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Es braucht "jemand, der das ORF-Gesicht in dem Bundesland ist": ORF-General Alexander Wrabetz.

Foto: APA/Roland Schlager
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz will ab 2011 auf zwei von sechs Direktoren verzichten. Er will die Anstalt bis dahin grundlegend neu organisieren, sagt er im STANDARD-Interview. Der ORF-Chef erwartet Einschränkungen der Onlinewerbung für mehr TV-Werbeminuten, was der Zeitungsverband ablehnt. Wrabetz erwägt, TW1 zu verkaufen.

Dem VP-Mediensprecher Franz Morak sagt der General eine "verbohrte Anti-ORF-Haltung" nach. Die Heftigkeit der ORF-Debatte in Österreich sieht er als "spezielle Form der Zuneigung".

STANDARD: Wieviel von der nun beschlossenen Gebührenerhöhung fließt direkt in ORF-Gehälter und ihre Erhöhung?

Wrabetz: Gar nichts.

STANDARD: Im Publikumsrat vor wenigen Tagen haben Sie noch erklärt: Wenn eine Gehaltserhöhung um 2,5 Prozent kommt, dann fließt die Hälfte der Gebührenerhöhung direkt ins Personal. Nun haben wir 1,9 Prozent höhere Gehälter.

Wrabetz: Der Personalaufwand wird im kommenden Jahr nur um vier Millionen steigen. Der Großteil der Valorisierungskosten wird durch andere Einsparungsmaßnahmen, darunter auch Personalmaßnahmen abgefangen. Ich bin froh, dass ich den Betriebsrat überzeugen konnte, sodass wir unter allen Abschlüssen des Landes und geringfügig unter der Inflationsrate abgeschlossen haben.

STANDARD: In den vergangenen Wochen hatte man das Gefühl, dass finanzielle Wahrheiten im ORF sehr dehnbar sind: Erst brauchen Sie eine Nulllohnrunde, um vernünftig zu wirtschaften, dann geht's auch so. Erst prognostizieren Sie ein Minus von 15 Millionen für 2010, dann geht sich's binnen Tagen doch wieder ausgeglichen aus.

Wrabetz: Bei dem kleinen Minus für 2010 hatte ich mir ja etwas überlegt: Neben großen Sonderereignissen im Jahr 2010 spricht mit Blick auf die EU etwas dafür, die Reserven heranzuziehen. Da meine Mehrheit im Stiftungsrat für die Gebührenerhöhung nicht allzu groß war und Stiftungsräte das gewünscht haben, kann man sich natürlich Ziele noch ambitionierter setzen. Dahinter stehen konkrete Maßnahmen, nichts davon ist aus den Fingern gesogen. Aber in Summe geht es für das 900-Millionen-Euro-Unternehmen um Veränderungen von ein bis zwei Prozent. In keinem anderen Unternehmen dieser Größenordnung wären derartige Maßnahmen ein Thema, da kaum ein Unternehmen eine Punktlandung auf der schwarzen Null erreichen muss.

STANDARD: Sie haben die bevorstehende Prüfung durch die EU angesprochen, ob der ORF seine Gebühren einsetzt, um den Wettbewerb zu verzerren. Sie wollten bis Jahresende ein erstes Instrument zur Messung ihres öffentlich-rechtlichen Mehrwerts liefern, der dabei ja eine Rolle spielen wird.

Wrabetz: Das haben wir den Stiftungsräten auch vorgelegt. Darunter soll man sich keine große Maschine vorstellen, das sind Darstellungsformen unserer Leistungen. Zum Beispiel bei den Landesstudios sind wir schon sehr konkret.

STANDARD: Wie wird denn Ihr Unternehmen am Ende dieser EU-Prüfung aussehen?

Wrabetz: Aus schwierigen Phasen geht man gestärkt hervor, das erwarte ich auch für diesen Fall. Dann sind verschiedene kritisierte Bereiche klargestellt, dann haben wir auf absehbare Jahre eine stabile Ausgangsposition. Wenn die EU bei uns die gleichen Maßstäbe anlegt wie in Deutschland, England, anderen Ländern, brauchen wir uns als ORF nicht zu fürchten.

STANDARD: Das heißt, Sie erwarten keine Veränderungen dadurch?

Wrabetz: Sicher wird das eine oder andere mit der EU zu diskutieren sein und es kann auch zur einen oder anderen Änderung kommen. Aber ich rechne nicht mit Auswirkungen im Kerngeschäft. Wir müssen diese Prüfung auch extrem ernst nehmen. Weil das Kapazität binden wird, wollte ich die großen Richtungsentscheidungen im ORF auch vor deren Beginn hinter mich bringen.

