil man gerne feiert. Und gerne Geld verdient. Und ausgibt. Wenn man sich abends von den dichtgedrängten Menschenmassen in den Shopping-Malls oder in der Orchard Road weiterschieben lässt, findet man den bissigen Satz "Singapur ist das erste Shoppingcenter mit Sitz in der UNO" recht stimmig.

Aber Singapur ist auch grün, üppig, voller Feng-Shui (=Wind und Wasser), das beim Bau auch der größten Luxushotels berücksichtigt wird, im Alltag sowieso. Die Stadt ist voller überraschender Ecken und Winkel, die man am besten mit Taxis erreicht, die zwar billig, aber abends extrem selten sind. Taxiwarteschlangen reichen zwischen sechs Uhr abends und Mitternacht viele dutzende Menschen weit. Little India mit Hindutempel, Chinatown, der Buddhatempel mit Zahnreliquie und das muslimische Viertel Kampong Glam mit Moschee und ehemaligem Sultanspalast, heute ein Volkskundemuseum, lehnen sich friedlich aneinander. Diese Viertel mit ihren engen Gassen und Arkadengeschäften sind zwar nicht klimatisiert, aber sauber und gepflegt, frisch bemalt und wohlerzogen bevölkert. Nicht versäumen: die Wet-Markets, wo die Einheimischen kaufen, was man so täglich braucht, vom Hosenknopf bis zum lebenden Frosch.

Singapur ist nicht billig. Aber es ist seinen Preis wert. Wer sich bei livrierten Jünglingen einen Singapur Sling im wieder perfekt renovierten Nostalgiehotel Raffles bestellt ("Very hot today, Madame, isn't it?") oder im Ritz Carlton in seiner Badewanne plätschernd - auf Wunsch vom Butler eingelassen - die Skyline dieser Traumstadt zwischen Europa und Asien (vulgo: "Asien für Einsteiger") auf sich einglitzern lässt, weiß endlich, wo Luxus zu Hause ist. (Elisabeth Hewson/DER STANDARD/RONDO/21.12.2007)