STANDARD: ORF On wird nicht bleiben können, wie es ist.

Wrabetz: Was dürfen wir im Onlinebereich tun, wie dürfen wir es finanzieren: Darüber wird es sicher eine Diskussion geben. Wir müssen unsere Handlungsfähigkeit behalten. Möglicherweise wird es aber zu gewissen, auch von uns anzubietenden Einschränkungen kommen.

STANDARD: Welche?

Wrabetz: Ich möchte nicht die EU auf neue Ideen bringen. Warten wir ab, was kommt.

STANDARD: Wäre es eine Erleichterung gegenüber der EU, wenn Sie den Zeitungsverlegern ihren Wunsch erfüllen und auf Onlinewerbung verzichten?

Wrabetz: Das werde ich nicht anbieten. Aber ich glaube, dass bestimmte Regelungen und ein bestimmtes Einvernehmen mit den österreichischen Beschwerdeführern in einem solchen Verfahren hilfreich sein kann.

STANDARD: Einschränkungen können Sie sich vorstellen?

Wrabetz: Ja, das kann ich mir schon vorstellen.

STANDARD: Im Tausch für mehr Fernsehwerbung oder auch gemeinsame Werbeblöcke der ORF-Regionalradios?

Wrabetz: Das Thema Regionalradioring werde ich nicht angreifen. Aber im Bereich der klassischen Fernsehwerbung könnte man sich sicher mehr bewegen.

STANDARD: Ein paar Minuten mehr...

Wrabetz: Ja. Keine substanzielle Erhöhung, aber ein paar Minuten mehr. Um dem Preisdruck auch über die Menge begegnen zu können.

STANDARD: In der Kernzone können Sie dem Publikum ohnehin nicht mehr Werbung zumuten.

Wrabetz: Aber wir haben auch in manchen Randzonen wesentlich höhere Reichweiten als die Werbefenster in ihrer Primetime.

STANDARD: Der ORF hat im Europavergleich relativ viel Werbezeit mit 42 Minuten pro Tag und Kanal.

Wrabetz: Wir liegen relativ hoch, ja, aber das ist aus der besonderen Situation zu erklären.

STANDARD: Haben sich die Verleger schon geäußert zu mehr Fernsehwerbung?

Wrabetz: Dazu kein Kommentar, das müssen sie die Verleger fragen.

Weiter: Wrabetz zum Strukturkonzept 2015, weniger Direktoren, die Landesstudios und einen neuen ORF-Kollektivvertrag.

STANDARD: Verlegerpräsident Horst Pirker lehnt mehr TV-Werbung kategorisch ab (siehe VÖZ-Präsident lehnt Tauschgeschäft mit ORF ab). Sie haben ein Strukturkonzept 2015 angekündigt. Wie soll der ORF dann aussehen?

Wrabetz: Anders.

STANDARD: Geht's ein bisschen präziser? Gibt es noch eine gewaltige Technikdirektion im Haus? Gibt es noch 4300 Mitarbeiter? Sitzt der ORF noch auf dem Küniglberg oder wird anderswo gebaut? Hat er noch soviele Fernseh-, Radio- und Onlineangebote? Nur so als Beispiele.

Wrabetz: Wir sollten ein Multimediaunternehmen bleiben und alle wesentlichen elektronischen Medien bespielen. Unter zwei Vollprogrammen im Fernsehen ist das nicht sinnvoll. Aber das Fernsehverhalten wird sich grundlegend verändern hin zum nicht zeitgebundenen Konsum. Die Reichweite unserer Inhalte muss dennoch hoch bleiben. Immer weniger sehen sehr viel fern. Sich nur auf diese Gruppe – also den Tagesmarktanteil – zu konzentrieren, lässt die Mehrheit der Bevölkerung außer acht, die weniger fernsieht.

STANDARD: Was heißt das für das Unternehmen ORF?

Wrabetz: Ich glaube nicht, dass wir dann noch traditionell nach Medien aufgestellt sein werden wie heute mit zwei TV-Direktoren für Information und für Programm, einem Radiodirektor, einem Onlinedirektor. Man muss sich Modelle anderer öffentlich-rechtlicher Medien genau anschauen: Dort bedient ein Informationsbereich, ein Unterhaltungsbereich usw. verschiedene Medien.

STANDARD: Das heißt, man könnte ein paar der heute sechs ORF-Direktoren sparen.

Wrabetz: Man könnte auf das gesetzliche Minimum von vier gehen. Ab der nächsten ORF-Wahl 2011, aber das entscheide nicht alleine ich.

STANDARD: Der ORF hat heute offenbar ein um 25 Prozent zu großes mittleres Management: Sie haben angekündigt, ein Viertel der Jobs dort zu streichen.

Wrabetz: Nein, das hatte in der Vergangenheit eine große Berechtigung und ist eine Reaktion auf die Veränderungen von Technologie und Markt. Bisher hat jeder Bereich für sich Rechte geklärt, im digitalen Workflow braucht es ein zentrales Rechtemanagement für Audio, Video, Online und andere Nutzungen. Archive sind nach den großen Produkten organisiert, digital gibt es da ganz andere Möglichkeiten. Und bei einer ganzen Fülle von Pensionierungen stellt sich die Frage, wie stellt man das neu auf.

STANDARD: Wieviele weniger Leute werden es dadurch in den nächsten fünf Jahren sein?

Wrabetz: In drei Jahren 250.

STANDARD: Landesstudios braucht man in der heutigen Struktur? Mit neun Landesdirektoren?

Wrabetz: Die physische Präsenz ist wichtig. Die Funktion des Landesdirektors ist wichtig. Es geht darum, mit den Ländern regionale Initiativen zu entwickeln. Dazu gehört eine gewisse Struktur und jemand, der das ORF-Gesicht in dem jeweiligen Bundesland ist. Die in Wien oft gestellte Frage 'brauchen wir das?' relativiert sich stark, wenn man in den Bundesländern unterwegs ist.

STANDARD: ...um bei den Landeshauptmännern und –frauen für eine Gebührenerhöhung zu werben.

Wrabetz: Nein, z. B. bei Tagen der offenen Tür in Landesstudios oder Kulturveranstaltungen und vielem mehr.

STANDARD: Unter Ihren Sparplänen findet sich auch ein neuer ORF-Kollektivvertrag. Warum denn schon wieder, Sie haben doch erst 2003 einen abgeschlossen und noch dieses Frühjahr erklärt: Die Pensionsproblematik ist gelöst, die Abfertigungsproblematik ist gelöst, und um den KV beneidete Sie mancher Herausgeber.

Wrabetz: Die Grundstrukturen des KV bei Pensionen, Abfertigungen, Anciennitäten, Kündigungsrecht sind modern. Wir müssen reden über manche Arbeitsbilder, die nicht mehr stimmen. Auch der Betriebsrat hat Änderungswünsche.

STANDARD: Die Arbeitsbilder sind zu teuer.

Wrabetz: Manche sind zu teuer, es geht um die Länge der Laufbahnen und so weiter. Auch wenn wir nicht alles nachbesetzen, wird sich ein großer Teil der Personalstruktur erneuern. Für Neue sollen ab einem Stichtag neue Regelungen gelten. Wir brauchen Instrumente für die Rekrutierung jüngerer Mitarbeiter.

STANDARD: Um das Praktikantenmodell zu vermeiden, das etwa in der TV-Information Probleme bereitet.

Wrabetz: Das ist ja immer nur die Lösung für ein paar Monate. Die Frage lautet: Wie kann man längere Testphasen gestalten? Zudem wollen wir Leistungsanreize schaffen. Wir haben jetzt ein sehr starres System, in dem das Arbeitsbild von Journalisten in der Verwendungsgruppe 13 endet, die man rasch erreicht, aber auch bei größtem Engagement ohne hierarchische Karriere über Jahrzehnte beibehält.

STANDARD: Ein paar Fragen haben wir noch offen: Wieviele Leute wird der ORF 2015 brauchen, wird er noch auf dem Küniglberg sitzen...

Wrabetz: Ich habe noch kein Strukturkonzept vorgelegt, in dem schon alles drinnensteht. Deswegen starten wir im nächsten Jahr einen Prozess für ein langfristiges Unternehmenskonzept.

Weiter: Wrabetz zu TW 1, Marktanteile, den Angriffen auf den ORF und die Programmreform.

STANDARD: Sie haben von zumindest zwei TV-Vollprogrammen gesprochen. Wie sieht es dann mit den Spartenkanälen aus, die ihnen schon lange am Herzen liegen?

Wrabetz: ORF Sport plus halte ich für wichtig, eine Kooperation mit dem Kinderkanal ist anstrebenswert. Beim Infokanal wird man sehen, das hängt von politischen Weichenstellungen ab. Mehr sollte es dann nicht sein. Eine Sender-Großfamilie können wir uns sicher nicht leisten.

STANDARD: Der Infokanal sollte ja aus TW1 entstehen. Wie berichtet geht das Gerücht um, TW1 solle verkauft werden, sein Manager Werner Mück habe Vorkaufsrechte und bemühe sich um Investoren.

Wrabetz: Ich glaube nicht, dass wir TW1 langfristig als kommerziellen Spartenkanal betreiben werden. Entweder wir wandeln ihn um in einen Infospartenkanal, oder es sind andere Lösungen zu überlegen. Herr Mück hat aber keinen Auftrag, einen Käufer zu suchen, sucht meines Wissens auch keinen und hat auch kein Vorkaufsrecht.

STANDARD: Wir haben schon die ORF-Direktoren angesprochen. Das ORF-Management erweckt derzeit den Eindruck: Jeder gegen jeden. Infodirektor Oberhauser gegen Programmdirektor Lorenz, Oberhauser und Lorenz gemeinsam gegen Kommunikationschef Strobl, Oberhauser als Stimmungsmacher im Hintergrund gegen Sie, Onlinedirektor Prantner – nach dem Befund seiner Belegschaft – als Kritiker des übrigen Unternehmens, insbesondere des Fernsehens.

Wrabetz: Im Vergleich zu früheren Geschäftsführungen sind wir eine absolute Harmoniegruppe. Dass es in Randbereichen kleine Sticheleien hie und da gibt, gehört in einem Medienunternehmen mit starken Persönlichkeiten dazu. Besonders ernst würde ich das nicht nehmen. Im Gegenteil, im Laufe des Jahres ist es eher besser geworden. Wir werden letztlich gemeinsam angegriffen.

STANDARD: Sie haben gesagt, Ihr Programmdirektor ist in quantitativer und qualitativer Hinsicht für den Programmerfolg verantwortlich. Wie äußert sich das denn?

Wrabetz: Indem alle Direktoren für ihre Medien verantwortlich sind und daher unter einem großen Erfolgsdruck stehen.

STANDARD: Wie sieht es denn aus mit dem Zielmarktanteil von 41 Prozent, der ja für die Bonuszahlungen an Sie und die Direktoren wesentlich ist.

Wrabetz: Den werden wir verfehlen.

STANDARD: Ich höre, dass sich der Bonus aufgrund einer Einschleifregelung doch ausgehen könnte. Ich vermute, Sie müssen nicht alle vier Kategorien erfüllen, um den Bonus zu bekommen.

Wrabetz: Zu Vertragsangelegenheiten gebe ich keine Auskünfte. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Bonifikationen kommt, ist gering. Aber das Jahr ist ja noch nicht aus.

STANDARD: Das heißt, es gibt eine Einschleifregelung?

Wrabetz: Das heißt: Kein Kommentar. Aber prinzipiell sollte man eines nicht verschweigen: Wir werden nach Marktanteilen den zweiten Platz in Europa nach Polen verteidigen. Mit knapp unter 40 Prozent haben wir einen durchaus herzeigbaren Wert.

STANDARD: Sie haben vorhin von Angriffen auf den ORF gesprochen. Ich nehme an, das bezieht sich auf die ÖVP, die ihnen seit Amtsantritt die Hölle heiß macht. Gibt es da keinerlei Gesprächsbasis? Was haben die gegen Sie? Offenbar nichts, was hilft.

Wrabetz: Das Seltsame ist: Ich habe zu sehr vielen in der ÖVP eine sehr gute Gesprächsbasis. Zu einem ziemlich weit hinten sitzenden Abgeordneten nicht. Ich fürchte, diese Gesprächsbasis wird sich über das Sachgespräch hinaus auch nicht mehr entwickeln. Dieser Abgeordnete verharrt in einer verbohrten Anti-ORF-Haltung, die die Gesamtstimmung drückt. Ehrlich gesagt: Ich halte das aus. Seit dem Jahr 2000 wollten mich – in unterschiedlichen Ausprägungen – Leute weghaben. Da tritt ein gewisser Gewöhnungseffekt ein. Ich bin noch da, manche von denen, die mich weghaben wollten, nicht mehr. Das Problem ist eher: Um den ORF werden nicht mehr Sachdiskussionen geführt, bei denen man selbstverständlich unterschiedlicher Meinung sein kann als die ORF-Geschäftsführung. Dass da aber jetzt eine Grundhaltung hervorkommt, nach der man am liebsten das ganze Unternehmen zerstören und auf ein Minimum reduzieren möchte, das bereitet mir Sorge.

STANDARD: Das heißt aber, Sie können jeglichen Wunsch nach Gesetzesänderung für's Erste aufgeben.

Wrabetz: Ich kann nur appellieren, wieder auf eine Sachebene zurückzukommen. Ich habe gar nicht gewusst, wieviele Teilorganisationen die ÖVP hat, die jetzt gegen die Gebührenerhöhung protestieren und auf Stiftungsräte losgehen, wie es in der harten und turbulenten ORF-Geschichte noch nie der Fall war. Obwohl niemand infrage gestellt hat, dass eine Gebührenerhöhung kommen muss. Auch beim Gesetz über Handy-TV ist letztlich etwas gelungen.

STANDARD: Haben Sie ein persönliches Motto?

Wrabetz: Wer wagt, gewinnt.

STANDARD: Immer noch? Nach diesem Jahr mit dieser Programmreform?

Wrabetz: Gewagt habe ich viel. Und wer wann wo gewonnen hat, das weiß man immer erst am Ende. Kleine Scharmützel sind natürlich verloren gegangen. Aber in zehn, 15 Jahren wird wahrscheinlich das "Extrazimmer" weniger Rolle spielen, als ob wir den Einstieg in HDTV richtig erwischen. Auch die Gebührenerhöhung habe ich gegen Prognosen geschafft.

STANDARD: Aber an die Programmreform, von der nach wenigen Monaten nicht mehr viel übrig ist, wird man sich auch in zehn Jahren noch erinnern.

Wrabetz: Da muss ich widersprechen. Von 30 Veränderungen sind 25 on air und funktionieren überwiegend gut. STANDARD: Mit wieder zurückveränderten Sendezeiten, wieder überarbeiteter "ZiB 1" ...

Wrabetz: Das Programm schaut heute in vielen Flächen anders und, wie ich meine, besser aus. Der ORF 2-Vorabend steht - nicht von der ersten Minute der Reform, aber jetzt - auch qualitativ besser da als vor einem Jahr. Die Infolinie von ORF 1 ist neu, jünger. Die Bürgersendungen sind etabliert, können sich noch entwickeln. Da gibt es genug, das sich bewährt hat. Auch "Vera exklusiv" findet jetzt am richtigen Sendeplatz ihr Publikum. Nicht zu vergessen "Wir sind Kaiser" und Stermann/Grissemann in der Donnerstagnacht.

STANDARD: Mit dem "Club 2" sind Sie zufrieden?

Wrabetz: Hat diese Woche auch wieder sehr gut funktioniert.

STANDARD: Die ORF-Reform war unter dem Strich ein Gewinn?

Wrabetz: Bei einer quantitativen Betrachtung ja. Aber natürlich sind Fehler passiert, und zwei, drei gewichtige Dinge haben nicht funktioniert. Erstmals seit Jahren hat es große Veränderungen gegeben, manches ist spektakulär schief gegangen, manches hat sehr gut funktioniert, manches hat Entwicklungspotenzial.

STANDARD: A propos Potenzial: Anfang 2008 soll der “Report“ erneuert werden, gilt das auch für den Sendungschef?

Wrabetz: Das müssen Hauptabteilungsleiter Johannes Fischer und Infodirektor Elmar Oberhauser entscheiden. Aber ich werde allen ihren Entschlüssen folgen.

STANDARD: Was immer die entscheiden, Sie stehen hinter ihnen?

Wrabetz: Ja.

STANDARD: Haben Sie sich in diesem Jahr schon gedacht: Ich hau den Hut drauf?

Wrabetz: Nein, eigentlich nicht.

STANDARD: Das heißt, alle Abwanderungsgerüchte sind hinfällig.

Wrabetz: Ja. Es muss da irgendwo ein Department für Desinformation für Anti-ORF-Propaganda geben. Aus diesem kommt das.

STANDARD: Haben Sie heute noch das Gefühl, es würde zu einem "Volksaufstand kommen, wenn jemand versuchen würde, den ORF maßgeblich zu beschränken"? Das haben Sie vor ein paar Monaten als Erfolgskriterium genannt.

Wrabetz: Ja.

STANDARD: Auch nach der Debatte über Programmreform und Gebühren?

Wrabetz: Diese Heftigkeit der Debatte ist ja auch eine ganz spezielle Form der Zuneigung. Den Leuten ist vieles im Land egal, nur der ORF nicht. Bei aller Kritik, allem Unbehagen, aber er macht einen guten Teil ihres Lebens aus. Deshalb ist der Anspruch an uns so hoch, die Menschen zufriedenzustellen. Wenn man merkt, man ist an deren Wünschen vorbeigegangen, muss man reagieren oder es von vornherein richtig treffen. (Harald Fidler/Langfassung des Interviews, erschienen in DER STANDARD, Printausgabe, 21.12.2007)